Er lieferte die Runde des Tages und ist damit ein echter Favorit auf den Gewinn dieser US Open: Will Zalatoris spielte gestern eine 67, leistete sich trotz der schwierigen Bedingungen nur ein Bogey und könnte heute seinen märchenhaften Aufstieg krönen, der ihn binnen kürzester Zeit von der Korn-Ferry-Tour und einem Weltranglistenplatz jenseits von 300 auf Rang 14 geführt und zum ernsthaften Major-Anwärter gemacht hat. Mit fünf Top-Ten-Plätzen in acht Teilnahmen ist der 25-Jährige vermutlich auch fällig, der zuletzt das Play-off um die PGA Championship gegen Justin Thomas verloren hat. Jedenfalls sieht Zalatoris selbst das so: „Ich fühle mich, als hätte ich eine 61 geschossen. Bei Fehlern bin ich immer irgendwie davon gekommen oder habe ein bisschen zaubern können.“ Und: „Ich denke, dass ich bereit bin für meinen großen Major-Moment.“
Wenn er so agiert wie gestern – brillant im Umgang mit den Eisen und andernfalls mit rettendem, nicht minder hochklassigem kurzen Spiel –, dann führen alle Wege in Brookline definitiv über ihn. Pikanterie am Rande: Ein Majortriumph wäre für Zalatoris ebenso der erste Sieg auf der PGA Tour wie für seinen heutigen Flightpartner und Hauptkonkurrenten – und damit zu Matthew Fitzpatrick.
„Fitz“ hat Geschichtsträchtiges auf dem Schläger
Historisch: Wenn Matt Fitzpatrick heute um 14.45 Uhr Ortszeit seinen ersten Abschlag in die Finalrunde macht, dann schwingt Geschichte mit. Der 27-jährige Engländer könnte sich auf demselben Platz die US Open und damit sein erstes Major sichern, auf dem er vor neun Jahren die amerikanische Amateur-Meisterschaft gewonnen hat. Dieses Kunststück gelang vor ihm lediglich Juli Inkster in Prairie Dunes und Jack Nicklaus in Pebble Beach.
Dass „Fitz“ das Zeug dazu hat, belegt ein Blick in die Statistik: Er führt das Feld in Sachen „Strokes Gained: Tee-to-Green“ mit deutlichem Vorsprung an; gestern beim „Moving Day“ brillierte er mit aggressivem Spiel und brachte eine 68er-Runde ins Clubhaus. „Es verschafft mir sicherlich einen gewissen Vorteil, dass ich hier 2013 schon gespielt habe und erfolgreich war“, sagte Fitzpatrick, der im Fall des Sieges überdies der erste Nicht-Amerikaner wäre, der beide Titel inne hat.
Keegan Bradley: Die Ruhe des Publikumslieblings
Local Hero: Was macht eigentlich Keegan Bradley? Der Profi aus Vermont hat 2011 bei seinem Major-Debüt die PGA Championship gewonnen und machte seither vor allem Schlagzeilen, als er und sein Caddie sich mal mit Miguel Ángel Jiménez zofften. Der letzte von vier Siegen auf der PGA Tour liegt vier Jahre zurück, die BMW Championship 2018. Doch in Brookline avancierte Bradley, der früher mal in der Region zur Schule gegangen ist und vor dieser US Open bei einem Baseball-Spiel der Boston Red Sox den ersten Pitch werfen durfte, zum Liebling des New-England-Publikums.
„Kee-Gan, Kee-Gan“ hallte es von den Tribünen, als der 36-Jährige gestern nach einem 69er-Umlauf (-1) vom 18. Grün ging, der ihn heute in Schlagdistanz zur Spitze ins Finale gehen lässt. „Das war einer der aufregendsten Augenblicke meines Lebens“, sagte Bradley noch am Abend: „Ich habe mich wie bei einem Heimspiel gefühlt, das war bewegend.“
Er weiß, dass heute „ein harter Tag ansteht, dass es mit der ganze Atmosphäre richtig intensiv wird. Aber ich fühle schon die ganze Woche eine außerordentliche Ruhe in mir“. Mal sehen, bis wohin ihn die Unterstützung der Galerie trägt …
Schnitt von 73,5 Schlägen, nur sieben Runden unter Par
65. Akteur: Die Golfmedien und auch die Protagonisten sind sich einig – der Composite Course des Country Club war gestern ziemlich aggressiv im Spiel und machte den 64 US-Open-Teilnehmern das Leben schwer, die den Cut überstanden haben. Es wurden lediglich sieben Runden unter Par notiert, dazu drei Even-Par-Umläufe; der Durchschnittsscore des Felds auf dem Par-70-Layout betrug 73,53 Schläge. „Das war brutal da draußen“, sagte Will Zalatoris. Aber „so muss eine US Open sein“, betonte Justin Thomas.
Die mit Elementen des „Primrose“-Platzes gewürzte Kombination aus „Squirrel“- und „Clyde“-Schleife lag den ganzen Tag unter strammem Wind und trocknete zusehends aus; dazu kamen extrem schwierige Fahnenpositionen – allein auf acht Löchern stand der Stock nur 4,5 Meter oder weniger vom Grünrand entfernt – und Stimpmeter-Werte von um die zwölf Fuß (3,65 Meter).
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McIlroy und Co.: „Moving Day“ nach hinten
Favoritenkiller: Man dachte, beim „Moving Day“ schüttelt sich alles zurecht und die üblichen Verdächtigen übernehmen das Zepter bei dieser 122. US Open – spätestens nach Scottie Schefflers vom Fairway eingelochtem Eagle auf der Par-5-Acht, das den Weltranglistenersten an die Spitze des Leaderboards katapultierte.
SCOTTIE SCHEFFLER!
The World No. 1 moves to a two-shot lead with this hole-out eagle at the #USOpen! ?
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Doch das arrivierte Personal hatte die Rechnung ohne den Platz gemacht: Rory McIlroy (+3) spielte sich nicht nach vorne, sondern nach hinten und sprach hernach von „einer der härtesten Prüfungen, die ich seit langem auf einem Golfplatz erlebt habe“; Scheffler (+1) verlor nach seinem Zauberschlag den Faden; Collin Morikawa (+7), der als Mitführender gestartet war, erlebte einen Tag zum Vergessen und wurde auf den geteilten 17. Rang durchgereicht; Jon Rahm (+1) schließlich knickte auf dem 18 Loch mit einem Doppel-Bogey doch noch ein, nachdem er sich zuvor immer noch irgendwie durchgewurschtelt hatte, sprach aber unverdrossen optimistisch von „sechs wirklich guten Schlägen“.
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Der Optimismus ist nicht ganz unbegründet: Bis auf Morikawa liegen alle nach wie vor in aussichtsreicher Position, schlechtestenfalls drei Schläge hinter den beiden Spitzenreitern (McIlroy). Und heute geht’s garantiert erst richtig zur Sache – nichts scheint unmöglich.
Justin Thomas und der „Fluch“ des Abflussdeckels
Gebrauchter Tag: Es war nicht der „Moving Day“ des Justin Thomas. Dem zweifachen PGA-Champion fehlte auf seiner 72er-Runde (+2) das notwendige Quäntchen Glück, das man auf einem derartig taffen Kurs braucht – und dann kam auch noch Pech dazu. Auf Bahn vier landete sein Abschlag neben einem Dränage-Abflussdeckel. Es war ein klassischer „Bad Lie“, und Thomas fragte zurecht nach einem „Free Drop“, der ihm vom Referee freilich verwehrt wurde. Ganz Sportsmann spielte Thomas seinen Ball wie er am Rand der Mulde lag, traf die Murmel prompt fett und schoss sie in einen Grün-Bunker, was letztlich mit einem Bogey endete. Die daraus resultierende Tirade des 29-Jährigen war dann nicht mehr ganz so gesellschaftsfähig. „So was kotzt mich an“, sagte er zu seinem Caddie Jim „Bones“ MacKay: „Viele würden einfach lügen und sagen, sie könnten und werden den Ball so nicht spielen und würden damit einen Drop heraus schinden.“ Sprach’s und garnierte das Ganze wiederholt mit dem F-Wort und „Bullshit“ sowie anderen Flüchen, hatte sich selbst am nächsten Abschlag noch nicht beruhigt, gab aber später zu: „Um einen ,Free Drop’ zu erhalten, hätte die Gefahr bestehen müssen, den Gully zu treffen.“ Die USGA erklärte hinterher in einem Statement ebenfalls: „Während der Diskussion wurde Justin gefragt, ob der Abflussdeckel seinen Schwung beeinträchtigen würde. Er sagte, dass dies nicht der Fall sei. Daher bekam er keine Erleichterung.“ Damit war die Lage des Balls lediglich als Gelände-Unebenheit definiert.
The Country Club at Brookline is proving to be a frustrating course. #USOpen
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— Golf Channel (@GolfChannel) June 18, 2022
Ouimets Nachfolger schlagen sich wacker
Respekt: Der Country Club ist berühmt geworden durch den grandiosen Erfolg des Amateurs Francis Ouimet bei der US Open 1913 über die englischen Golfgrößen Harry Vardon und Ted Ray. 109 Jahre später schlagen sich seine Nachfolger ebenfalls sehr wacker, wenngleich gewiss keiner für den Sieg in Fragen kommt. Dennoch gebührt ihnen Erwähnung: Bester des Quartetts, das den Cut überstanden hat, war gestern der Texaner Sam Bennett, der eine 74 scorte, gefolgt von Austin Greaser (Ohio) und Travis Vick aus Texas (beide 76) sowie dem Kalifornier Stewart Hagestad (79). Erster Aspirant auf den Titel des Low Amateur ist Vick als geteilter 40., der insgesamt zwei Schläge vor Bennett rangiert.
Scottish Open ohne LIV-Überläufer?
Außen vor: Laut einem Bericht der britischen Zeitung „The Guardian“ sind Spieler, die bei der LIV Golf Invitational Series antreten, bei der Scottish Open vom 7. bis 10. Juli „nicht willkommen“. Man werde Phil Mickelson und Co. mitteilen, sie seien im Renaissance Club in North Berwick „unerwünschte Personen“, heißt es. Das Traditionsturnier wird heuer erstmals von DP World Tour und PGA Tour gemeinsam getragen und gilt als Generalprobe für die Open Championship, die in diesem Jahr ihr 150. Jubiläum feiert und auf dem Old Course in St. Andrews ausgetragen wird. Der Klassiker ist mit acht Millionen Dollar dotiert und zählt u. a. auch zur FedEx-Cup-Wertung. Wenn die LIV-Überläufer tatsächlich abgewiesen werden, dann erfolgt das fraglos aus Rücksicht auf die PGA Tour, die alle Abweichler bekanntlich mit sofortiger Wirkung für ihren Spielbetrieb gesperrt hat. Die DP World Tour ihrerseits, die derzeit intensive Verhandlungen mit der PGA Tour führt, hat noch keine Entscheidung verkündet und Spieler wie Martin Kaymer oder Bernd Wiesberger erstmal für die BMW International Open nächsten Woche in München-Eichenried zugelassen.
On the Tee: „Mr. Thompson“
Zum Schluss: Der gestrige Tag fing für Justin Thomas schon komisch an, und damit passt das gut an diese Stelle. Bei seiner Tee Time um 12.55 Uhr Ortszeit wurde der zweifache PGA-Champion vom Ansager am ersten Abschlag wie folgt vorgestellt: „From Louisville, Kentucky, Justin Thompson!“ Ist ja nicht so, als ob man den 29-Jährigen irgendwie kennen müsste … Thomas’ Blick jedenfalls sprach Bände: