Immer wieder wiederholen sich im Fernsehen unglaubliche Drives von Golfgrößen wie Dustin Johnson oder Rory McIlroy. Dabei knacken sie nicht selten die 400 Yards Marke – im Gegensatz dazu wurde die Bestmarke bei der German Long Drive Championship am vergangenen Wochenende in Köln bei gut 360 Yards gemessen. Wie passt das zusammen? Können die langen Golf-Professionals auf der Long Drive Tour problemlos mitspielen und gewinnen? Die kurze Antwort darauf: Nein, die Schlaglänge hängt auch von den äußeren Bedingungen ab. Um aber ganzheitlich zu verstehen wo genau die Unterschiede liegen, müssen wir einen Schritt zurück machen.
„No pictures on the scorecard“
Sicherlich kennen Sie es von der eigenen Golfrunde: Ihr Ziel ist es, den Ball mit möglichst wenig Schlägen ins Loch zu befördern, der Weg spielt dabei im Grunde nur für das eigene Ego eine Rolle. „No pictures on the scorecard“ – diesen Spruch kennt jeder Golfer oft bereits vor der abgelegten Platzreifeprüfung, denn es ist egal, ob der vierte Schlag per „Tap-in“ eingelocht wird, oder ob der Ball mit einem glücklichen Schlag aus dem Bunker seinen Weg ins Loch findet. Es zählt einzig der Score.
Dass ein statistischer Zusammenhang zwischen Schlaglänge und Schlaganzahl besteht, ist populärwissenschaftlich unumstritten. Dennoch ist eine Sache für alle Golfer gleich: jeder hat pro Schlag nur einen Versuch; sogenannte „Mulligans“ erfreuen auf der Privatrunde insbesondere am ersten Tee großer Beliebtheit, sind im ernsten Turniersport aber undenkbar.
Anders beim Long Driving – je nach Turnierform hat ein Spieler pro Satz sechs bis acht. Sozusagen mehrere „Mulligans“, wobei allerdings der Beste aller Versuche zählt. Das Ziel des Long Drivers unterscheidet sich also stark von dem eines Golfers. Konstanz ist prima und kann einen direkten Matchplay-Gegner, auch im Long Driving, unter Druck setzen, nichtsdestotrotz kann ein überragender Schlag zwischen Sieg und Niederlage entscheiden.
Die maximale Ballgeschwindigkeit
Somit ist das Ziel des Long Drivers eine maximale Ballgeschwindigkeit zu entwickeln, die gepaart mit einer geringen Spinrate und einem guten Abflugwinkel die höchste Flug- und Gesamtdistanz des Golfballs ermöglicht. Die maximale Ballgeschwindigkeit wird dadurch erreicht, dass der möglichst schnell beschleunigte Schlägerkopf (hohe Schlägerkopfgeschwindigkeit) mit dem optimalen Punkt der Schlagfläche auf den Ball trifft. Mathematisch betrachtet spricht der Kenner hier vom sogenannten Smash Factor (Ratio aus Ball- und Schlägerkopfgeschwindigkeit), welcher mit aktuell erlaubtem Material bei Drivern maximal 1,5 sein kann.
Nun stellen Sie sich vor, der Ball wird mit rasanter Schlägerkopfgeschwindigkeit, im perfekten Winkel, am optimalen Punkt getroffen und zischt davon. Welche Faktoren beeinflussen nun die tatsächliche Schlagweite? Einen Faktor kennen Sie sehr gut: den Wind. Nicht selten greifen Sie zu mehreren Schlägern mehr oder weniger, bei starkem Wind aus der entsprechenden Richtung. Auch die Temperatur und die daraus resultierende Luft- und Bodenfeuchtigkeit spielen eine Rolle, nicht selten rollt ein Ball auf trockenem Fairway noch 30 Meter und mehr oder bleibt bei Feuchtigkeit sofort liegen.
Auch Höhenunterschiede beeinflussen den Ballflug
Sie erinnern sich an Ihr letztes Par 3 bergab? Wie viele Schläger weniger nutzen Sie pro wie viel Höhenmeter? Klingt vollkommen logisch, dass auch hier die Schlaglänge stark beeinflusst wird. Nicht zu unterschätzen ist aber auch die Höhe, und zwar die Höhe über dem Meeresspiegel. Bälle fliegen deutlich weiter, je höher der Golfplatz liegt. Bei einer entsprechenden Schlaglänge können schnell 20 Meter Unterschied zwischen einem identischen Schlag in Hamburg oder München entstehen.
Warum Dustin Johnson also über 40 Yards weiter geschlagen hat, als einer der besten Long Driver in Köln, lässt sich durch die äußeren Einflussfaktoren erklären. Somit sind Schläge zu unterschiedlichen Zeitpunkten an unterschiedlichen Orten grundsätzlich nicht vergleichbar. Was allerdings immer vergleichbar ist, sind die Werte eines Golfschlages. Die Schlägerkopfgeschwindigkeit und alle Eintreffwinkel sind an jedem Ort gleich. Lediglich die Temperatur kann uns hier noch einen Strich durch die Rechnung machen: denn wenn wir ehrlich zu uns selbst sind: bei -4°C sind Sie und ich doch unbeweglicher als bei 25°C und strahlendem Sonnenschein.