Dem organisierten Golfsport laufen die Mitglieder weg. Erstmals kehrten 2018 mehr Menschen der Club-Struktur den Rücken als hinzu kamen, aus welchem von zahlreichen potenzielle Gründen auch immer. Jedenfalls beträgt das Minus 2.703 Golfer, gleich 0,4 Prozent. Die verbliebenen, und viele neue garantiert ebenso, haben zumeist keine Lust auf sechs Stunden lange Turniere samt Tages-Du und ritualisierter Preisverleihung. Und auf Verein eigentlich überdies nicht mehr. Wenn sich dann die Entscheidungsträger des deutschen Golfwesens, die Anlagen-Betreiber und -Manager treffen, ist es beruhigend zu erleben, dass der Blick nicht im Lamento auf dem Status Quo verweilt, sondern nach vorn geht. Richtung Golf-Zukunft.
BVGA begeht 20-jähriges Bestehen
So geschehen beim 10. Internationalen Golffachkongress des Bundesverbands Golfanlagen (BVGA) im April 2019 im A-Rosa Resort Scharmützelsee nahe Berlin. Erstmals übrigens gemeinsam mit den Kollegen von der Golf Course Association Europe (GCAE), denn es gab nebst Fachinformationen und Ausblicken was zu feiern. Vor 20 Jahren nahm der BVGA als Dachgremium der Golfplatzeigentümer und -betreiber seine Arbeit auf; in Bad Saarow erwies sich der Jubilar als unverändert putzmunter.
„Neue Wege gehen“: Unter diesem Leitmotiv stand der Kongress, und so begrüßte der BVGA-Vorstandsvorsitzende Christian von Oven (u. a. Golfanlage Seeschlösschen Timmendorfer Strand) gleichermaßen die 235 Teilnehmer aus Deutschland und ganz Europa. „Innovation, Entwicklung, Erfolg“ sind dabei nicht nur die Schlagworte des erweiterten Kongresstitels, sondern Weg und Ziel gleichermaßen. Wie für kaum eine andere Sportart gilt im Golf: Tradition ist nicht Anbetung der Asche, sondern das Bewahren des Feuers. Gelegentlich hilft dabei nicht trockenes Holz allein, ein bisschen Öl darf‘s zudem gern sein.
Golfbälle von den Augen nehmen
Sprich, eine Golfanlage mit Ambitionen und angestrebter Perspektive muss den Blick zwingend über den Tellerrand hinaus richten, sich neu ausrichten, vielleicht sogar neu erfinden – und vorher bitte die Golfbälle von den Augen nehmen. Oder anders: Gesegnet ist, wer dank Standort, Einzugsgebiet, Nimbus oder Destinationsreiz und nicht zuletzt eigenen Geschicks von Abschlägen, Fairways und Grüns allein leben kann; es dürften in der deutschen Anlagenlandschaft freilich nicht mehr allzu viele sein.
Dem Autor fällt hier exemplarisch das Hofgut Georgenthal im Taunus ein, das trotz seines Must-Play-Kurses mit einer Vielzahl von geselligen, kulturellen oder kulinarischen Angeboten als Komponente des Lebensstils zu punkten trachtet. Und das Golfresort Weimarer Land, das trotz zwei Plätzen und drei 18-Loch-Varianten am Rand der Goethe-Stadt ein Refugium darstellt, in dem Golf nur einer von zahlreichen Wohlfühlfaktoren ist.
Golfanlage als „Freizeitpark“?
Oder man wagt gleich den für eingefleischte Traditionalisten schier undenkbaren Schritt, wie Christian Keuschnig vom Golfpark Böhmerwald und Tim Steffens, Geschäftsführender Gesellschafter des Golfpark am Deinster Geest, beim BVG-Kongress im A-Rosa Resort Scharmützelsee ihn vorstellten. Ihr Vortrag lautete „Vom Golfclub zum Freizeitpark“. Hört, hört!
Für Asche-Anbeter hat das was von Lord Voldemort in Harry Potter: „Er, dessen Name nicht genannt werden darf.“ Aber den Gedanken, ein „Freizeitpark“ zu sein oder zu werden, sollten vor dem Hintergrund der aktuellen, freilich keineswegs überraschenden Entwicklung spätestens jetzt all jene erwägen, die nicht zum oben erwähnten Zirkel der Begünstigten gehören.
Golf und die moderne Spaßgesellschaft
Und selbst die müssen mit der (Frei-)Zeit gehen, um tatsächlich mit der Zeit nicht zu gehen. An dieser Stelle gebührt ein persönlicher Dank dem BVGA für die Vortragsplanung und Dr. Jutta Rump für ihre ebenso eingängigen wie eindringlichen Ausführungen über „Miteinander der Generationen: Baby Boomer versus Generation Y + Z?“.
Die Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Internationales Personalmanagement und Organisationsentwicklung an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen sowie Direktorin des Instituts für Beschäftigung und Employability, ebenfalls in Ludwigshafen, brachte nämlich auf den Punkt, was an dieser Stelle ebenfalls seit langem thematisiert wird: der Wandel in der Freizeitkultur und in den Verhaltensweisen der modernen Spaßgesellschaft, eine Entwicklung, die mit dem originären Wesens des Golfspiels nur noch sehr schwierig vereinbar ist.
Immer breitere Auswahl für immer kleine Klientel
Wenngleich Prof. Dr. Rump vornehmlich aus der Arbeitswelt berichtete, war das Auditorium gut beraten, genau zuzuhören. Denn die Parameter sind gleich, ob Stellensuche oder Freizeitgestaltung: Vorbei sind die Zeiten, in denen aus einem Überangebot an Bewerbern oder Interessierten geschöpft werden konnte. Heutzutage buhlen Arbeitgeber wie Freizeitanbieter um engagierte bzw. zahlungswillige und -fähige Klientel. Mit dem Wandel von der Baby-Boomer-Generation zur Ein-Kind-Familie ist der Arbeitsmarkt vom Anbieter- zum Nachfragermarkt geworden, die Freizeitbranche vom Verkäufer- zum Käufermarkt, einer immer breitere Auswahl für immer weniger Kunden. Das ist die Golfwelt des 21. Jahrhunderts.
Zahlreichen Aspekten auf der Spur
Drumherum gibt es jede Menge Aspekte, die beim BVGA-Kongress allesamt mit Vorträgen angesprochen werden: Von „Erfolgreiches Changemanagement für Golfanlagen“(Paul Armitage, Managing Director des 2018er Ryder Cup Platzes Le Golf National) über „eSport – Chancen und Risiken für den Golfmarkt“ (Peter Rücker, Geschäftsführer der Golfanlage Burg Konradsheim), „Das moderne Course Management“ (Jens Stenzel, Marshall auf der Golfanlage Gut Gleidingen) und „Was der Golfsport von anderen Sportarten lernen kann?“ (Hans Geist, Geschäftsführender Gesellschafter des Golfresort Haugschlag) bis hin zum Referat des renommierten Golfplatz-Architekten David Krause mit dem Titel „Golf-Design und -Renovierung: Für wen planen wir den Golfplatz?“