Einmal mehr beweist Golf seine Resilienz in schwierigen und unsicheren Zeiten. Weltweit darf das Spiel getrost als Gewinner der Krise bezeichnet werden – was angesichts der verheerenden Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft rund um den Globus ein schwierige Formulierung ist, zugegeben. Aber die Zahlen sind unmissverständlich, allüberall verzeichnen Verbände und Vereine derzeit gehörige Zuwächse. Und das unbenommen der nun wieder drohenden Schließungen.
Plus von zehn Millionen
Ausnahmen wie in Großbritannien, wo der eine oder andere Club den Folgen von Corona erlegen ist, bestätigen bloß die Regel. Aber in solchen Fällen stellt sich ohnehin die Frage, wie siech, sprich wie wenig fit für eine generell herausfordernde Golf-Zukunft, der betreffende Patient zuvor schon war – siehe Altersschnitt, Angebot oder Attraktivität der Anlage?
Doch das soll hier nicht Thema sein, stattdessen ein kurzer Blick in den Golf-Atlas. Der fällt naturgemäß zuerst auf den weltgrößten Golfmarkt, die USA. Was Altmeister Bernhard Langer im Gespräch mit Golf Post schon erzählt hat, bestätigen die Erhebungen und Daten der National Golf Foundation (NGF): Im August wurden auf den amerikanischen Plätze 20,6 Prozent oder rund zehn Millionen mehr Runden gespielt als im Vergleichszeitraum 2019.
Rekord seit Beginn der Datenerfassung
Das ist die größte Monatssteigerung seit Beginn der diesbezüglichen Datenerfassung vor 20 Jahren. Im Juli lag der Zuwachs bei 19,7 Prozent und im Juni bei 13,9 Prozent. Insgesamt wird für die drei Monate eine Steigerung von rund 27 Millionen ermittelt. Damit steuern die USA in Summe auf ein bis zu zehnprozentiges Plus an Golfaktivitäten gegenüber den 441 Millionen gespielten Runden des Vorjahrs zu.
Die Schlagworte vom perfekte Pandemie-Sport in frischer Luft und auf Distanz samt der Gewinne fürs Immunsystem und der generellen gesundheitlichen „Goodies“ müssen nicht mehr weiter ausgeführt werden. Und natürlich profitiert Golf davon, dass der Zugang zu anderen Sportarten durch die Vehemenz des Virus erschwert oder – im Wortsinn – ausgeschlossen war.
Runden sagen nichts über Neumitglieder
Allerdings muss bei allen Reports über gespielte Runden immer berücksichtigt werden, dass es sich vornehmlich um bestehenden Mitglieder handelt. Ein valider Rückschluss auf einen Corona-Effekt hinsichtlich möglicher Neugolfer ist im laufenden Jahr (noch) nicht möglich.
Trotzdem erhofft sich beispielsweise die NGF angesichts des hohen Anteils von Kids am Rundenzuwachs heuer eine gehörige Verstärkung für die 2,5 Millionen Kinder und Jugendliche, die in den USA registriert den Schläger schwingen (Stand 2019). Geredet wird von 20 Prozent, mithin 500.000 möglichen Neugolfern zwischen 6 und 17 Jahren.
Clubs als Begegnungsstätten
In Australien haben die Golfverbände der Bundesstaaten, namentlich von Victoria mit der Metropole Melbourne und den Anlagen im berühmten Sandbelt, registriert, dass es den Leuten in erster gar nicht nur um Golf und Scores ging. „Sondern darum, grundsätzliche mal wieder eine gute Zeit zu haben – mit Bewegung im Freien und Kontakt oder Gleichgesinnten“, sagt Philip Drew, Manager im Sandringham Golf Club: „Unsere Anlage war eher Begegnungs- denn reine Sportstätte.“ Und sein Kollege Mathew Loughnane vom Kew Golf Club ergänzt: „Es scheint, als wären wir nicht so stark betroffen wie anfangs befürchtet.“
„Covid-19 das Beste für Golf seit Greg Norman“
Auch in Down Under schossen die Zahlen enorm in die Höhe. Der Verband Golf Australia verzeichnete beispielsweise allein in einer Juli-Woche 256.000 Runden, 39 Prozent mehr als die 184.000 Runden des Vorjahreszeitraums, und geht von einer weiteren Steigerungen der Mitgliedschaften aus, nachdem bereits 2019 das erste leichte Plus im organisierten Golfsport seit zehn Jahren verzeichnet worden war.
Der angesehene Experte David Burton, lange Jahre General Manager des ikonischen New South Wales Golf Club, Vorstandsmitglied von Golf Australia und heute im Golf-Business unterwegs, berichtet, dass in Sydney temporär alle Schlägersets für Einsteiger ausverkauft waren und gibt zu Protokoll: „Es mag ironisch klingen, aber Covid-19 war das Beste, was Golf hierzulande seit Greg Norman passieren konnte.“
Briten haben 2019 bereits getoppt
Im Vereinigten Königreich kommt man ebenfalls mit einem deutlich lachenden Auge aus der Saison. Im Juli lagen die gespielten Runden der Clubmitglieder gemäß Hochrechnungen von „Sports Marketing Surveys“ um 40 Prozent über dem Aufkommen von 2019, im Juni und im August war es jeweils sogar ein Plus von 60 Prozent. Damit hatte Großbritannien trotz der Shutdown-Monate März, April und Mai bereits im Sommer das Rundenaufkommen des gesamten Jahres 2019 erreicht. Wie sich das auf die Mitgliederentwicklung auswirkt, bleibt abzuwarten.
Des einen Freud ist freilich eh des anderen Leid: Die entsprechenden Erhebungen zeigen auch eine wachsende Abneigung gegen Golfreisen. Die Furcht vor dem Virus und Quarantäne-Unsicherheiten wie -Unlust lassen die Golfanlage in der Nachbarschaft zum neuen Sehnsuchtsziel werden – warum in die Ferne schweifen … Die Briten erwarten auch künftig einen enormen Anstieg der Golfreisen im und durchs Inland, sprich England, Schottland, Wales und die beiden Irland.
Schlimmstenfalls ein blaues Auge
Das restliche Europa hinkt mit Zahlenspielen hinterher. Aktuelle Erhebungen gibt es nicht, der entsprechende Report von EGA und R&A datiert aus 2019 und bezieht sich auf 4,112.722 Golferinnen und Golfer in 2018. Hierzulande geht es dem Golfsport dank des Ansturms nach der Öffnung und dem weitgehend ordentlichen Wetter offenbar nicht per se schlecht, wenn man Clubs und Betreibern am Puls fühlt.
Riesenzuwächse sind allerdings wohl nicht zu erwarten und Gastronomie sowie Einnahmen durch Sponsorenturniere vielerorts ein Problem, was nahe liegt. Aber allgemein geht man davon aus, schlimmstenfalls mit einem blauen Auge davon zu kommen. Diesbezüglich mehr in der kommenden Woche.