Runde eins der diesjährigen Farmers Insurance Open ist gespielt: Am Mittwoch schon, was ungewöhnlich ist. Es führt Kevin Yu, den kaum einer kennt – immerhin ist Patrick Cantlay Zweiter. Auf den Klippen von La Jolla über der kalifornischen Pazifikküste ist einmal mehr wenig Dramatisches passiert – nicht nur weil das in ersten Runden selten ist, sondern weil an der öffentlichen Golfanlage Torrey Pines der Nimbus haftet, allenfalls ein netter Kurs zu sein. Und dafür zahlt Farmers irgendwas zwischen 13 und 15 Millionen Dollar, so die kolportierten Kosten eines Hauptsponsors für ein reguläres Turnier der PGA Tour.
Bisschen wenig Show für die Sponsorenmillionen
Klingt, als gäbe es ein bisschen wenig fürs Geld. Dabei handelt es sich laut Eigenwerbung um „San Diego’s premier PGA Tour event“. Kein Wunder, schießt einem durch den Kopf, dass die drittgrößte Privat- und Haftpflichtversicherungsgesellschaft der USA den 2026 auslaufenden Vertrag nicht verlängern will. Warum auch? Die FIO ist eher ein Appetizer für die beiden Conference Championships der National Football League (NFL) am Sonntag und wurde eben deswegen von Mittwoch bis Samstag angesetzt – so, wie die NFL generell den Jahreskalender der Tour beschneidet.
Überdies ist das 1952 erstmals als San Diego Open ausgetragene Traditionsturnier erneut nicht Designated oder Signature Event, was sich auf die Strahlkraft des Felds auswirkt – bei allem Respekt vor dem guten Max Homa als Titelverteidiger oder einem Collin Morikawa, Ludvig Åberg, Tony Finau, Xander Schauffele.
Torrey Pines als Sinnbild für die Probleme der PGA Tour
Warum die lange Vorrede? Weil Torrey Pines trefflich als Sinnbild für die Probleme der PGA Tour taugt. Das finanzielle Wettrüsten mit Saudi-Arabiens Staatsfonds PIF und seinem Homunkulus LIV Golf League hat den Circuit nicht nur an den Rand des Ruins getrieben, sondern auch ungeheuren substanziellen Schaden angerichtet. Die vier apokalyptischen Reiter heißen: vergrätzte Sponsoren, vergraulte Fans, erschütterte Strukturen, gespaltene Mitgliedschaft. Oder anders: Ponte Vedra Beach, geführt von einem angeschlagenen Commissioner auf Abruf, gleicht aktuell einem Trümmerhaufen. Notorische PGA-Tour-Basher wird das vielleicht sogar freuen.
McIlroy: Mahner und gleichzeitig Teil des Problems
Rory McIlroy hat einige der Symptome mit seinen jüngsten Äußerungen auf den Punkt gebracht. „Bei den Wirtschaftspartnern werden Millionen für das Sponsoring von Turnieren aufgerufen, und dann kann man ihnen nicht mal garantieren, dass die besten Spieler auch kommen“, sagte der Nordire zum Beispiel bei seinem Auftritt im Podcast „Stick to Football“. „Ich kann nicht glauben, dass die PGA Tour damit so lange so gut gefahren ist.“
Andererseits ist der vierfache Majorsieger selbst Teil des Problems. McIlroy war maßgeblich am Zustandekommen der Designated oder Signature Events beteiligt, als er gefordert und mit Tiger Woods bei der PGA Tour durchgesetzt hat, „dass die Top-Spieler so oft wie möglich aufeinandertreffen sollten“. Wenn McIlroy expressis verbis vom Kreis der Elitespieler spricht, die zu solchen Events exklusiv Zugang haben, dann macht das alle anderen zu „Hinterbänklern“ und die PGA Tour letztlich zu einer Zweiklassengesellschaft.
Alles wird auf die Top-Spieler zugeschnitten
Sowieso deutet alles darauf hin, dass demnächst die PGA Tour Enterprises, jenes Konglomerat aus PGA Tour, PIV und der Strategic Sports Group mit US-Investoren, kommt und ihr eigenes Ding macht. Von einer Global Tour ist die Rede, der McIlroy schon seit Jahren als Vision das Wort führt. Und natürlich ist die ebenfalls dem das zugkräftigen Top-Personal vorbehalten. Was Wunder, dass sich die breite Mittelschicht der PGA-Tour-Mitglieder unterrepräsentiert und außen vor gelassen fühlt und mittels anwaltschaftlicher Hilfe unlängst mehr Informationen eingefordert hat. Ihr Plädoyer: „Die Spieler, die über diesen Prozess im Unklaren gelassen wurden, sind das Herzblut der Tour. Sie verdienen es zu wissen, was passiert.“ Immerhin geht es um die eigene sportliche Zukunft.
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Der Riss reicht freilich bis ins Jahr 2022 zurück, als Woods und McIlroy am Rand der BMW Championship das Geheimtreffen von Wilmington anberaumten, um die tourtreuen Top-Stars auf Linie zu bringen und statt „kleiner unabhängiger Unternehmen … Geschäftspartner zu sein und an einem Strang zu ziehen, um damit der Tour und letztlich uns gegenseitig zu helfen“ (McIlroy). Schon das hat bei der Mehrheit der Mitgliedschaft tiefes Befremden ausgelöst. „An der BMW Championship haben 70 Spieler teilgenommen, aber bloß 25 oder 30 davon waren gut genug, um an diesem Meeting teilnehmen zu dürfen? Nicht mal in der letzten Reihe sitzen und nur zuhören durfte man. Für mich war das ein Schlag ins Gesicht“, machte neulich noch Mackenzie Hughes seinem Unmut Luft über diese „geschlossene Gesellschaft des Who’s Who der Tour“.
Global Tour mit Teilnahmeverpflichtungen der Top-Spieler
Eine Global Tour wird diese Kluft naturgemäß noch vertiefen. McIlroy, der gern von einer Champions League fürs Herren-Profigolf spricht, hat „da draußen [in der weiten Welt] einige ungenutzte kommerzielle Möglichkeiten“ ausgemacht und will – durchaus zurecht – besonders „die Märkte in Australien, Südafrika, Japan oder Indien berücksichtigen“. Dafür muss es seiner Meinung nach Selbstverpflichtungen und Teilnahmeerklärungen der Top-Spieler geben, die damit ihren Status als „unabhängige Unternehmer“ bis zu einem gewissen Maß aufgeben. Eben, um den Sponsoren das bestmögliche Feld fürs Geld zu garantieren.
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Was das fürs verbleibende Tour-Personal und die finanzielle Ausstattung des regulären Tour-Betriebs bedeutet, ist nicht abzusehen. Bislang hat Ponte Vedra Beach die Lücken im Sponsoren-Line-up halbwegs ordentlich auffüllen können, die man wohl teils selbst gerissen hat. Beispielsweise, als man Honda bei der Suche nach frischem Geld fürs Armdrücken mit LIV Golf angeblich derart anging, dass die Japaner schließlich ihr Engagement bei der Honda Classic ganz beendeten – nach über vier Jahrzehnten.
Auch andere Sponsoren berichten hinter vorgehaltener Hand von arg aggressiver Akquise ohne rechten Gegenwert. Gerade bei den Signature Events sollen sie eh ab kommendem Jahr mit zur Kasse gebeten werden, um die 20-Millionen-Dollar-Börsen zu finanzieren, mit denen man dem Lockruf des Preisgelds in der LIV-Liga Paroli bieten will. Wells Fargo beispielsweise bläst genau deswegen dieses Jahr in Quail Hollow zum Halali.
Wahre Zeitenwende im Herren-Profigolf kommt erst noch
Bei der einstigen Honda Classic im PGA National zu Palm Beach Gardens ist mittlerweile Cognizant als Titel- und Geldgeber eingesprungen; und dort hofft man jetzt händeringend, dass Fan-Liebling Rickie Fowler dem Turnier neuen Boost verleiht, wenn schon sonst kaum einer der Golf-Großkopferten kommt – was zu beweisen war. Für die Houston Open wurde Texas Children's Hospital als Partner gewonnen und die CJ Group ist neuer Hauptsponsor für das Byron Nelson, nachdem sich AT&T vom Turnier in Dallas zurückgezogen hat.
Auf den ersten Blick klingt das gut und nach einem soliden Sockel. Aber Webb Simpson, der im Policy Board der Tour sitzt, hat die Entfremdung dieser Tage bestätigt: „Das Geschäftsmodell ist durch die Preisgelder erschüttert, die mittlerweile angeboten werden. Die Sponsoren bekommen das zu spüren und ziehen sich allmählich zurück, weil es auf ihrem Rücken ausgetragen werden soll.“
Sowieso und trotz all der Unruhen und Disruptionen in den vergangenen beiden Jahren: Die wahre Zeitenwende im Profigolf der Herren kommt erst noch – und zwar mit PGA Tour Enterprises und deren fetter Kriegskasse von sechs bis sieben Milliarden Dollar. Die neue Unternehmung wird Energie aufsaugen wie ein schwarzes Loch. Und was wird dann aus der PGA Tour?
(Fortsetzung folgt: Über vergraulte Fans und verdichtete Strukturen)