Er wird doch wohl nicht? Anthony Kim ist Golfs berühmtester Unsichtbarer. Im Mai 2012 trat der Kalifornier letztmals zu einem Turnier auf der PGA Tour an, gab die Wells Fargo Championship nach einer Auftakt-74 verletzungsbedingt auf, tauchte ab und ist seither völlig von der sportlichen Bildfläche verschwunden. Es gab allenfalls seltene Sichtungen des Sohns koreanisch-amerikanischer Eltern, der gern extravagante Gürtelschnallen trug und zu den großen Hoffnungen des multikulturellen Golf-Amerika gehörte, seit er Sergio Garcia im Eröffnungseinzel des Ryder Cup 2008 mit 5&4 abgefertigt hatte. Das Gerücht hält sich hartnäckig, Kim habe eine millionenschwere Sportinvaliden-Versicherung kassiert, womit sich natürlich jede Form von Wettkampfgolf verbietet. Es sei denn, er könnte die Versicherungssumme zurückzahlen, von der er in den vergangenen Jahre gelebt hat.
Und damit kommt die LIV Golf League ins Spiel – und diese Story zu ihrem Kern: Wer, wenn nicht Greg Norman und seine Saudi-Hintermänner würden liebend gern einen Haufen Dollars springen lassen, um diesen besonderen Coup zu landen und Anthony Kim aus seinem Dasein als Golf-Frührentner zurückzuholen. Genau das deutet sich an: Das heute 37 Jahre alte Phantom steht womöglich vor einem Comeback. Jedenfalls legt ein Artikel der „New York Times“ dies nahe, in dem Kims früherer Caddie Eric Larson zitiert wird, der mit Kim telefoniert und ihn nach einem Deal mit LIV Golf gefragt haben will. Angeblich geht es um einen mit 110 Millionen Dollar dotierten Vier-Jahresvertrag. Larson: „Er sagte: ,Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht’. Und ich: ,Komm schon, Mann, hol die alten Schläger vor, geh da raus und hab ein bisschen Spaß.’ Und er fing an zu lachen und sagte: ,Mir ist schon klar, dass alle das von mir erwarten’.“ Im selben Artikel erzählt Adam Schriber, Ex-Coach von Kim, er habe in den vergangenen zwei Jahren zwei Mal mit „AK“ gespielt und dieser habe noch denselben Schwung, mit dem er zwischen 2008 und 2010 drei PGA-Tour-Turniere gewonnen und sich als zwischenzeitlicher Zehnter der Weltrangliste platziert hatte.
Unterdessen hat ein enger Freund von Kim dessen Rückkehr auf die Wettkampfbühne allerdings ausgeschlossen. Der Schmuckhändler Ben Baller andressierte die „NYT“ via Twitter: „Echt? Das wäre mir neu … Ihr tut so, als hättet ihr ein direktes Zitat von AK. Ich rede fast jeden Tag mit Anthony und habe auch gestern fast eine Stunde lang mit ihm gesprochen. Es steht mir zwar nicht frei, darüber zu sprechen, aber ich weiß nicht, wovon ihr [in dem Artikel] redet. Also, macht es besser, Jungs.“
Ob Kim ein Zugewinn für die LIV Golf League wird, bleibt also offen. Dafür muss CEO Greg Norman an anderer Stelle einen Verlust hinnehmen. Mit Kommunikationschef Jonathan Grella schmeißt ein weiterer hochrangiger Manager die Brocken hin, zuvor sind bereits der operative Geschäftsführer Atul Khosla und Vermarktungschef Matt Goodman ausgeschieden. Damit ist die LIV-Führungsriege allmählich mächtig ausgedünnt. Was nach allgemeiner Einschätzung zu einer Erweiterung der Befugnisse und der Befehlsgewalt von Norman führt, sieht Rory McIlroy beispielsweise völlig anders: „Ich wüsste nicht, was gut daran sein soll, wenn ein Chef kein Managementteam mehr hat“, sagte der Weltranglistenerste am Rand der Hero Dubai Desert Classic. „Er kann ja nicht alles allein machen.“
McIlroys Baseballschlag, Reeds Regel-Situation
Aufsehen erregend: Die Finalrunde der Hero Dubai Desert Classic geriet zum indirekten Duell zwischen Rory McIlroy und Patrick Reed. Der Tour-Getreue gegen den LIV’ler: Diese Konstellation hatte Brisanz, und zuvorderst DP-World-Tour-Chef Keith Pelley dürfte seinem Aushängeschild McIlroy die Daumen gedrückt haben – undenkbar fürs Establishment, dass ein Überläufer, zumal einer mit derartigem Leumund wie Reed, nicht nur gewinnt, sondern sich sogar ein Turnier der Rolex Series sichert. Indes, dank des genialen Putts von „Rors“ auf der 18 blieb das Szenario nur eine Schreckensvision: Der Weltranglisten-Erste behielt die Oberhand über Reed und vermied den GAU für die DP World Tour, hat’s auf dem Weg zum dritten Titel in Dubai und gleichzeitig dem ersten Jahresauftakt-Erfolg seiner Karriere aber wahrlich spannend gemacht.
Für Aufsehen sorgten die Kombattanten freilich nicht allein durch die Finalrunde und ihr „Tee-Gate“ quasi zum Auftakt der Turnierwoche im Emirates Golf Club, sondern auch während der dritten Runde am Sonntag – jeder auf seine ureigene Weise. Während Rory McIlroy einen Ball aus kurioser und nahezu unmöglich „Lage“ exekutierte und dabei an seine Jugendtage im Baseball dachte, war Reed mal wieder in eine Regelfrage verwickelt.
Der Masters-Sieger von 2018 hatte seinen Ball auf der 17 in eine der drei ohnehin mit verirrten Bälle gespickten Palmen am Rand des Fairways (ab-)geschlagen, die Kugel steckte zwischen den Schuppen des Stamms. Reed rief einen Referee hinzu, beide versuchten, den durchaus sichtbaren Ball per Fernglas zu identifizieren, dann bekam der US-Profi – statt zum Abschlag zurück gehen zu müssen – den Drop samt Strafschlag für einen unspielbaren Ball. Das Problem war nur: Es war der falsche Baum, und natürlich fragt sich nun alle Welt, wie Reed den Ball da eindeutig als einen mit seiner Markierung hat ausmachen können. Überflüssig zu erwähnen, dass Mutmaßungen hochkamen, besagte falsche Palme habe für den Drop das bessere Umfeld mit freiem Schussfeld geboten.
Patrick Reed identifies his ball in left of the 3 trees yet the tv camera clearly shows it going in the right hand tree?? Am I missing something pic.twitter.com/tOr3yTza14
— Michael FarrierTwist (@michaelftwist) January 29, 2023
Here the statement from tournament officials regarding Patrick Reed golf ball on tree pic.twitter.com/nuX3zeh9FC
— Golf & Science News (@TOURMISS) January 29, 2023
Ratloser Rahm in Torrey Pines
Unerklärlich: Max Homa hat die Farmers Insurance Open in Torrey Pines gewonnen, mittlerweile stehen mit den Philadelphia Eagles und den Kansas City Chiefs auch die Super-Bowl-Teilnehmer fest, nachdem die FIO wegen der Conference-Endspiele der National Football League (NFL) erneut von Mittwoch bis Samstag ausgetragen worden war – und Jon Rahm ist immer noch ratlos. Ja, sein geteilter siebter Platz war schon wieder ein Top-Ten-Ergebnis, aber die Finalrunden-74 hat dem Spanier doch ein paar Falten ins Gesicht getrieben. „Ich weiß echt nicht, was ich sagen soll, keine Ahnung“, ließ Rahm nach dem verpassten dritten Sieg in Serie alle Frager wissen, der ihn womöglich auch an die Spitze der Weltrangliste hätte zurück bringen können: „Ich hatte heute viele echt miese Breaks. Sobald ich ein Fairway verfehlt habe, habe ich auch die denkbar schlechteste Lage im Rough erwischt. Alle Welt hat diese Woche die Grüns attackiert, aber ich lag ständig im Rough und war dann so gut wie tot.“
LIV-Golfer beim berühmten Seminole Pro-Am unerwünscht
Unerwünschte Personen: Das Pro-Am im prestigereichen, fast 100 Jahre alten Seminole Golf Club in Florida ist gemeinhin ein Gipfeltreffen der Golfstars. Am Montag nach der Honda Classic geben sich dort Großkaliber wie Rory McIlroy, Justin Thomas oder Jon Rahm die Klinke in die Hand, 2022 war zudem mehr als ein Dutzend Aktive dabei, die mittlerweile in der von Saudi-Arabien finanzierten LIV Golf League spielen. Doch Seminole-Präsident Jimmy Dunne, ein New Yorker Investmentbankier, der überdies im Beirat der PGA Tour sitzt, hat jetzt alle LIV’ler von seinem Turnier ausgeschlossen. Zumal die Überläufer ja von der PGA Tour gesperrt worden sind. „PGA-Tour-Aktive haben bei uns Priorität, und die PGA Tour hat uns von jeher stark unterstützt. Daher wollen wir ihren Spielern hier einen besonderen und unvergesslichen Tag bereiten“, sagte Dunne, der das Pro-Am bereits an der Seite von Dustin Johnson und Phil Mickelson bestritten hat. Zu Dunnes Entscheidung trug sicherlich bei, dass eine seiner Firmen im World Trade Center in New York saß und er bei den Terroranschlägen vom 11. September 2001, in die Saudi-Arabien angeblich verwickelt war, etliche Mitarbeiter und Freunde verloren hat. Über die LIV-Golfer sagt Dunne: „Diese Jungs hatten eine Wahl zu treffen, und sie haben sie getroffen. Das war’s.“
Tyrrell Hattons 15-Meter-Putt und das Flugticket
Heimweh: Stell dir vor, Du lochst einen 15-Meter-Birdie-Putt und kannst dich nicht wirklich drüber freuen. So widerfuhr es Tyrrell Hatton, nachdem er sich am Sonntag der Hero Dubai Desert Classic auf dem 18. Grün mit einem solcherart verwandelten Ball doch noch in den 54-Loch-Cut geschossen hatte. Damit musste er fürs Montags-Finale „nachsitzen“, ohne eine wirkliche Chance auf eine vordere Platzierung zu haben; und sein Manager musste 3.000 britische Pfund ausgeben, um den Heimflug umzubuchen. Bereits am Samstag hatte der Engländer mit der Cut-Linie von -2 geflirtet und war nach eigenem Bekunden „gedanklich schon zu Hause“. Am Sonntag dann lautete die erste Reaktion seines Caddies Mick Donaghy: „Mensch, warum hast Du den nicht einfach zu kurz gelassen?“ Doch es spricht immerhin für Hattons Sportsgeist, dass er seine dritte Runde mit voller Konzentration zu Ende spielte. „Das kostet mich 48 Stunden Heimaturlaub“, erzählte der 31-Jährige dann über den „wahrscheinlich einzigen 15-Meter-Putt meines Lebens, von dem ich mir wünsche, ihn nie gemacht zu haben“.
LIV und OWGR ohne Monahan und Pelley
Befangenheit: PGA-Tour-Commissioner Jay Monahan und European-Tour-Group-Chef Keith Pelley nehmen nicht an den Beratungen des OWGR-Direktoriums über die Vergabe von Weltranglistenpunkten an LIV Golf teil. Hintergrund sind die laufenden Klagen und Gerichtsverfahren, Monahan und Pelley erklärten sich deswegen für befangen. Bereits im Dezember waren die beiden bei einer Sitzung des Direktoriums außen vor, wie Pelley der britischen Zeitung „The Telegraph“ bestätigt hatte. LIV hatte den Antrag auf Aufnahme ins OWGR-System im Juli eingereicht, im Direktorium behandeln nun die Vertreter der vier Major-Veranstalter sowie Pelley-Vize Keith Waters als Repräsentant der Vereinigung der unterklassigen Touren unter dem Vorsitz von Peter Dawson die Causa LIV Golf.
Der renommierte Coach und TV-Golfexperte Peter Kostis, den u. a. auch Bernhard Langer schon konsultiert hat, vertritt zum Thema Majors und Qualifikation per Weltranglisten-Ranking übrigens eine ureigene Meinung:
The 4 Majors need to drop OWGR as a qualifier for their events. Each event should be able to have whatever qualification categories or special invites they want. At that point world rankings become meaningless and would go away.
— Peter Kostis (@peterjkostis) January 23, 2023
Masters-Champion Jack Burke feierte den 100.
Happy Birthday: Er ist der älteste noch lebende Masters-Sieger und feierte nun einen dreistelligen Geburtstag – wenn das keine Meldung wert ist. Jack Burke gewann 1956 das berühmte Green Jacket und wurde am Sonntag 100 Jahre alt.
Der Hundertjährige beging seinen besonderen Tag im Champions Golf Club in Houston/Texas, den er und Masters-Sieger Jimmy Demaret gegründet hatten; unter den Gasten waren Majorsieger wie Ben Crenshaw und Steve Elkington oder die berühmten Golflehrer Butch Harmon, dem Burke das Golfspielen beigebracht hatte, und Jim McLean. In seinem großen Jahr triumphierte Burke nicht nur im Augusta National Golf Club, sondern holte sich auch die PGA Championship. Burke, der sich in der Garderobe des Augusta-Clubhauses bis heute den Spind mit Tiger Woods teilt, gewann insgesamt 19 Mal auf der PGA Tour und spielte fünf Ryder Cups.
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Gil Hanse: Echtes Ass auf eigenem Platz
Besonderer Moment: Gil Hanse gehört zur Crème de la Crème der Golfplatz-Designer, zeichnete unter anderem für den Olympia-Kurs von Rio und die schottische Perle Castle Stewart verantwortlich. Drei Holes-in-one hat der 59-Jährige auf seinem Golferkonto, allesamt erzielt auf dem von ihm erbauten Kurzplatz The Cradle in Pinehurst, die Büro- und Designpartner Jim Wagner gern als „Fake-Asse“ bezeichnet. Jetzt freilich hat Hanse sein erstes „echtes“ Hole-in-one erzielt, und das wiederum auf einem von ihm konzipierten Platz. Bei der internen Eröffnungsrunde für den exklusiven Ladera Golf Club in der kalifornischen Wüste nahe Palm Springs gelang ihm das per Eisen 9 auf dem 123 Meter langen achten Loch. Netter Nebeneffekt: Die illustre Herrenrunde mit den Club-Besitzern Irving Azoff und Eddy Cue, Entertainment-Unternehmer der eine, Apple-Vorstandsmitglied der andere, sowie einigen Geschäftsfreunden – darunter auch der bereits erwähnte Seminole-Präsident Jimmy Dunne –, war als Siebener-Flight unterwegs und zockte kräftig. Unter anderem waren für ein Ass 10.000 Dollar an den Schützen ausgelobt – von jedem! Die 60.000 Dollar gehen nun an die Stiftung, mit der Hanse und Wagner die Kinder von Arbeitern auf den von ihnen designten Kursen bei der Ausbildung unterstützen.
Volunteers für Special Olympics gesucht
Zum Schluss: Statt der an dieser Stelle üblichen Lustigkeiten oder Absurditäten heute mal (wieder) ein Aufruf. Im Juni finden in Berlin die Special Olympics World Games statt, und bei den Golfwettbewerben im Golf Club Bad Saarow sind zehn deutsche Golfer unter den rund 200 Teilnehmern. Was noch fehlt, sind freiwillige Helfer. Wer also Lust und Zeit hat, sollte sich von den beiden nachfolgenden Videos inspirieren lassen: