Diese Eiche. Älter als der Platz. Von der Zeit und der Witterung gebeugt. Verwachsen. Sehenswert. Und für jeden – wieder – sichtbar, der die Schlussbahn des Marienburger Golf-Club in Richtung Grün marschiert. Wieder. Die Eiche, samt der Kiefern drumherum, ist eine Metapher. Die Bäume wurden vor gut zwei Jahren freigestellt, nein, förmlich aus der grünen Kulisse geschält, mit der sie verschmolzen waren. Seither stehen sie, sinngemäß wie buchstäblich, als Symbole für ein Sanierungsprojekt, das einmalig in der Geschichte der Traditionsanlage im Grüngürtel von Köln und eine nahezu beispiellose Besonderheit in der deutschen Golfplatzlandschaft ist.
„Projekt bekam eine gewisse Eigendynamik“
Der Club wollte laut Beschluss vom November 2020 eigentlich nur die Grüns des Neun-Loch-Layouts renovieren. Jedes Jahr drei. Das hätte allerdings einen mehrjährig eingeschränkten Spielbetrieb mit sich gebracht. Also entschied man sich 2021, alle Puttflächen auf einmal in Angriff zu nehmen. Die Grünbunker gleich dazu. In einem Abwasch die Abschläge. Und wenn man eh dran war: auch die Übungsanlagen, auf denen jetzt ein Tour-Profi wie der aus dem Nachwuchs hervorgegangene Nick Bachem wieder gern trainiert. Das Wegesystem. Einige Grüns des Kurzplatzes. Schließlich alle Fairways und die wuchernde Vegetation.
„Stimmt“, räumt Vorstandsmitglied Alexander Jacobi schmunzelnd ein, „es bekam eine gewisse Eigendynamik.“ Am Ende war aus dem geplanten partiellen Eingriff eine Generalüberholung geworden, ein Beinahe-Neubau des in die Jahre gekommenen Ensembles – begünstigt durch die Spendenbereitschaft der Mitglieder und einen Zuschuss aus dem Programm zur Sportstättenförderung des Landes NRW für den sportlich ambitionierten Club mit mehreren DGL-Mannschaften und einer engagierten Jugendarbeit.
Intensive Analyse als Basis für Masterplan
Die entsprechende Gestaltungsaufgabe ging an Christian Althaus (Düsseldorf). Der Landschaftsarchitekt und EIGCA-Absolvent (European Institute of Golf Course Architects) hat sich auf Föhr oder etwa in Georgenthal und in Trier einen Namen als ganzheitlich denkender Designer gemacht, der einen kreativen Spagat zwischen Spielbarkeit, sportlicher Herausforderung und Berücksichtigung beziehungsweise Bewahrung ökologischer Gegebenheiten beherrscht. „Wir wollten uns modernen Anforderungen stellen und einen Platz haben, der State of the Art ist“, verdeutlicht Jacobi.
Also machte sich Althaus ans Werk. Er ließ Bodenproben entnehmen und in einem Speziallabor analysieren, drang bei seinen Inspektionsgängen in die hintersten Winkel der Anlage vor, vermaß den Altbestand per Laser, führte lange Gespräche mit Headgreenkeeper Christian Ibelshäuser und dem damals für den Platz zuständigen Vorstandsmitglied Ulrich Overdiek. In seiner Anamnese notierte Althaus Krankheitsdruck und Staunässe in den überdies untreuen Grüns sowie einen optimierbaren Wasserverbrauch, attestierte den Bunkern Anfälligkeit für Starkregen samt dadurch bedingter Verunreinigungen und kam in Absprache mit den Rasenexperten und den Clubverantwortlichen zu dem Schluss, dass die Mängel durch Pflegemaßnahmen nicht zu beheben waren.
Spielbetrieb für neun Monate ausgesetzt
Im Lastenheft aka Masterplan standen schließlich die Stichworte Bespielbarkeit, Platzlänge, Qualität, Pflege, Beregnung, Wegekonzept, Bäume. Sieben auf einen Streich sozusagen. Aus der Renovierung von drei Grüns war eine Mammutaufgabe geworden; weitaus mehr als die Politur für eine Preziose, so hübsch sich die Überschrift dieses Beitrags liest. Althaus bezeichnet das Ganze vielmehr als „Operation am offenen Herzen“. Neun Wochen waren für den Eingriff angesetzt worden, um rechtzeitig einsäen zu können. Der Spielbetrieb wurde in dieser Zeit komplett ausgesetzt. „Durch die Konturen des Geländes und den Baumbestand war die Struktur des Platzes zwar vorgegeben, doch wir haben keinen Bunker gelassen, wo er war, letztlich jede Bahn verändert“, sagt Jacobi. Althaus ergänzt: „Dabei sollte es immer unverwechselbar Marienburg bleiben.“
Der Parklandkurs am äußeren Ring von Köln zählt zu den klassischen Preziosen im Schatzkästchen deutscher Golfanlagen. Seit 1909 wird im Kölner Süden gespielt, der Club wurde drei Jahre zuvor als Kölner Golf-Club gegründet und hatte den ersten Parcours auf der damaligen Pferderennbahn im linksrheinischen Stadtteil Merheim. Mit dem Umzug in den Grüngürtel erfolgte die Umwidmung in Marienburger Golf-Club. Der Verein ist von jeher ein Faktor im gesellschaftlichen Leben der Domstadt, zählt beispielsweise den zwölf Jahre amtierenden DGV-Präsidenten und 2012 verstorbenen Jan Brügelmann zu seinen Vorsitzenden (1953 bis 1982) und wird seit 2001 von Paul Bauwens-Adenauer geführt.
Mit dem Rad in zehn Minuten am Platz
Bei aller Reputation gilt nach wie vor, was bereits vor knapp 90 Jahren festgehalten worden war: „In welcher deutschen Stadt – dazu noch in einer Großstadt – ist es den Mitgliedern möglich, in […] zehn Minuten mit dem Fahrrad ihren Golfplatz zu erreichen?“ So berichtete 1934 die „Deutsche Golf Zeitung“, herausgegeben vom legendären Baumeister und Chronisten Dr. Bernhard von Limburger, der den bedeutendsten Marienburger Umbau vor Althaus’ Aktivitäten verantwortet hatte. Damals wie heute kommt die Mehrheit der Mitglieder aus dem Süden von Köln.
Anfang August 2021 war freilich erstmal Schluss mit dem Spielbetrieb im Grüngürtel. Unmittelbar nach dem letzten Spieltag der Damenbundesliga wurde der Platz gesperrt. Die Sommerfeld AG rückte als bauausführende Firma an, startete die Maschinen und verwandelte den Platz vom ersten Tee bis zum neunten Grün binnen weniger Tage in eine Großbaustelle.
„Die komplette Sanierung und die spieltechnische Überarbeitung der Fairways, der Bunker und der Grüns, verbunden mit entsprechenden Pflegemassnahmen auf dem gesamten Gelände, haben im Marienburger Golf-Club ein völlig neues Golferlebnis geschaffen.“
Paul Bauwens-Adenauer, Präsident Marienburger Golf-Club
Althaus hat zum Beispiel die roten und gelben Abschläge neu sortiert, „weil die Damen etwas benachteiligt waren“, und ein Abschlagskonzept mit vier Farben integriert, „was der Sportlichkeit gezollt ist, denn der Platz war etwas zu kurz“. Nun lässt er sich als echter 18-Loch-Platz spielen (6.304 Meter, Par 72): beispielsweise mit den geraden Löchern von Weiß und den ungeraden Löchern von Gelb. Sogar Tour-Sieger Bachem muss sich dann gehörig strecken, um das eine oder andere Grün driven zu können.
Bunker dank Einlage nun State of the Art
Rund um die Fahnen ging es richtig ans Eingemachte. Grüns und Grünkomplexe wurden auf Basis der Althaus-Pläne komplett neu aufgebaut, die Beregnung entsprechend optimiert. „Die Puttflächen sind teilweise 70 Jahre alt gewesen. Die Wurzeln hatten vielleicht noch eine Tiefe von fünf Zentimetern, darunter war keine Luft mehr – toter Boden. Zudem hatten sie teilweise keine Dränage oder waren nur halb dräniert“, erläutert Headgreenkeeper Christian Ibelshäuser. „Dann wird es halt schwierig, irgendwas sinnvoll zu düngen und zu bewässern. Vom Anspruch ganz zu schweigen, den wir hier haben.“
Ein besonderes Augenmerk galt den Bunkern, die mit Unterstützung durch die Experten der Firma CapillaryFlow (USA/Schweden) umgestaltet und mit einer wasserdurchlässigen Sohle aus Porenbeton (Capillary Concrete) ausgestattet wurden, wie er beispielsweise auf Le Golf National verbaut ist, dem Ryder-Cup-Platz von Paris 2018. Althaus: „Diese Einlage ist Stand der Technik heutzutage; sie schützt den Bunker vor Verunreinigungen aus dem Untergrund. Der Sand bleibt sauber. Und bei Starkregen verhindert der Porenbeton, dass die Dränage durch Einschwemmungen verstopft wird.“ Das spart Aufwand und ist nach Angaben von Ibelshäuser „eine Riesenerleichterung für uns“. Und: „ Die Mitglieder merken, dass sie nun auf anderem Niveau spielen.“
Binnen 15 Tagen alle Fairways überarbeitet
Auch, weil die Greenkeeper die Spielauszeit nutzten und den Fairways eine Verjüngungskur angedeihen ließen. „Dieses Thema war allein deren Baby“, betont Althaus, und Ibelshäuser fügt an: „Naja, der Platz war ja eh zu und alles war auf die Grüns fokussiert, da wollten wir die Zeit noch anderweitig nutzen.“ Also wurde binnen 15 Tagen die Rasendecke der Bahnen abgeschält und der Untergrund bis in eine Tiefe von 30 Zentimetern gefräst, um die im Lauf der Jahrzehnte entstandene Verdichtung des Bodens zu eliminieren. Sackungen und Kerben wurden aufgefüllt, dann 1.000 Tonnen Sand eingearbeitet und schließlich weitere 1.000 Tonnen als Rasentragschicht aufgebracht.
Mit dem Altmaterial wiederum modellierten Ibelshäusers Mannen einen schalldämmenden Naturwall hinter dem achten Grün, jener Stelle, die dem Verkehr rund um Südverteiler des Kölner Autobahnrings am nächsten ist. „Wir sind sehr stolz, dass unsere Greenkeeper derart mitziehen, im Team, und sich derart mit der Anlage identifizieren“, schwärmt Jacobi: „Auf diese Weise haben wir unserer ,älteren Dame’ wieder ein sportliches Kleid verpasst.“ Samt Kosmetik und frischem Schnitt.
Licht und Luft in den Platz gebracht
Denn zu guter Letzt ließ Althaus Luft und Licht an den Platz. Unterholz wurde entfernt, Schneisen wurden vom Bewuchs befreit, solitäre Bäume wie die Eiche neben dem neunten Grün freigestellt. „Alles war ein bisschen zugewachsen“, erinnert sich der Architekt. „Wir wollten einfach den Parkcharakter zurückbringen. Der Präsident hat dafür ebenfalls einen Blick und mich sehr unterstützt.“ Das Ergebnis gibt beiden recht: „Die Leute finden toll, dass es wieder diese Sichtbeziehungen gibt, die man aus früheren Jahren kannte, dass die Durchsichtigkeit wieder da ist. Dem Platz tut das ohnehin gut“, berichtet Jacobi.
Letztlich gingen neun Monate ins Land, bis der Platz an Pfingsten 2022 feierlich freigegeben wurde. Die Marienburger Golfer waren solange „ausgelagert“, der Club hatte Ausweicharrangements mit benachbarten Anlagen abgeschlossen, erzählt Jacobi: „Natürlich muss man die Mitglieder bei solch einer Maßnahme irgendwie mitnehmen und die Dynamik vermitteln, damit die sehen können: Okay, hier passiert echt was.“ Daher gab es Platzbegehungen mit Spendern und Förderverein sowie Spaziergänge mit interessierten Mitgliedern.
Positives Feedback fürs Schmuckkästchen
„Klar, zwischendurch fragst du dich, ob der Plan wirklich wie gewünscht aufgeht“, bilanziert Jacobi. „Immerhin war das im Grunde eine vollständige Entkernung. Da denkst du manchmal schon: Oh, die Geister, die ich rief … Aber wir sind im Zeitplan geblieben und mit dem Budget ausgekommen. Am Ende muss ich sagen, es hat viel Spaß gemacht. Und alle sind happy.“
Dass der Plan aufgegangen ist, bestätigte sich gleichermaßen beim ersten Herrenbundesliga-Spieltag auf dem neuen Platz. „Wir hatten ein tolles Feedback“, erzählt er. „Die großen Süd-Vereine waren da, Mannheim, München, St. Leon Rot, Stuttgart. Früher haben die den Platz auseinandergenommen, jetzt war der beste Score eine 69. Viele der Jungs haben gesagt: Das ist nun ein Top-Platz, mit echten 18 Löchern wäre er einer der schönsten Plätze Deutschlands.“ Vor allem aber ist der Marienburger Golf-Club für Jacobi und alle Marienburger jetzt wieder „unser kleines Schmuckkästchen“.