Hand aufs Herz, spielen Sie wirklich gern Turniere? So mit sechs Stunden Schleicherei übers Fairway und Warten am Abschlag, mit Ballangeln und Tages-Du, um mal den „worst case“ zu bemühen… Ja? Dann gehören Sie zu einer schrumpfenden Minderheit in der deutschen Golflandschaft. Der Bundesverband Golfanlagen (BVGA) notiert in seinem Betriebsvergleich für 2016, dass die Zahl der jährlichen Turnierrunden auf 3.590 gesunken ist. 2013 waren es zum Vergleich noch 4.811 Runden.
„Spaß und Geselligkeit statt Vorgabenwirksamkeit!
Natürlich hat der BVGA auch nach den möglichen Gründen gefragt und zitiert diverse Club-Verantwortliche:
„Es spielen immer die gleichen Golfer unsere Turniere mit.“
„Ein Großteil unserer Mitglieder spielt gar keine vorgabenwirksamen Wettspiele mehr.“
„Die durchschnittliche Teilnehmerzahl an Turnieren nimmt über die ganze Saison betrachtet ab.“
„Es werden immer mehr 9-Löcher-Turniere und immer weniger 18-Löcher-Turniere nachgefragt.“
„Spaß und Geselligkeit statt Vorgabenwirksamkeit.“
„Ein Sponsorenturnier mit Duschen, Umziehen, Essen und Siegerehrung hält die Spieler bis zu zehn Stunden und länger auf der Golfanlage“
„Außer der Clubmeisterschaft, spielen wir gar keine Brutto-Zählwettspiele mehr“.
Das sind interessante und bezeichnende Aussagen: Klassische Clubturniere wird es gewiss immer geben, erst recht in einer handicapfixierten Szene mit ehernen Golf-Traditionen, aber sie erfüllen längst nicht mehr den Anspruch der modernen Spaßgesellschaft. Dazu passt, dass der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) im „Sportentwicklungsbericht 2015/2016“ von einer insgesamt klar rückläufige Teilnahme an geselligen Veranstaltungen in Sportvereinen spricht. Gründe sind für den DOSB die abnehmende soziale Bindung der Mitglieder an „ihren“ Verein, „allerdings könnte auch eine knapper werdende Freizeit der Mitglieder eine Teilnahme an geselligen Veranstaltungen der Vereine einschränken“.
Das Golferlebnis muss was hermachen
Zumal eines gern übersehen wird, wenn es um die Erblasten des Golfspiels – Zeit, Geld, Schwierigkeit, Image – geht: Die Freizeitkultur des 21. Jahrhunderts, in der sich kaum noch jemand einer einzigen Sache verschreibt. Überdies haben sich altgediente soziale Strukturen längst aufgelöst. Und die Aktivitäten müssen validierbar sein, was hermachen, zur Zierde gereichen. In der Werbung wird genau das suggeriert, wenn ein Automobilhersteller per Spot fragt: „Na, Müller, was haben Sie an diesem Wochenende gemacht?“ So, wie es spektakuläre Plätze mit im Wortsinn ansehnlichen Design-Features braucht, coole Locations also, müssen ebenso coole Events her. Mit der Teilnahme am Bindfaden-Wettspiel kann man montags wenig Staat machen.
Wenn der Club als sportliches Wohnzimmer und Begegnungsstätte also allmählich auszudienen scheint, dann müssen attraktive Alternativen zum bisherigen Geselligkeitsangebot her. Es gilt, mit der Zeit zu gehen – sofern das freilich überhaupt gewünscht ist. Die European Tour mit ihrem überkreativen Kopf Keith Pelley jedenfalls vorexerziert das auf höchstem sportlichen Level. Mit neuen Turnierformaten wie dem World Super 6 Perth, mit den GolfSixes oder dem Belgian Knockout zum Beispiel. Besonders die GolfSixes haben sich als Erfolgsmodell herausgestellt; das schnelle 6-Loch-Team-Turnier mit hohem Spaßfaktor wurde auch auf die Amateur-Ebene „herunter gebrochen“.
Wo ist Deutschland beim GolfSixes auf Club-Ebene?
Golf England bietet seinen über 1.900 Clubs einen nationalen GolfSixes-Wettbewerb an, die Gewinner waren 2019 auf der großen Tour-Bühne im St. Albans Golf Club dabei. Zuerst allerdings steigt im Rahmen der „England Golf Week“ im August ein Demo-Einladungsturnier im Frilford Heath Golf Club zu Oxfordshire. „GolfSixes ist ein heiteres, intelligentes und modernes Format, das auf Club-Ebene definitiv ebenfalls funktionieren und ein ein neues Publikum anziehen wird“, glaubt Nick Pink, der Chef von England Golf. „Wir denken, dass zuvorderst Leute mit wenig Zeit, Golf-Rückkehrer oder Neulinge es mögen werden. Vor allem aber ist GolfSixes purer Spaß und zeigt, dass der Golfsport sich wandeln und sich den Bedürfnissen von Menschen und unterschiedlichen Lebensstilen anpassen kann.“
Das Konzept einer GolfSixes-Liga wird übrigens in Europa durchaus schon umgesetzt, im Jugendbereich vor allem, in Dänemark, Belgien, Frankreich und den Niederlanden. Eine coole Sache halt, knackig und schnell, mit der sich Kids offenbar sehr wohl hinterm Ofen vor bzw. vom Computerspiel weg locken lassen. Es muss die Frage erlaubt sein: Und wo ist Deutschland?
Damen- und Herren-Abschläge sind so was von 1980!
Zu alldem empfiehlt sich – nebenbei bemerkt – auch ein Umdenken beim Set-up des Platzes. Die Gender-Tees gehören abgeschafft, Gelb für Herren und Rot für Damen sind so was von 1980! Wie wertneutral ist dagegen eine Einteilung des Platzes über die Abschläge in Längen- oder Schwierigkeitskategorien…
Gesucht sind schlichtweg innovative Köpfe, die über den Tellerrand des Althergebrachten wegdenken, die einfach mal was wagen, was machen, und sehen wie es angenommen wird. Selbst wenn die Brauchtumspfleger der Clubwelt darüber so lange den Kopf schütteln, bis sie tatsächlich ein Haar in der Suppe finden: Spektakel und Entertainment sind nicht zwingend negativ, wenn man damit wieder oder mehr Leute auf die Wiese bringt.
„Über Events und Animationen aktivieren“
Warum nicht die Damen- und Herrengolf-Tage zusammen werfen und nebenbei eine Ladies-vs-Gents-Challenge ausspielen? Das gibt garantiert eine lustige Siegerehrung. Oder „Last Man Standing“, bei dem Flights im Sudden-Death-Modus von Loch zu Loch spielen, bis jeweils nur noch ein Spieler übrig ist, der dann mit den anderen „Überlebenden“ in neue Gruppen sortiert wird, bis wirklich „The One & Only“ feststeht.
Was auch immer am Ende im Turnierkalender eines Clubs steht: „Es muss gelingen, die Menschen über Events und Animation zu aktivieren und ihnen ein modernes soziales Umfeld zu bieten“, hat es Lodewijk Klootwijk, Director der European Golf Course Owners Association beim jüngsten EGCOA-Meeting auf den Punkt gebracht. „Nur dann werden sie Spaß am Golf haben und das Spiel auch dauerhaft betreiben.“