Am Sonntag ist Saison-Halali. Auf dem Green Monster von Doral klingt die erste Spielzeit der LIV Golf Invitational Series aus. Nach der von Dustin Johnson überlegen gewonnenen Einzelwertung wird in einem Modus, der umständlicher kaum sein könnte, nun das beste Team des Jahres ermittelt. „DJ“ hat hier mit seinen „4 Aces“ und Patrick Reed, Pat Perez sowie Taylor Gooch gleichermaßen die Nase vorn. Und Donald Trump bereitet der Saudi-Liga zum zweiten Mal die Bühne.
Im Hintergrund ziehen andere die Strippen
Monatelang hat das Machwerk der Monarchie am Persischen Golf das Golf-Establishment vor sich her getrieben. Finanziert von Riads Staatssäckel, dem Public Investment Fund PIF, ist aus der vermeintlichen Schimäre eine Tatsache geworden. Mit dem von Revanchismus getriebenen Greg Norman haben die Saudis einen willfährigen Handlanger gefunden, doch im Hintergrund ziehen ganz andere die Strippen. Über allem thront der sinistre Kronprinz Mohammed bin Salman aka MBS, der sein Königreich mit aller Macht, mit allen Mitteln und mit den Milliarden und Abermilliarden des PIF in eine ölunabhängige Zukunft führen will.
Normans De-Facto-Chefs
So rüttelt der Wind aus der Wüste auch an den Grundfesten des Profigolf-Systems. Auf jeden Fall bis 2025. Dann nämlich soll Kassensturz gemacht werden. Normans De-Facto-Chefs wollen sehen, ob ihr Baby auf eigenen Beinen stehen kann. Als da sind: Zuvorderst Yasir Al-Rumayyan, Direktor des PIF, Vorstandsvorsitzender des Ölkonzerns Aramco, Boss diverser anderer Saudi-Engagements und mithin Bin Salmans verlängerter wirtschaftlicher Arm. Dazu Majed Al Sorour, ein Rumayyan-Kumpel aus Highschool-Zeiten und in dessen Auftrag u. a. seit 2018 Vorsitzender der Saudi Golf Federation. Dem Magazin „The New Yorker“ gebührt das Verdienst, dieser Tage die Causa LIV Golf noch einmal in aller Ausführlichkeit und mit eine Menge von Nebenaspekten aufgerollt, überdies das große Bild der MBS-Ambitionen und ihrer Hintergründe gezeichnet zu haben. So, wie es neulich schon „The Athletic“ getan hat.
Anschubfinanzierung wieder einspielen
Al Sorour, der sich plötzlich als LIVs starker Mann in den Vordergrund drängt und beispielsweise von „meinen Spielern“ spricht, aber auch Unsinn wie die Kreation von eigenen Majors verzapft, hat dem „New Yorker“-Journalisten Zach Helfand am Rand des Events in Boston erzählt: „Die Liga ist bis 2025 durch den PIF finanziell abgesichert.“ Spätestens dann soll sie sich aus eigener Kraft tragen, idealerweise schon rentieren, die milliardenschwere Anschubfinanzierung allmählich wieder einspielen. Return of Investment halt, auf deutsch Kapitalrendite.
Team-Eigentümer bauen sich Golfplätze
Das Zauberwort heißt Franchise; man kennt es vor allem aus dem American Football: Die LIV-Liga und ihre saudischen Hintermänner verdienen Geld, indem sie die Besitzrechte ihrer zwölf Teams an solvente Investoren verkaufen. „Sorour träumt von Eigentümern, die sich Golfplätze bauen, wie Football-Stadien, und dort ihre Teams auftreten lassen“, schreibt Helfand. Der Preis richte sich nach den Namen im jeweiligen Team, folglich nach seinem Vermarktungswert. Da schielt man sehr augenscheinlich auf Erfolgsgeschichten wie die der Dallas Cowboys in der National Football League, die mit einem Asset von über acht Milliarden Dollar als profitabelstes Ensemble der Sportwelt gelten.
„Momentan ist keine Wirtschaftlichkeit gegeben“
Ob dieses Kalkül für Golf ebenfalls aufgeht, wird sich erweisen müssen. In der Branche sind nicht alle derart optimistisch. „Man muss bedenken, dass Golf ein Nischensport ist. Erstmal bekommt man für sein Geld bloß vier Golfer. Alles hängt mit der Wirtschaftlichkeit dieser Liga zusammen, die momentan nicht gegeben ist“, zitiert „The New Yorker“ Rory McIlroy, der das nicht nur als Bannerträger des Establishments feststellt, sondern beispielsweise im Hinblick auf den nach wie vor fehlenden TV-Partner.
In Serie haben die US-Fernsehanstalten eine Zusammenarbeit mit LIV Golf abgelehnt; deswegen bastelt Trump-Schwiegersohn Jared Kushner, vom PIF ohnehin mit einer Zwei-Milliarden-Dollar-Spritze für seine Private-Equity-Firma gepampert, angeblich an einem Deal mit Fox Sports. Damit sich LIV wenigstens Übertragungszeit beim Trump-Haussender kaufen kann. „Wenn es allein nach mir ginge, würde ich einen eigene TV-Produktion aufziehen“, merkt Al Sorour an.
Mickelson hat das Konstrukt fast erledigt
Im „The New Yorker“ erzählt der Verbandsvorsitzende, das Konstrukt sei beinahe schon erledigt gewesen, als der Golfjournalist Alan Shipnuck Phil Mickelsons Einschätzung der Saudis als „Scary Motherfuckers“ veröffentlichte und die Spieler darob reihenweise absprangen. Doch Yasir Al-Rumayyan habe entschieden, weiterzumachen und sofort zu starten, so Al Sorour, „als ich ihm vorschlug, die Zehn zu nehmen, die bereits unterschrieben hatten; das restliche Feld mit Mittelmaß aufzufüllen und bei jedem Event einen Preisgeld von 25 Millionen auszuschreiben.“ Als Köder für die Wankelmütigen und Abgeschreckten.
„Eine Menge Spieler wollen nun zu uns kommen. Aber ich muss unsere ersten Gefolgsleute schützen – jene Spieler die uns trotz der anfänglichen Widrigkeiten treu geblieben sind. Für sie empfinde ich eine starke Loyalität.“
Majed Al Sorour über „Bestandsschutz“ und Neuzugänge für 2023
Saudi-Arabien gegen die Emirate
Sowieso: Bei all dem Wirbel in der Golfwelt scheint LIV nur eine kleine Figur in einem viel größeren geopolitischen Machtspiel zu sein, in einer Art „Game of Thrones“ um den Nahen Osten: Saudi-Arabien gegen die Emirate. Zach Helfand arbeitet für „The New Yorker“ heraus, dass Mohammed bin Salman das Königreich mit seiner „Vision 2030“ in einen Hotspot für Wirtschaft und Tourismus wandeln will. Riad und die neue Superstadt Neom am Roten Meer sollen Dubai und Abu Dhabi mittelfristig als faktische Hauptstädte der Golf-Region ablösen. Dafür will MBS nach seiner Thronbesteigung sogar in begrenztem Maße Alkoholika legalisieren.
Und LIV ist nach Ansicht vieler Politikexperten und Kenner der Nahost-Verhältnisse in erster Linie ein Werbe-Vehikel. Es soll Saudi-Arabien als Golfdestination für betuchte Gäste aus der westlichen Welt auf die Landkarte bringen. Der Wüstenstaat hat bereits acht „Grasland“-Plätze, weitere 16 sollen binnen der kommenden Jahre folgen. Marketing-Leute wissen, dass selbst Negativwerbung gute Werbung sein kann. „Es lässt sich nicht bestreiten, dass die Saudis genau das bekommen, was sie wollen“, hat ein Insider gegenüber Helfand bestätigt.
Sportswashing? Eher im Gegenteil
Jedenfalls geht es definitiv nicht um Sportswashing. Das sei eine „komplett lächerliche Mär“, sagt laut „The New Yorker“ der einstige US-Botschafter in Saudi-Arabien, Joseph Westphal. Stimmt wohl. Eher das Gegenteil ist der Fall: Menschenrechtsverletzungen und sonstigen Missstände, nicht zuletzt den Mord am regimekritischen „Washington Post“-Journalisten Jamal Khashoggi oder Riads Verstrickung in die Nine-Eleven-Anschläge sind gerade durch LIV Golf wieder richtig breit thematisiert worden.
Sportswashing und die geballte Finanzkraft eines Staatsfonds brauche LIV allenfalls, für die „Reinwaschung der Verbindung mit Patrick Reed“, dem Bad Boy des Golfsports, zitiert Helfand übrigens zwischendrin einen Beobachter der Saudi-Sause. Humor ist bekanntlich, wenn man trotzdem lacht.