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Golf Post Premium Panorama

Was Wilhelm Busch mit der Kleiderordnung im Golf zu tun hat

01. Jan. 2021 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

"Stilikonen" aus unterschiedlichen Epochen: André Agassi (l.) 1991, Arnold Palmer 1976. Beide Outfits gelten als "smart casual". (Fotos: Getty)

"Stil-Ikonen" aus unterschiedlichen Epochen: André Agassi 1991 (l.), Arnold Palmer 1976. Beide Outfits gelten als "smart casual". (Fotos: Getty)

Eigentlich sollte das hier ein krasser Kommentar werden. Eine Art Wutrede wider die Dresscodes beim Golf. Das ist ja zu jedwedem Thema beliebt in diesen Zeiten, frei nach dem Münchner Komiker Karl Valentin: „Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen.“ Doch je mehr man Pro und Contra wägt, umso weniger lässt sich ein plausibles Plazet formulieren, vielmehr ist die Klamotten-Causa vielschichtig und ambivalent.

Reflexhafte Forderungen

Jeder kennt die Sportkameradin, die gern Waffelpique-Weste und Schuhwerk „Ton-in-Ton“ abstimmt. Oder den Sportsfreund, dessen knalliges Beinkleid-Design deutlich auffälliger ist als seine Schlagfertigkeit. Klar, so was prägt noch viel zu sehr das öffentliche Bild und das Image gerade des vereinsgebundenen Golfsports. Dann erschallen halt die reflexhaften Forderungen nach Lockerung der Bekleidungsvorschriften. Golf soll ja cool sein, jüngere Bevölkerungsschichten und die Kids anlocken, nicht „old fashioned“ oder gar spießig daher kommen.
Alles richtig. Indes, es gibt einen Haken: Das „Karierte-Hosen-Establishment“ bezahlt die Rechnung.

Zielgruppe ohne Schnittmengen

Noch jedenfalls. Solange in der hiesigen Golflandschaft überwiegend das Modell des zeitlich und wirtschaftlich konkret planbaren Mitgliedsbeitrags ein Überleben gewährleistet. Solange sich Clubs für ihr Wohl und Wehe auf Menschen stützen (können, müssen), welche – fernab der allgemeinen Schnelllebigkeit – zu einem langfristigen Kommitment bereit sind. Und die teilen sich „ihre“ Abschlagzeiten und Fairways ungern mit hippem Party-Volk.

Die Schnittmengen sind nun mal nicht sonderlich groß. Hier jene, die den Golfclub als Rückzugsraum und Kokon, als einen Hort von Gleichgesinnten empfinden und sich in den tradierten Strukturen bequem eingerichtet haben, dies nicht selten überdies mit persönlichem Prestige verbinden. Dort jene, gern als Golf-Nomaden tituliert, die in einer von Thrill, Entertainment und Amüsement überfrachteten Welt 4.0 zwischendurch auf eine flotte Runde bei der nächstgelegenen Wiese vorbeischauen.

„Jaja, das kommt von das!“

Letztere will man im Sinne von frischem Wind und notwendiger Verjüngungskur gern gewinnen und binden, erstere – solide Zahler und seit Jahren eine verlässliche Größe – trotzdem nicht verprellen. Ein Dilemma. Welche Anlage hat schon den Raum oder die konzeptionelle Flexibilität für zwei derart ambivalente Zielgruppen? Will oder kann über den Tellerrand des Althergebrachten schauen? Wagt diversere Angebote, knackigere Turnierformate, spektakulärere Spielwiesen, attraktivereKurzplätze etc. Nicht zuletzt: kann oder will sich das leisten?
Womit wir beim Prinzip von Ursache und Wirkung sind. Oder beim humoristischen Dichter und Zeichner Wilhelm Busch, der seinen Diogenes in der Tonne sagen ließ: „Jaja, das kommt von das!“ Wer pauschal irgendwelche Strukturen und Formalitäten zugunsten einer anfangs volatilen, unberechenbaren Kundschaft schleifen will, riskiert größtes Unbehagen der etablierten Klientel und womöglich deren Abkehr. Jaja, das kommt von das!

Zuerst meint Dresscode „proper attire“

Sowieso stellt sich die Frage, was zuerst war: Karo oder Kleiderordnung? Das originäre Wesen des Dresscodes meint erst mal bloß „proper attire“, angemessener Habitus. Bis in die 1940er-Jahre war das nahezu selbstverständlich, Golf nämlich zuvorderst ein „Gentlemen‘s Game“. Später erschien „smart casual“ stets okay – wenn die Menschen zum Wochenende den Anzug gegen die Baumwollhose und den steifen Kragen gegen das „Polohemd“ tauschten. Wer nachschauen möchte, mag Fotos der Stilikonen Ben Hogan und Arnold Palmer hinzuziehen.

Doch irgendwann wurde sogar Arbeitskluft gesellschaftsfähig. Der robuste Denim-Stoff (Serge de Nîmes) machte als Jeans modische Furore, das Unterhemd avancierte zum T-Shirt. Spätestes mit James Dean wurde beides zum Inbegriff vom lässigen Habitus. Und Golf ist eben die vermutlich einzige Sportart, für die es imGrunde keine besonderen Funktions- oder spezielle Sportbekleidung braucht. Also wurden die Dresscodes eingeführt. Jaja, das kommt von das!

Früher verpönt, heute akzeptierte „Streetwear“

Zudem zerfaserten gesellschaftliche Normen im Wind des Zeitgeists, lösten sich gar auf. Auch in puncto Klamottage. Was früher als unschicklich oder verpönt galt, als unangemessen für den Alltag und die Öffentlichkeit, ist heute breit akzeptierte „Streetwear“. Andererseits sind Golfclubs nicht allein Sportvereine, sondern qua Genese gedacht als Wertegemeinschaften von gesellschaftlicher Relevanz.

Immerhin fußt ihr Prinzip auf der Blaupause der britischen Golf-Societies. Ähnliches gilt fürs heutige Verständnis des Begriffs Club, das um Lichtjahre von den Wesenszügen entfernt ist, die seine englischen Erfinder sich dabei gedacht haben. Also wurden die Dresscodes nachgeschärft. Jaja, das kommt von das!
Nicht ganz abwegig ist der Gedanke, dass in Zeiten von Wochenend-Platzreifekursen im Schnellverfahren die Vermittlung von Etikette generell und mithin einer gewissen Stil-Attitüde ziemlich zu kurz kommt.

Was draus gemacht wird, ist das Problem

Wer nun einwendet, dass eine „proppere“ Jeans sich in nichts von einer Five-Pocket-Khaki-Buxe unterscheidet, der hat vermutlich recht. Und es gibt labberige, verwaschene Polos, die von jedem halbwegs ordentlichen T-Shirt ausgestochen werden.

Doch wo anfangen mit dem Dresscode. Wo die Unterschiede machen? Wer in welchem Outfit vor dem gestrengen Auge des Türsteher Gnade findet, kann vielleicht abends vor der Disco auf der Straße debattiert werden, aber sicher nicht an der Rezeption eines Golfclubs. Also versuchte man sich mit den Dresscodes an einem in der Breite akzeptablen Konsens mit letztlich minimalen Formalismen: irgendwas mit halbwegs erkennbarem Kragen, keine Badeshorts … Was in der Praxis vielfach draus gemacht wird, hat mit den originären Beweggründen kaum noch was zu tun. Darin liegt der wahre Kern des Problems.

Wo ist die Lösung?

Wenn lose Hemdschöße moniert werden oder Leute nicht auf den Abschlag dürfen, weil sie schwarze oder geringelte Socken tragen – so geschehen dieses Jahr in einem renommierten Club in Sydney und 2019 im englischen Gillingham Golf Club – dann zieht einem das tatsächlich die Socken aus. Völlig absurd. Da werden auf dem Platz und auf der Clubhaus-Terrasse ganz andere Modesünden begangen. Ebenso ewig gestrig wirkt, dass der englische Wearside Golf Club seine Mitglieder flugs per gesondertem Ukas wissen ließ, Tyrrell Hattons Hoodie bei der BMW PGA Championship in Wentworth sei „bei uns weiterhin kein akzeptables Kleidungsstück.“ Hausrecht nennt man das.

Ändert gleichwohl nichts daran, dass einige Dogmen des Dresscodes definitiv in die Mottenkiste gehören. Harold Varner III bringt es mit seinem Tweet auf den Punkt:

Es ist eine komplexe Gemengelage. Und wo ist jetzt die Lösung?

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