Der „Prinz von Ponte Vedra“ zwischen lauter Nahezu-Nobodies: So sieht das Leaderboard der 122. US Open vor dem zweiten Tag aus, auf dem Rory McIlroy als einziger arrivierter Akteur von fünf Spielern umringt wird, die es nur auf Umwegen ins Feld von Brookline geschafft haben. Während der Nordire, dem eingangs erwähnter Spitzname wegen seiner steten Wortführung zugunsten der PGA Tour verpasst wurde – „nach acht Jahren endlich mal wieder Hand an eine Major-Trophäe“ legen will, sonnt sich das Qualifikanten-Quintett in ungewohntem Rampenlicht, namentlich Adam Hadwin, Joel Damen, Callum Tarren, Matthys Daffue und David Lingmerth.
Hadwin, der sich bei seiner nachmittäglichen 66 auf Loch 13 mit dem sechsten Birdie – bei zwei vorherigen Bogeys – und einer tadellosen Schlussstrecke die Spitzenposition sicherte, war in seinen bisherigen vier US Open noch nie so weit vorn; bestes Endergebnis ist der geteilte 39. Platz von 2011. Sowieso sind nur er und Joel Dahmen auf der PGA Tour siegerprobt. Während US-Pro Dahmen, der Mann mit dem Schlapphut, vergangenes Jahr in der Dominikanischen Republik gewann, liegt Hadwins bislang einziger Titel – die Valspar Championship – bereits fünf Jahre zurück. Der Kanadier absolvierte einen US-Open-Qualifier in Dallas und kam durch die Absage von Paul Casey ins Major-Feld. Mal sehen, ob er und seine „Mitstreiter“ weiterhin die Schlagzahl bei dieser US Open bestimmen können? Und wie nahe Rory McIlroy dem namenlosen Henkelmann kommt, den er 2011 im Congressional Country Club schon mal in der Hand hatte.
Callum Tarren und der Fluch der verspäteten Schläger
Déjà-vu: Callum Tarren ebenfalls einer der erwähnten Qualifikanten, aber einer mit einer besonderen Story. Oder sagen wir: mit einem Fluch an den Hacken, was seine Schläger betrifft. Bei seiner zweiten US Open traf der 31-jährig Engländer gleichsam zum zweiten Mal ohne sein Bag am Ort des Geschehens ein – wie schon 2019 in Pebble Beach. Damals kam sein Spiel-Zeug erst am Vorabend der ersten Runde an, diesmal wurden dem am Samstag in Brookline angereisten Tarren die Schläger bereits am Sonntag nachgeschickt. „In Pebble Beach, bei meiner US-Open-Premiere, war es echt ein Albtraum – zumal die Anreise per Flugzeug auch sonst voller Hindernisse war und ich schließlich 450 Dollar für eine Taxifahrt von San Francisco nach Monterey bezahlen musste“, bekannte der Minitour- und Korn-Ferry-Tour-Spieler, der sich im kanadischen Ontario qualifiziert hatte, bevor er bei der RBC Canadian Open am Cut scheiterte: „Diesmal ging es glücklicherweise etwas schneller.“ Und so nutzte Tarren die Gunst der Stunde, schoss drei Birdies und ein Eagle bei nur einem Bogey und grüßt jetzt hinter Adam Hadwin vom oberen Teil des Leaderboards.
US Open: The Country Club - "oldschool“ und ideal
Vorschusslorbeer: Diese 122. US Open ist erst einen Tag alt und hat schon einen Sieger – den ausrichtenden Country Club selbst. Der Composite Course ist mit seiner zusammen gestückelten Bahnenfolge zwar schwierig zu erklären, erweist sich aber des Claims mehr als würdig, dass die „Offene Amerikanische“ der härteste Test im Golf sein soll. Das Feld produzierte gestern auf dem Par-70-Geläuf einen Durchschnittsscore von 72,76 mit den beiden Par-5-Bahnen 8 und 14 als einfachste Löcher. Vorausgesetzt allerdings, man hat die Fairways getroffen. Der Kurs ist oldschool, nicht nur wegen der vielen blinden und halbblinden Schläge, und er bevorzugt beileibe nicht nur die Longhitter: Shotmaking ist angesagt, um die richtigen Winkel zu treffen; vielfach ist Par ein Schlaggewinn, während die Birdie-Jagd mit Problemen endet. Zudem haben die Grüns trickreiche Ondulationen und das Rough rundherum ist nochmal fetter und tückischer als entlang der Fairways; nicht immer liegt der ideale Anspielpunkt zum Putten nahe bei der Fahnenposition. Kurz: Es macht Spaß, die Weltelite auf solch einer „Wiese“ spielen zu sehen.
PGA Tour und DP World Tour vor der Fusion?
Neues aus der Gerüchteküche: Nach Erkenntnissen von „Golf Monthly“ läuft hinter den Kulissen der US Open ein Verhandlungsmarathon zwischen PGA Tour und DP World Tour, dessen Ausgang von signifikanter Bedeutung fürs Profigolf sein könnte. Wie das Blatt in seinem Online-Auftritt spekuliert, scheint sich eine Zusammenarbeit anzubahnen, die weit über die bereits vereinbarte strategische Allianz hinaus geht. Sogar von einer Fusion ist die Rede, um Front gegen den Konkurrenz-Circuit von LIV Golf zu machen. Die laufenden Gespräche, bei denen es angeblich vor allem noch ums Geld geht, erklären laut „Golf Monthly“ auch das bisherige Schweigen von Europa-Boss Keith Pelley bezüglich möglicher Sanktionen für Abweichler aus den Reihen seiner spielenden Mitglieder. Gespräche mit LIV Golf, wie anderswo kolportiert, soll die DP World Tour hingegen abgelehnt haben – man sei weder von der Seriosität noch von der Langlebigkeit des Konstrukts überzeugt, heißt es. Sollten sich die beiden Touren einigen, könnte das Ergebnis binnen einen Monats von zuständigen Gremien wie dem Spielerrat etc. ratifiziert werden.
USGA erhöht Preisgeld von 12,5 auf 17,5 Millionen
Satter Aufschlag: Die Attacke von LIV Golf aufs Golf-Establishment hinterlässt auch bei dieser US Open jede Menge Niederschlag; die diesbezüglichen Diskussionen überlagern vielfach das Major-Geschehen und hängen nicht nur Brooks Koepka allmählich zum Hals heraus:
Shane Lowry says he's fed up of talking about LIV Golf pic.twitter.com/QBYOfRfSRg
— Golf Monthly (@GolfMonthly) June 16, 2022
Und nur Träumer sehen keinen Zusammenhang, dass sich das sogar in barer Münze auszahlt: Weil die USGA als Veranstalter die Dotierung Preisgeld für ihre 122. „Offene Amerikanische“ nämlich fett erhöht. 17,5 Millionen Dollar werden im Country Club zu Brookline verteilt, fünf Millionen mehr als noch in Torrey Pines 2021! Der Sieger kriegt einen Scheck über 3,15 Millionen, Jon Rahm bekam vergangenes Jahr noch „bloß“ 2,25 Millionen Dollar.
Social-Media-Spott für „Geburtstagskind“ Mickelson
Im Fokus: Es war kein guter erste US-Open-Tag für die 15-LIV-Golf-Abweichler, die von der USGA trotz der Sperren seitens der PGA Tour fürs Major zugelassen wurden und denen natürlich gestern besonderes Augenmerk galt. Bis auf Dustin Johnson (68/-2) und James Piot (69/-1) spielte keiner unter Par; neun der London-Teilnehmer sind jetzt schon mindestens sieben Schläge hinter der Spitze. Ein Beobachter hat sogar ausgerechnet, dass die 15 in Summe 54 über Par lagen – oder in römischen Ziffern: LIV.
The 15 LIV boys are, incredibly, LIV over par right now.
— Kyle Porter (@KylePorterCBS) June 16, 2022
Am schlimmsten erwischte es Louis Oosthuizen mit Sieben und Phil Mickelson an seinem 52. Geburtstag mit Acht über Par sowie Jed Morgan, der eine 82 (+12) ins Clubhaus brachte. Besonders „Lefty“ („Ich habe besser gespielt als der Score wiedergibt“) musste wegen seiner Vorstellung ziemlichen Spott in den sozialen Medien einstecken:
The bad news for Phil: He's +5 thru 6 holes and on his way out of town.
The good news for Phil: The tour he plays on doesn't require good golf at all.
— No Laying Up (@NoLayingUp) June 16, 2022
Phil Mickelson just four putted from 12 feet ?
Guess he isn’t used to playing in tournaments with cuts anymore ?pic.twitter.com/mZs1sV8yvF
— PointsBet Sportsbook (@PointsBetUSA) June 16, 2022
“What they told you was that we get $54 million for shooting 54. What they didn’t tell you is that you get $78 million for shooting 78.” pic.twitter.com/48jslEBePK
— No Laying Up (@NoLayingUp) June 16, 2022
Jordan Spieth: Zwei über Par mit grummelndem Magen
Handicap: Was auch immer Jordan Spieth auf den Magen geschlagen sein mag, der dreifache Majorsieger quälte sich gestern jedenfalls mit argen Bauchschmerzen durch die Auftaktrunde der 122. US Open und kam über eine 72er-Runde (+2) nicht hinaus. Seit Dienstag plagt er sich mit der Magenverstimmung herum, aber: „So lange er aufrecht stehen kann, spielt er auch“, bekräftigt Caddie Michael Greller. Vielleicht trägt ja diese Fan-Sichtung ein wenig zur Aufheiterung der Spieth’schen Gemütslage bei:
Fowler und das lange, vergebliche Warten
Sitzen geblieben: Rickie Fowler hat die Teilnahme an seiner elften US Open um einen Nachrücker-Platz verpasst. Der chronisch formschwache Kalifornier, mittlerweile 33 Jahre alt, musste sich über die Qualifier für Brookline qualifizieren, schaffte aber auch dabei das direkte Ticket nicht und konnte sich lediglich in einer separaten Ausscheidung als zweiter Nachrücker für Brookline positionieren. Er absolvierte im Country Club zwei Proberunden über jeweils neun Loch, hielt sich ansonsten auf der Range bei (Spiel-)Laune – und hoffte. Seine Chancen stiegen, als Abraham Ancer wegen Krankheit zurückzog und der vor ihm platzierte Patton Kizzire ins Feld nachrückte. Doch dabei blieb es, nach der letzten Tee Time gestern um 14.42 Uhr Ortszeit musste Fowler seine Sachen packen. Er nahm es sportlich: „Natürlich ist das nicht ganz nach Wunsch verlaufen. Aber es war schon mal gut, die Qualifikation zu überstehen und zumindest den zweiten Platz in den Playoffs zu ergattern. Ich habe es genossen, hier zu sein, mit den Jungs zu spielen und gute Arbeit auf der Range zu leisten. Man kann also auch ohne zu spielen eine Menge positiver Dinge mitnehmen.“ Übrigens: Entgegen anders lautender Meldungen betont er nachdrücklich, in Sachen LIV Golf „noch keine Entscheidung“ getroffen zu haben: „Ich glaube nach wie vor, dass die PGA Tour der beste Platz war und ist, um Golf zu spielen. Allerdings müssten sich auch ein paar Dinge ändern oder entwickeln. Das ist mein Standpunkt.“
Die „Redan“-Elf: Kurzes Loch, große Herausforderung
Wussten Sie: … dass die Elf im Country Club erstmals seit Francis Ouimets Triumph 1913 wieder im (Major-)Spiel ist? Das lediglich 119 Meter lange Par-3 gehörte 1963 und 1988 nicht zum Konstellation des Composite Course, der für bedeutende Meisterschaften aus den beiden Schleifen des Main Course und Bahnen des 9-Loch-Platzes Primrose gemischt wird. „Dabei ist es ein echt cooles Golfloch“, sagt Designer und Club-Berater Gil Hanse: „Also haben wir uns gedacht, dann sollen sie es auch spielen.“
Trotz seiner Kürze und scheinbaren Harmlosigkeit gilt „Redan“, das seltsamerweise nicht in der namenstypischen „Festungs“-Form gestaltet und damit weit entfernt von der berühmten 15 von North Berwick ist, als schwierige Aufgabe. „Das Ziel wirkt groß, spielt sich aber sehr sehr klein“, erläutert Hanse. Vom erhöhten Tee hängt der Ball lange in der Luft und im Wind, aus den Bunkern aufs schmale Grün zu schlagen ist eine knifflige Aufgabe, das fette Rough drumherum macht verirrte Bälle im Wortsinn zum Vabanque-Spiel. Hanse: „Die geringe Distanz verführt dazu, Dinge zu probieren, die man auf anderen Bahnen vielleicht nicht wagt. Aus Sicht des Golfplatzdesigners ist die Elf eine schöne mentale Herausforderung – wie aggressiv geht man ein schwierig zu treffendes Ziel an?“
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