Mit einer repräsentativen Befragung, so erklärt es das Schwarmwissen von Wikipedia, lassen sich „aus einer kleinen Stichprobe Aussagen über eine wesentlich größere Menge treffen“, die sogenannte Grundgesamtheit. Wie es um solche Aussagen bestellt sein kann, wenn sie von der Realität eingeholt werden, zeigt sich gerade am Ausgang der US-Präsidentschaftswahl. Repräsentativität ist sicher ebenfalls ein zu großes Wort, wenn Gespräche mit einigen wenigen Betreibern und Managern Rückschlüsse auf die Situation der rund 720 deutschen Golfanlagen ergeben sollen. Dennoch: Es scheint, als seien die hiesigen Spielwiesen schlimmstenfalls mit dem berühmten „blauen Auge“ durch die Corona-Saison 2020 gekommen.
„Schock des Lockdown im Frühjahr überwunden“
„Golf ist eindeutig im Aufwind. Wir haben den Schock überwunden, den der Lockdown im Frühjahr ausgelöst hat. Das lässt sich jedenfalls aus den Gesprächen schließen, die ich in den vergangenen Wochen geführt habe“, bilanziert Dr. Reinhard Koss (Stuhr bei Bremen), der als vereidigter Sachverständiger für die Wirtschaftlichkeitsbewertung von Golfanlagen das Ohr am Puls der Szene hat. Vielerorts, so hört man gleichermaßen sonst bei der stichprobenartigen Bestandsaufnahme, ist die Mitgliederentwicklung erfreulich, die gespielten Runden schießen durch die Decke.
Spa & GolfResort Weimarer Land
„Wir verzeichnen gegenüber 2019 einen Netto-Zuwachs an Mitgliedern von zehn Prozent, was insofern zusätzlich bedeutsam ist, da wir in unserer Region darauf angewiesen sind, wirkliche Neugolfer zu generieren“, sagt Thomas Mönch, Prokurist und Golfmanager des 36-Loch-Ensembles am Rand der Kulturstadt Weimar. Ausgebuchte Schnupperkurse mit 15 bis 20 Teilnehmern und 35 Prozent mehr Platzreife-Teilnehmer als im Vorjahr sprechen eine deutliche Sprache.
Mit 31.000 gespielten Runden liegt das Weimarer Land 15 Prozent über 2019, der Pro-Shop vermeldet ein Plus von 12 Prozent und nicht zuletzt der Teilnehmeranstieg von 22 Prozent bei Turnieren zeugt von erhöhtem Golfbedürfnis, wenngleich die Gesamtzahl der Turniere heuer coronabedingt auf die Hälfte desVorjahres-Aufkommens reduziert werden musste. Und das Interesse der Mitglieder an Wintertraining ist so groß, dass Mönch in den kommenden Monaten zwei Golflehrer einsetzt. Demnächst steht fürs Indoor-Üben zudem eine Halle mit Simulatoren und Analyse-Technik zur Verfügung.
Das passt zur generell mehr als rosigen Befindlichkeit des Outdoor-Markts – bei den Aktivitäten ebenso wie hinsichtlich des Ausrüstungssegments –, sagt freilich noch nichts über die Wirtschaftlichkeit des Golfbetriebs im Pandemie-Modus. Schließlich heißt es „all business is local“, und da spielen Parameter wie Einzugsgebiet und regionale Kaufkraft oder Angebot und Ausrichtung sowie nicht zuletzt die Mitgliederstruktur der betreffenden Anlage eine besondere Rolle.
Ambivalenzen bleiben also; denn auch Rundenrekorde sind relativ und bringen kein frisches Geld in die Kasse, wenn sie von den Mitgliedern aufgestellt werden. Deshalb schränkt Koss, der zudem die Geschäfte des niedersächsischen 27-Loch-Ensembles Golf in Hude führt, im selben Atemzug ein: „Trotzdem sind die kurzfristigen Erlöse aus dem Greenfee sowie durch das Restaurant, den Pro-Shop oder die Turniereinnahmen deutlich zurückgegangen.“
Golf profitiert von den Paradigmenwechseln
Grundsätzlich aber bleibt festzuhalten, dass Golf auf deutschem Boden vom Bedürfnis nach sportlicher Betätigung an der frischen Luft und auf Distanz ebenso profitiert wie vom touristischen Paradigmenwechsel. Jedenfalls dort, wo die Anlagen die Krise vornehmlich als Chance wahrgenommen, sich herausgeputzt und mit klugen Angeboten statt wenig nachhaltigem Preisdumping in den Fokus einer nach Betätigung unter freiem Himmel gierenden Bevölkerung gerückt haben.
Schon vor einiger Zeit berichtete Thomas Mönch, Prokurist und Golfmanager im Spa & GolfResort Weimarer Land, an dieser Stelle beispielhaft über jede Menge Erstgäste, mehr Spieler, die mit dem Wohnmobil anreisen, und eine Erhöhung der durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von 2,5 auf 3,5 bis 4 Tage. Und Werner Gallas vom Ostsee Golf Resort Wittenbeck hat beobachtet: „Die Menschen machen mehrere Kurztrips statt ihres normalerweise längeren Auslandsurlaubs“.
Golf- und Country Club Seddiner See AG
Weniger Abgänge, mehr Zugänge: „Bei uns hat die Mitgliederentwicklung einen doppelten Effekt“, konstatiert Vorstand Horst Schubert und spricht von einem 30-prozentigen Plus bei den Club-Neueinsteigern. Im Greenfee-Bereich hat er das Nullsummen-Spiel des Frühjahrs-Lockdown ebenfalls mehr als nur kompensiert und liegt mit den beiden 18-Loch-Plätzen der Anlage nahe Potsdam um 50.000 Euro über den Planzahlen; eine Steigerung bei den gespielten Runden von 65 Prozent allein im Oktober gegenüber dem Vorjahreszeitraum sagt halt nicht nur was über die Spielfreude der Mitglieder.
Dagegen steht das Defizit im Bereich der Sponsorenturniere und Turniereinnahmen, die normalerweise einen sechsprozentigen Anteil an den Gesamterlösen haben, jedoch auf drei Prozent zurückgegangen sind. Was – nicht zu vergessen – überdies der ohnehin belasteten (verpachteten) Gastronomie das Leben zusätzlich schwierig macht, die durch den neuerlichen Shutdown zudem das jahreszeitliche Enten- und Gänse-Geschäft abschreiben muss.
Sprich, der deutsche Golfer bleibt im Lande, investiert sein Urlaubsbudget hier und nährt damit zudem die Anlagen redlich – um im Spruchbild zu bleiben. Die Anlagen wiederum haben sich mit Verve, Handlungsbereitschaft und Innovationsfreude der Pandemie gestellt –Ausnahme bestätigen die Regel – und dieser Entwicklung den Boden bereitet, weil sie Auszeit im Frühjahr vielfach nutzten, um an der Qualität der Plätze zu arbeiten. Und werden dafür mit großem Interesse an Schnupper- und Einsteigerkursen sowie durch Neuzugänge belohnt. Dr. Koss beispielsweise stellt für die von ihm direkt betreuten Anlagen in Hude sowie den Golfclub Syke ein Plus von 20 bzw. 10 Prozent fest. „Das Mitgliederwachstum für 2020 wird ein Riesenerfolg sein“, prognostiziert der Branchenkenner.
Die Aufgabe lautet nun, Neuzugänge auch zu halten
Demnach ist Golf in Deutschland ein wirtschaftlicher Gewinner der Krise? „Wenn es gelingt, die neuen Mitglieder zu halten, dann ja!“, bekräftigt Koss. „Ich glaube, dass die Golfanlagen in den vergangenen Jahren dazugelernt haben und alles zu tun, um es den Leuten recht zu machen. Wer da ein bisschen dazugelernt hat, ist fit genug, die Neuzugänge langfristig zu binden.“
Golfclub Velbert Gut Kuhlendahl
Einen interessanten Einblick in den Verlauf dieses Corona-Jahres vermittelt Geschäftsführer Michael Ogger im Gespräch mit Golf Post:
„Durch den Lockdown im Frühjahr ist der Kompensationszeitraum für die Mitgliederaustritte 2019 bekanntlich ausgefallen; überall stand bei den Neuzugänge eine Null. Da wurde die Branche schon nervös und hat sich gefragt: Sind wir alle pleite? Mit der Öffnung jedoch sind die ganzen Freiluftsportarten explodiert, auch Golf.
Also haben wir den Werbeetat Golf vervierfacht und die Lücke bis Ende Juli, Anfang August geschlossen. Dennoch haben wir einen sechsstelligen Betrag eingebüßt, denn erstens zahlen die Neumitglieder 2020 nur fürs halbe Jahr, zweitens hatten viele Anlagen die Preisschraube nach unten gedreht. Das hat massiv auf die Aufnahmegebühren gedrückt, und wir mussten diesen Trend mitmachen. Folglich haben wir zwar mehr Mitglieder, aber dennoch Geld verloren. Beim Trainingscenter und im Pro-Shop hat es uns ebenfalls heftig erwischt, da waren wir sogar mit 200.000 Euro hinten. Aber wir haben noch mal Extrageld in die Hand genommen und konnten das durch intensive Perfomance-Kampagnen kompensieren.
Alles in allem kommen wir mit einem blauen Auge davon, und so was heilt bekanntlich. Für 2021 sind wir mit dem Mitgliederzuwachs gut aufgestellt, sofern nichts Gravierendes passiert. Die große Aufgabe für alle ist es, die ganzen Neugolfer zu pflegen und zu binden. Viele nämlich haben sich vermutlich nur dem Golf zugewandt, weil – überspitzt gesagt – die Schiffsreise gerade ausfallen muss.“
Viel hängt natürlich davon ab, wie sich der Umgang mit dem Virus entwickelt und nicht zuletzt wie sich die erwartbare Corona-Welle wirtschaftlicher Folgeschäden darstellt. Das kann und darf man nicht unerwähnt lassen. Horst Schubert beispielsweise, Vorstand der Golf- und Country Club Seddiner See AG nahe Potsdam, hat schon beim Restart im Mai darauf hingewiesen, dass „niemand weiß, wie sich das Verbraucher- und Freizeitverhalten entwickeln wird“. Deswegen mag er momentan den „Golf-Boom“ erst Mal nur in Anführungszeichen setzen und verweist auf den neuesten Konsumklima-Index der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). In dem heißt es zusammenfassend: „Der Optimismus der Konsumenten aus dem Sommer scheint zu schwinden.“
Auf mittlere Sicht Gewinne bzw. Ausgleich der Verluste
Es bleibt abzuwarten, ob sich das als Wermutstropfen im Freudenbecher der Golfentwicklung auswirkt. Gerade in diesen Zeiten gilt für Prognosen und die eingangs erwähnte Repräsentativität der erhöhte Unwägbarkeits-Vorbehalt: Sicher ist nur, dass nichts sicher ist.
Fürs Erste indes hofft Dr. Koss, „dass die neuen Mitglieder den Golfanlagen auf mittlere Sicht Gewinn bescheren. Selbst diejenigen, die jetzt Verlust haben, werden das dank des Mitglieder-Plus auf Dauer wieder ausgleichen“. Mit dieser erfreulichen Perspektive darf das – gelinde gesagt – suboptimale Jahr 2020 dann gern alsbald enden …