Achtung, dieser Beitrag hat einen Beipackzettel: Er könnte allergische Reaktion auslösen; vor Risiken und Nebenwirkungen wird ausdrücklich gewarnt. Denn im Lauf der nächsten Zeilen wird es ketzerisch, das Thema Golfentwicklung und Golf im Wandel steht an, aber mal anders gedacht. Und deswegen ein Reizthema.
Glamour und Geld hier, Noblesse und elitärer Club dort
Am Wochenende rasen Lewis Hamilton, Sebastian Vettel und all die anderen tollkühnen Kerle in ihren fliegenden Kisten durch die Häuserschluchten von Singapur; der Formel-1-Zirkus gastiert im südostasiatischen Stadtstaat. Knapp 11.000 Kilometer nordwestlich haben sich im Londoner Speckgürtel Titelverteidiger Francesco Molinari, FedEx-Cup-Gewinner Rory McIlroy, Champion Golfer Shane Lowry und Co. zur BMW PGA Championship versammelt; im feinen Wentworth Club steigt das Flaggschiff-Turnier der European Tour. Was beide Ereignisse verbindet, ist der Luxus. Die Formel 1 steht für Glamour, Geld und zudem stets für Schickimicki. Golf in Wentworth hat den Touch der Noblesse und des Elitären; dort mischt sich altes Geld mit neureichen Mitgliedern, die der Besitzerwechsel 2014 mit sich brachte. Eine nicht unproblematische Konstellation, aber das war eine andere Story.
Verknappung als Erfolgskomponente
Jedenfalls ist das Odeur der Events vergleichbar. Beide bewegen sich im Luxus-Segment. Und es gibt nicht wenige Leute, Branchen-Insider überdies, die glauben, dass sich der Golfsport durchaus was von der Formel 1 abschauen könnte. Ja, das Plädoyer geht hin zu mehr Exklusivität – wenngleich jetzt vermutlich der erste reflexhafte Aufschrei kommt. Golf leidet immer noch unter dem Image des abseitigen, wenig sportiven Vergnügens einer begüterten Klientel; landauf landab bemüht man sich nach Leibeskräften, das Spiel in die Breite zu tragen, neue Zielgruppen zu erschließen, die Jugend zu animieren: Stattdessen soll‘s noch schnöseliger werden?
Einen Gedanken jedenfalls ist es wert. Glaubt beispielsweise der Unternehmer Hans Geist, Inhaber und Betreiber des Golfresort Haugschlag in Niederösterreich. Der Mann weiß, wovon er spricht, war jahrelang in der Formel 1 tätig und arbeitete eng mit dem kleinen großen Zampano Bernie Ecclestone zusammen. Dessen Erfolgskomponenten hießen Exklusivität und Verknappung, ein bisschen davon ließe sich laut Geist getrost adaptieren.
„So wird das Produkt besonders. Und jeder will mitmachen“
Zumal das mit dem „in die Breite tragen“ bislang ja nicht so gut geklappt hat. Siehe die aktuellen Zahlen im organisierten Golfsport: Nach der jahrelangen roten Null hat im vergangenen Jahr eine messbare Bestandserosion eingesetzt, auch die Baby-Boomer der Generation 50+ können das mittlerweile nicht mehr kompensieren. Angesichts dieser Entwicklung wird ein Blick über den Tellerrand des Jedermannsport-Gedankens wohl erlaubt sein …
Nun will Hans Geist keineswegs wie ein Elefant durch den mühsam aufgebauten, gleichwohl weiterhin in der Nische angesiedelten Porzellanladen der öffentlich Akzeptanz trampeln und alles revidieren, was in den vergangenen Jahren an Imageverbesserung erreicht wurde. Aber die Formel 1 unter Ecclestone habe bewiesen, dass Exklusivität und Verknappung ganz wichtige Aspekte sein können: „Es macht das Produkt besonders. Jeder will hinein, jeder will da rein“, referierte der Ex-Rallyefahrer und Geschäftsführer der österreichischen Rennstrecke A1 Ring beim Internationalen Golffachkongress 2019 des Bundesverbands Golfanlagen (BVGA).
„Was der Golfsport von anderen Sportarten lernen kann“
Sein Vortrag im A-Rosa Resort Scharmützelsee hatte den Titel „Was der Golfsport von anderen Sportarten lernen kann“. Beispielsweise etwas mehr Mut zum Maximum. „Golf lebt davon, dass es sehr viel Understatement hat“, führte Geist in Bad Saarow aus. „Das ist sicher keine schlechte Taktik, aber es würde dem Golfsport gut tun, hin und wieder ein bisschen besser darzustellen, was es alles an Aufwand, Einsatz und Kosten braucht, um den Gästen das Gefühl zu geben, in einem ganz besonderen Sport, auf einer ganz besonderen Anlage unterwegs zu sein.“
Vielleicht gilt auch für Golf die Binse „Willste was gelten, mach dich selten“. Sprich, ein bisschen Verknappung mag durchaus förderlich sein. „Diese Verknappung können wir ebenso hin und wieder hervorrufen“, sinnierte Geist: „Vielleicht so: Diese Prime-Mitgliedschaft kann nicht jeder haben; bei dem einen oder anderen Turnier kann nicht jeder mitspielen, sondern nur Leute, die schon zehn Jahre im Club sind.“
„Verramschung macht das Produkt unglaubwürdig“
Oder das Thema Greenfees und Greenfee-Rabatte. „Greenfees bzw. Mitgliedschaften betreffen unser wichtigstes Produkt, dafür arbeiten wir, dafür arbeiten die Greenkeeper, dafür haben ein Architekt und eine Baufirma gearbeitet“, betonte der Österreicher. „Das hat seinen Preis! So was darf man nicht verschenken. Eine Verramschung macht das Produkt unglaubwürdig.“ In der Tat, die Rabattschlachten ums Greenfee führen lediglich zum Verdrängungswettbewerb unter den Golfanlagen, bringt aber keine neuen Golfer. Das mag kurzfristig die Kassenlage beleben, ist aber gleichsam kurzfristig gedacht.
Nächstes Stichwort: Lobbyismus. Und das geht an die Adresse der Verbände. „Es muss viel stärker herausgestellt werden, wie gesund Golf und die damit verbundene Bewegung im richtigen Tempo ist. Plus die soziale Funktion.“, forderte Geist. „Wir haben das perfekte Produkt, um vom Alltagsstress herunterzukommen, abzuschalten, auch ein paar Pfunde runterzubringen, dazu das Glücksgefühl eines schönen Lebens.“
Von der Vereinsmeierei in die freie Marktwirtschaft
Und schließlich das Thema Nachwuchspflege. „Klar, die ist mühsam und teuer. Indes sichert sie auch das Geschäft für die nächste Generation.“ Ohnehin zeigen Marktanalysen, dass die sogenannten Millennials (geboren zwischen 1981 und 1994) und die Generation Z (geboren zwischen 1995 und 2010) für 30 Prozent des weltweiten Umsatzes im Luxusbereich sorgen. Dem übrigens prognostiziert die Unternehmensberatung McKinsey für 2025 ein weltweites Marktvolumen von 415 Milliarden Euro.
Warum soll sich der Golfsport nicht ein Scheibchen von diesem Kuchen genehmigen? „Wer Golf spielt, der erlangt damit auch ein gewisses Lebensgefühl. Diese Exklusivität muss man halt liefern“, sagt Geist dazu. Hand aufs Herz, irgendwo hat er doch recht, oder?
Wie gesagt: Man muss sich dem nicht in Gänze anschließen. Doch es lohnt sich, drüber nachzudenken. So sind nun mal diese modernen Zeiten. Immerhin ist auch der Golfsport weitgehend aus den seligen Zeiten der gebührenfinanzierten Vereinsmeierei in der freien Marktwirtschaft angekommen, da gelten nun mal andere Gesetzmäßigkeiten. Und wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit …
Interessanter Gedanke, den ich nur in dem Ansatz teile, dass der halbherzige Versuch Golf in die Breite zu tragen bisher nicht geklappt hat.
2 Gedanken warum dieser Ansatz der Elite aber auch (in Deutschland) nicht funktionieren kann:
1. Die Verknappung kommt ja zur Zeit von alleine. Ganz einfach: die Golfer sterben aus und immer mehr Anlagen kämpfen ums Überleben. Versuche ich nun künstlich die Ware Golf zu verteuern, müsste ich aktuelle Mitgliedschafts- und Greenfeepreise wohl verdoppeln. Und es würde eine Negativspirale gestartet.
2. Der Vergleich zur Formel 1 ist vollkommen unpassend. Die Formel 1 lebt von den Fanmassen, den man Brot und Spiele vor Ort bzw. vor dem Fernseher bietet. Der Autor ist sicherlich noch nie bei einem Formel 1-Rennen gewesen. Im Golfsport wahrscheinlich nur vergleichbar mit Loch 16 der Phoenix Open. Dies ist das Gegenteil von Glamour.
Mit spochtlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Schneiders,
1. verwechseln Sie in Ihren Anmerkungen „den Autor“ mit den Ansichten und Aussagen von Herrn Geist, die der Artikel – und mithin „der Autor“ – zuvorderst lediglich reportiert.
2. ist im Beitrag nicht von Zuschauern/Fans, sondern ursächlich von Protagonisten/Teilnehmern die Rede.
3. irren Sie in Ihrer Mutmaßung bezüglich der Formel-1-Einsichten des Autors vollumfänglich – woher auch immer Sie diese Annahme beziehen.
Freundliche Grüße