Die Würfel sind gefallen: LIV Golf League – Zero Points. Die Schlagerparade der Saudis kriegt weiterhin null Punkte, der Zugang zum Weltranglistensystem bleibt den Überläufern verwehrt. Jedenfalls, solange ihre Operettenliga genau das ist – ein Muster ohne vergleichbaren sportlichen Wert. Das Plazet des OWGR-Direktoriums war eindeutig: Die LIV’ler spielen nicht nur in einer anderen Liga, sondern in einem mit dem sonstigen sportlichen Geschehen in der Golfwelt unvereinbaren Format. So einfach ist das, so erwartbar war das.
Honig ums Maul für die Spieler
Der Vorsitzende Peter Dawson, einst R&A-Chef und danach Weltverbandsvorsitzender, hat klargemacht, dass die Ablehnung des LIV-Antrags ausschließlich technischer Natur sei. Nachdem sich PGA-Tour-Commissioner Jay Monahan und DP-World-Tour-Frontmann Keith Pelley vor geraumer Zeit für befangen erklärt und aus dem Prozess der Entscheidungsfindung zurückgezogen haben, bleibt kaum noch Raum, die Entscheidung mit politischem Kalkül zu begründen. Dennoch, auch ohne Monahan und Pelley ist das Direktorium keineswegs pro LIV eingefärbt, ein gewisses Geschmäckle also bleibt.
Deswegen tat Dawson gut daran, besagte „technische Natur“ detailliert aufzulisten und zu begründen – Stichwort geschlossene Gesellschaft, Einladungscharakter etc. –, den „hochgradig talentierten“ Aktiven ein wenig Honig ums Maul zu schmieren („An und für sich sind sie gut genug“) und dem Konkurrenz-Konstrukt sogar expressis verbis ein Hintertürchen zu öffnen („Ich hoffe, dass LIV eine Lösung finden kann“). Im Klartext: Die Spieler haben keine Schuld, mit ihnen will man es sich ja ohnehin nicht verderben, werden sie doch womöglich in naher Zukunft eh wieder ins Establishment „resozialisiert“. Den schwarzen Peter hat vielmehr LIV-Impresario Greg Norman, der bei seiner Drücker-Tour durch die Spieler-Nomenklatura das Blaue vom Himmel herunter versprochen und Restbedenken mit Saudi-Dollars beiseite gewischt hat.
LIV-Konzept voller Webfehler
Der anhaltende OWGR-Ausschluss ist die jüngste und vielleicht schwerwiegendste Laufmasche in dem 2022 mit der heißen Nadel und voller Webfehler als Beta-Version zurecht gestrickten LIV-Konzept. Norman hatte gehofft, Tiger Woods ködern zu können, in dessen Kielwasser alle Dämme brechen sollten. Er hatte die unbeugsame Haltung der PGA Tour nicht einkalkuliert. Er hatte fest mit einem Urteil des europäischen Sportgerichts zugunsten der Spieler als selbständige Unternehmer gerechnet. Schlimmer noch: Er hatte seinem Herrn und Meister Yasir Al-Rumayyan, dem Chef des saudi-arabischen Staatsfonds PIF als Finanzier der ganzen Chose, eine weitgehend geräuschlose feindliche Übernahme des Herren-Profigolf in Aussicht gestellt. Stattdessen sah sich jener mit der Drohung konfrontiert, in Sachen Kartellrechtsklage vor einem US-Gericht die Hosen runterlassen zu müssen.
Die mit der PGA Tour verabredete Rahmenvereinbarung hat den Saudi-Granden davor zwar bewahrt, aber womöglich muss er stattdessen demnächst vor dem Tribunal des US-Senats, aka ständiger Untersuchungsausschuss, Rede und Antwort stehen. Wie „not amused“ Al-Rumayyan darob war und wie sehr er Norman all das übel nimmt – samt der im ersten Jahr so widerlich zur Schau gestellten Fettlebe –, zeigt sich daran, dass der Australier seit der Bekanntgabe des designierten Deals mit der PGA Tour weitgehend kalt gestellt wirkt.
Hastig hin geschustert statt kompatibles Format
Jetzt fällt Norman schließlich auf die Füße, dass er es in seinem narzisstischen Alleingültigkeitsanspruch seit dem LIV-Debüt im Juni 2022 verabsäumt hat, aus dem hastig hin geschusterten Spielmodus ein halbwegs kompatibles Format zu machen, das Gnade vor den Augen des OWGR-Direktoriums findet (wie beispielsweise die MENA-Tour) und vor allem den LIV-Akteuren die für Major-Teilnahmen unabdingbaren Weltranglistenpunkte garantiert. Entsprechende Warnschüsse hatten Dawson und Co. bereits in einer ersten Stellungnahme bei Antragseingang abgefeuert. Doch Norman beharrte stattdessen unlängst noch darauf, dass Änderungen aufgrund laufender Kontrakte gar nicht möglich seien. Er nahm sogar das Wort „Prinzipen“ in den Mund.
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Diese letzte und vielleicht fatalste Unterlassungssünde dürfte ein finaler Nagel im Sarg für die LIV-Liga und Normans Revanchismus sein. Da hilft es kaum, dass wenig weit- und einsichtige Norman-Parteigänger wie Cameron Smith das OWGR als fürderhin irrelevant erklären – ein erwartbarer Reflex. Klügere Köpfe wie Bryson DeChambeau hingegen plädieren für eine automatische Qualifikation des Top-Dutzends in der aktuellen LIV-Tabelle fürs jeweils anstehende Major. Der R&A wiederum hat bereits verlautbart, man werde sich diesen Vorschlag durch den Kopf gehen lassen.
These: Kommendes Jahr wird LIV abgewickelt
Vielleicht für 2024. Danach – steile These – hat es sich eh „ausgeLIVt“. Kommendes Jahr wird LIV abgewickelt; das OWGR-Votum war der letzte Klotz, der aus Normans ohnehin wackeligem Jenga-Turm gezogen werden konnte; das Konstrukt ist in höchstem Maße einsturzgefährdet. Team-Eigner fürs Franchise-Konzept sind weit und breit nicht in Sicht; ein ernstzunehmender TV-Partner fehlt sowieso. Wie Liga geht, lässt sich derweil bei der Tomorrow Golf League (TGL) von Tiger Woods und Rory McIlroy beschauen, wo die Crème de la Crème des Profipersonals ein Stelldichein gibt, ein hochkarätige Franchisenehmer nach dem anderen für die Team-Patronate verkündet wird und mit „ESPN“ ein renommierter TV-Partner das Stadionspektakel in die amerikanischen Wohnzimmer überträgt.
Al-Rumayyan am Kopfende: The winner takes it all
Warum auch sollte Yasir Al-Rumayyan sein usurpatorisches Unterfangen weiterhin alimentieren? Der PIF-Boss hat erreicht, was er erreichen wollte. Er hat die Golfwelt erschüttert, die PGA Tour mit Milliarden von Dollar zugesch… zugeschüttet und sie dadurch in die Knie gezwungen. Er wird seine Rahmenvereinbarung bekommen und der wenig heimliche Herrscher von „NewCo“ und ihrer World Tour werden, weil selbst der US-Senat es sich letztlich nicht leisten kann, die Saudi-Investoren und ihr Öl zu düpieren. Norman hat seine Schuldigkeit getan und kann gehen. LIV bleibt irgendwas auf der Asian Tour. Die DeChambeaus und Smiths dieser Golfwelt werden reumütig in den Schoss des Establishments zurückkehren und alibimäßig ein bisschen büßen müssen; es wird ihnen wenig weh tun.
Und Yasir bin Othman Al-Rumayyan, offizieller Titel His Excellency, nimmt demnächst den Platz am Kopfende des reich gedeckten Tischs ein, von dem er als Golfbesessener seit jeher träumt und für den ganzen Kladderadatsch überhaupt angezettelt hat. Brave new golf world: The winner takes it all.