Die Golfwelt hat ein neues Traumduo, jedenfalls die englische: Seite an Seite nehmen heute Tour-Veteran Lee Westwood und Tommy Fleetwood, der Mann mit der Matte, als „West-Fleet“ diesen „Moving Day“ in Angriff, mit -7 nur um einen Schlag vom Top-Flight mit Shane Lowry und J. B. Holmes getrennt. Das Szenario im Fall Westwood erinnert ein bisschen an Muirfield 2013, als der einstige Weltranglistenerste dem ersten Majorsieg näher war als je zuvor und auf dem hartgebackenen Geläuf erst seine Linie und dann die Claret Jug an Phil Mickelson verlor. In Portrush ist „Westy“ wieder mit Freundin Helen Storey am Bag unterwegs – ihr erste Major als „Looper“ –, über deren Caddie-Qualitäten der 46-Jährige sagt: „Sie hat vielleicht nicht so viel Ahnung von Golf, aber sie weiß eine Menge darüber, wie ich ticke, hält mich mental gut im Rahmen und hilft mir, mich auf die richtigen Dinge zur richtigen Zeit zu fokussieren. Es läuft richtig gut.“ Und das, obwohl Westwood seine Herzdame auf dem Platz keineswegs schont: „Mein Bag ist um keinen Deut leichter, nur weil sie es ja tragen muss. Da ist alles drin, was man bei diesem Wetter braucht; es ist voll bepackt.“
Derweil hatte Tommy Fleetwood mehr mit dem Spott über seinen Modegeschmack zu kämpfen als mit seinem mehr als ansehnlichen Spiel, bei dem er über zwei Runde gerade mal die beiden gestrigen Bogeys zuließ. Dabei sah der xx-jährige Engländer mit seinem speziell für die Open designten schwarz-weißen Hemd, gemustert in Golfersilhouetten, Fabelwesen und Impressionen der lokalen Landschaft eher aus „wie ein verschrecktes Zebra“, schreibt jedenfalls die britische Zeitung „The Telegraph“. Letztlich wird‘s Fleetwood egal sein. Sein Augenmerk gilt der Claret Jug, denn dann würde er auch diesbezüglich mit seinem Ryder-Cup-„Bro“ Francesco Molinari, dem Titelverteidiger, gleichziehen. Wenn „Moliwood“ schon nicht zusammen spielen können, weil „Chicco“ abgeschlagen auf dem geteilten 58. Platz liegt …
Holmes baut auf Kreativität, Lowry hat Spaß
Noch‘n Duo: Und zwar eine Spitzenpaarung. J. B. Holmes und Shane Lowry, die beiden bärtigen Brecher, sind heute die Gejagten. Während der Amerikaner aus Kentucky sich tapfer an seine Devise hält, „auf einem Linkskurs kreativ sein und besonders allem auf alles gefasst sein zu müssen“, könnte Ersatz-Publikumsheld Lowry, der die Lokalmatadoren Rory McIlroy, Darren Clarke und auch den nur auf Platz T58 rangierenden Graeme McDowell ersetzen muss, ein wenig mit dem gestrigen Tag hadern. Der 32-Jährige aus dem irischen Clara war nach einer fulminanten und makellosen Front Nine mit fünf Birdies schon auf -10 und zwei Schläge weg, bevor ihn die verlorenen Schläge auf den Bahnen 14 und 18 wieder neben dem fünf Jahre älteren Holmes einsortierten, der sich übrigens 2011 wegen einer Unregelmäßigkeit in der Gehirnstruktur zwei Mal einem chirurgischen Eingriff hatte unterziehen müssen.
Trotz der kleinen Rückschläge zum Schluss freilich empfand Lowry nur Freude: „Ich habe diesen Tag wirklich genossen. Du kannst einfach nicht anders als lächeln und froh sein. Die Unterstützung durch die Fans ist einfach unglaublich.“ Immerhin bedeuten auch die nunmehr 134 Schläge noch den besten 36-Loch-Score seiner Majorbilanz.
„Umzugstruppe“ scharrt mit den Hufen
Veritable Verfolger: Es ist schon eine beeindruckende „Umzugstruppe“, die sich da zum „Moving Day“ der 148. Open Championship hinter den beiden Spitzenduos versammelt hat. Und alle scharren mit den Hufen, um sich fürs Finale in Stellung zu bringen: Justin Rose, Jordan Spieth, Brooks Koepka, Tony Finau, Jon Rahm, Matt Kuchar, Patrick Reed, dazu Dylan Frittelli der gerade die John Deere Classic gewonnen hat. Das dürfte ein heißer Samstag werden, zumal heute auch das Wetter mitspielen soll. Und das Foto vom Dunluce Course zu früher Morgenstunde vermittelt wohl tatsächlich nur die trügerische Ruhe vor dem Sturm:
McIlroy: „Ich habe die Liebe der Fans gespürt“
Spaß zum Abschied: Es war ausgerechnet jener 30-Zentimeter-Putt, den Rory McIlroy am Donnerstag bei seiner unterirdischen 79 auf dem 16. Grün so leichtfertig vergeben hatte, der gestern zum Wochenende fehlte. Der Top-Favorit und Lokalmatador, geboren nur 100 Kilometer von Portrush entfernt, scheiterte trotz einer bravourösen Aufholjagd um eben diesen einen Schlag am Cut. Mit sieben Birdies bei nur einem Bogey teilte er sich die Tagesbestmarke von 65 Schlägen mit dem Südafrikaner Justin Harding, der tags zuvor noch in den Bunker gefallen war.
Golf is hard pic.twitter.com/eSVbp2R35v
— Justin Harding (@JustinHarding60) July 18, 2019
Bei aller Enttäuschung fand McIlroy anschließend doch die richtigen und auch sehr bewegende Worte. „Ich habe heute wirklich die Liebe der Zuschauer gespürt, sie haben mich förmlich getragen. Das war mit Abstand eine der vergnüglichsten Runden, die ich je gespielt habe“, sagte der 30-Jährige. „Ich bin extrem stolz auf Portrush, auf das County, auf ganz Nordirland und auf den R&A, der die Open hierher zurück gebracht hat. Ich wünschte, ich könnte noch zwei weitere Tage ein Teil davon sein.“ Es war sportlich und menschlich ein ganz starker Abgang.
Schauffele musste etatmäßigen Driver aufgeben
Durchgefallen: Xander Schauffele quälte sich zwei Runden lang mit einem ungewohnten Driver durch die Open Championship. Sein etatmäßiges Holz 1 von Callaway war am Dienstag durch die Kontrolle des R&A gefallen, der seit Carnoustie 2017 vor der Open stichprobenartig das Feld auf die Trampolinwerte (COR) der Driver überprüft. Schauffele musste einen Ersatzkopf an seinen Schaft montieren und brachte lediglich einen 74er Auftakt zustande: „Das Provisorium passte nicht so recht in mein Bag und war ziemlich sauer auf der Runde.“ Anschließend experimentierte er ein bisschen rum, probierte andere Köpfe aus, veränderte die Gewichtsverteilung – und schoss gestern eine 65. „Jetzt passt das Setting“, sagte der 22-Jährige mit deutschen Wurzeln, der Anfang September zu den Stars der Porsche European Open auf den Green Eagle Golf Courses in Winsen/Luhe bei Hamburg gehört. Dennoch ärgerte sich Schauffele über die Vorgehensweise des R&A. „Ich finde es unfair, dass sie nicht alle Teilnehmer testen, sondern bloß 30 herauspicken. Ich bin froh, dass ich jetzt einen legalen Driver spiele und habe den alten gern aufgegeben, als sich herausstellte, dass er nicht regelkonform ist. Aber davon gibt es garantiert noch mehr im Feld.“
Golf-Etikette: MacIntyre attackiert Flightpartner
Ansage: Er ist Open-Debütant und Rookie auf der European Tour, aber das hindert den 22-jährigen Schotten Robert MacIntyre nicht, Klartext zu reden, wenn es um die Golf-Etikette geht. Gestern fing sich Flightpartner Kyle Stanley (31) einen ordentlichen Anschiss ein, weil er etliche Bälle ins Abseits und in die Zuschauer geschossen, aber nicht ein einziges Mal „Fore“ gerufen hatte. Das übernahmen MacIntyre („Stanley stand bloß rum und sah zu“) und Andrew Johnston als Dritter im Bunde. Dabei trafen Stanleys Kugeln unter anderem einen Offiziellen auf der 14 und auf der 17 auch die Mutter von MacIntyres Caddie Greg Milne. Auf der Schlussbahn nahm sich der Schotte den US-Pro zur Brust, es war kein sehr freundliches Gespräch und „er hat es auch nicht sonderlich gut aufgenommen“, berichtete MacIntyre: „Aber es musste halt gesagt werden, dass das nicht in Ordnung war.“
Tiger Woods pausiert bis zu FedEx-Play-offs
Tiger Woods lag richtig mit der Einschätzung, sein Spiel sei „nicht scharf“ genug für diese Open Championship. „Ich will jetzt bloß nach Hause“: Fast ein wenig erleichtert verkündete der 15-fache Majorsieger nach dem verpassten Cut, dass er fürs erste eine erneute Turnierpause einlegen werde, um zu den FedEx-Play-offs fit zu sein. Auch das WGC-Turnier in Memphis kommende Woche lässt er aus. Es ist ein schmaler Grat, auf dem Woods wandelt, der Spagat zwischen Schonung des überstrapazierten Rückens und notwendiger Wettkampfpraxis – im ungemütlich kühlen Regen von Portrush ging die Rechnung nicht auf. Vielleicht wird der 43-Jährige zum Schönwetter-Spieler …
Tränen bei Tom Lehman
Emotionaler Augenblick: Tom Lehman (60) ist ein Golf-Gentleman, gestern nahm der Champion Golfer of the Year von Royal Lytham & St Annes 1996 Abschied vom weltältesten Major. Diese 148. Auflage war wegen des Erreichens der Altersgrenze von 60 Jahren seine letzte Open Championship, die er mit Sohn Thomas am Bag bestritt. Auf dem Weg zum 18. Grün gab es viel Applaus, und Lehman kämpfte sichtlich mit den Tränen:
Es ging in, nein, um die Hose
Zum Schluss: Und was war noch am zweiten Tag dieser 148. Open Championship. Ach ja, die Jogging-Buxe von Erik van Rooyen. Das Beinkleid des Südafrikaners war für die Medienmenschen deutlich wichtiger als dessen 67er Runde (-4), die den 29-Jährigen auf den geteilten zwölften Platz bugsierte. Dabei sind Beinlinge mit Bündchen an den Knöcheln ja seit Rickie Fowler nichts Neues mehr im Golf, und Van Rooyen trägt sie auch schon seit geraumer Zeit.
Er war halt bloß noch nicht im Major-Scheinwerferlicht. Also, in Kürze: Die Hose ist von „Greyson Clothier“, kostet 130 Euro – und Van Rooyen hat sie in zahlreichen Farben, weil er es mag, „etwas unterschiedlich und dennoch klassisch“ daherzukommen. Und er hat auch für heute und morgen jeweils ein Paar in petto. Dann wäre das ja geklärt …