Es war eine Golf-Demonstration, was Dustin Johnson da gestern mit seiner dritten Runde geboten hat. Eine Golf-Clinic, schreiben US-Medien. Der Weltranglistenerste traf bei seinem 65er-Umlauf – seiner zehnten Unter-Par-Runde in Serie beim Masters – sämtliche 14 Fairways von Augusta National, dazu 16 Grüns „in regulation“ und teilt sich dank des Zwischenstands von -16 unter Par den Rekord für den niedrigsten Masters-Score nach 54 Löcher mit Jordan Spieth, dem beim Triumph 2015 gleiches gelang. „Das sah alles so unfassbar einfach aus“, staunte selbst der „Goldene Bär“ Jack Nicklaus.
Mehr noch, und das zeigt die Ausnahmestellung von „D. J.“ diese Woche: Der 36-Jährige leistete sich über alle drei Runden lediglich einen Drei-Putt und rettete so manches Par aus gehöriger Distanz zum Loch, er traf insgesamt 47 der 54 Grüns „in regulation“ und mit seinen rund 290 Meter langen Drives 34 von 42 möglichen Fairways. Exzellenter geht es kaum in einem Spiel, das seine Faszination aus der Imperfektion bezieht.
So stellt sich vor der Finalrunde allenfalls noch eine Frage, diese jedoch einmal mehr: Was macht Dustin Johnson, den vier Schläge von seinen direkten Verfolgern Abraham Ancer (Mexiko), Cameron Smith (Australien) und Sungjae Im (Korea) trennen, diesmal aus seiner Major-Führung? Vier Mal vergeigte der schlaksige Longhitter und US-Open-Champion von Oakmont 2016 bislang den Gewinn eines Grand-Slam-Turniers trotz Vormachtstellung am Sonntag morgen: bei den „Offenen Amerikanischen“ 2010 in Pebble Beach, 2015 in Chambers Bay und 2018 in Shinnecock Hills sowie jüngst bei der PGA Championship im TPC Harding Park von San Francisco.
Für letzteren „Fail“ fing er sich auch noch Häme von Brooks Koepka ein, der süffisant attestierte, das Schwierigste an den Majors sei offenbar der Gewinn eines zweiten, wie das Beispiel Johnson ja eindeutig zeige. „Ich habe gut gespielt und bin Zweiter geworden, das ist völlig ok“, konterte„D. J.“ damals: „Soll er [Koepka] denken, was er will. So was interessiert mich nicht.“ Angesichts seiner Vorstellungen bei diesem November-Masters bleibt Dustin Johnson nur zu wünschen, dass er einmal mehr gut spielt und damit nicht bloß Zweiter wird – es wäre mehr als verdient. Der um acht Schläge schlechter platzierte Rory McIlroy wollte jedenfalls „keinen Gedanken mehr an eine Aufholjagd und einen Sieg verschwenden“. Und Johnson selbst sagte gestern Abend: „Wenn ich meine Leistung wiederholen kann, stehen die Chancen ganz gut, die Serie [vergebener Führungen] zu brechen.“
Augusta ist auch im November ein Hingucker
Bildsprache: Egal, wie dieses 84. Masters ausgeht – es bleiben Impressionen, die wohl einmalig sind. Augusta National im November und ohne Patrons wirkt unfassbar pur, phasenweise fast surreal, erst recht im Licht der untergehenden Herbstsonne, wenn sich der Spieltag dem Ende neigt. Erstmals in der Geschichte des Turniers bekommt die breiten Öffentlichkeit zudem einen Eindruck von den wahren Ausmaßen und der enorm hügeligen Topographie des Platzes mit Höhenunterschieden von bis zu 33 Metern, die sonst immer durch zehntausende Zuschauer kaschiert werden.
Ein Übriges tun die Dronen des TV-Senders „CBS“, die hoch über den Bäumen schweben und phantastische Bilder der landschaftlichen Schönheit liefern. Fazit: Auch ohne die Blütenpracht des April ist Augusta National dieses Jahr ein absoluter Hingucker!
Jon Rahms „ziemlich furchtbarer“ Samstag
Verspielt? Morgens noch sah Jon Rahm so aus, als könne er ums Green Jacket mitspielen und vielleicht 40 Jahre nach dem ersten Triumph des großen Landsmanns Severiano Ballesteros als vierter Spanier in Augusta gewinnen, der Weltranglistenzweite beendete die zweite Runde mit -9 und als Mitglied der Spitzengruppe. Doch dann machte sich der 26-Jährige wieder selbst das Leben schwer und legte eine dritte Runde hin, die mit drei Birdies und einem Bogey so schlecht nicht gewesen wäre – wenn er sich nicht diesen Amateurfehler auf dem achten Fairway geleistet hätte, als er über dem Ball stehend die Murmel toppte und mit einem Quick-Hook flach ins Pinienstreu links vom Grün des Par-5-Lochs schickte.
Not Jon Rahm's best shot
(via @CBSSports) pic.twitter.com/eBbaAdsVFE
— SI Golf (@SI_Golf) November 14, 2020
Doch es sollte noch schlimmer kommen. Den Befreiungsschlag knallte Rahm an einen Baum, von dort sprang der Ball ins Gebüsch und musste für unspielbar erklärt werden. Selbst Social-Media-Sternchen Paige Spiranac fühlte sich bemüssigt, dem Basken angesichts dieses Debakels eher ein Hobbyspieler-Handicap zu attestieren.
Rahm looking like a 20 handicap right now. Golf is a cruel game
— Paige Spiranac (@PaigeSpiranac) November 14, 2020
Rahm selbst war natürlich ebenfalls stinksauer über das Doppel-Bogey. 2019 hatte er auf dem selben Loch bereits einen üblen Shank fabriziert. Die Acht von Augusta National ist ganz offensichtlich nicht seine Bahn, und entsprechend „war der Samstag ziemlich furchtbar. Es müsste echt ein Wunder geschehen, damit ich im Finale noch mal eine Chance bekomme“. Mal sehen, was er heute vom geteilten siebten Platz und bei immer noch -9 ausrichten kann.
Not surprisingly, Jon Rahm was not happy about his third round. This was his entire post-round interview... pic.twitter.com/0u7xJflT9B
— Alex Myers (@AlexMyers3) November 14, 2020
Woods erklärt Titelverteidigung für beendet
2019 wird sich nicht wiederholen: Ein ziemlich erschöpfter Tiger Woods („Ich bin einfach nur müde“) erklärte gestern nach seiner Even-Par-Runde die Mission Titelverteidigung als beendet. „Gewinnen werde ich wohl nicht mehr. Dafür habe ich in der zweiten und dritten Runde einfach zu wenig Birdies gespielt“, sagte der 15-fache Majorsieger, angesprochen auf seine Aussichten für den Sonntag: „Aber in die Top Ten will ich es auf jeden Fall noch schaffen.“ Dafür braucht er neben den Schlaggewinnen vor allem Regeneration. „Wir erleben hier lange Tage“, sagte Woods, für den am Samstag der Wecker um 3.15 Uhr morgens geklingelt hatte. „Das sind echte Strapazen und die merke ich auch.“ Weniger beim Laufen, „das kann ich mühelos jeden Tag“, denn „beim Bücken und bei der Rotation im Schwung“ – Tigers Rücken halt. Aktuell ist der 44-jährige Superstar geteilter 20 und hat bei -5 elf Schläge Rückstand auf Dustin Johnson.
Das Spalier am 18. Abschlag
Einstimmung: Am Ende der Finalrunde wartet die Röhre, der dicht von Bäumen und Patrons gesäumte Korridor, der vom 18. Abschlag Richtung Fairway-Bunker und Grün führt – normalerweise. Diesmal stehen nur die Pinien Spalier, wenn der designierte Anwärter auf das Green Jacket zum Clubhaus hinaufmarschiert. Oder sich auf der letzten Bahn gar dieses 84. Masters erst entscheiden sollte. Die European Tour hat die normale und die aktuelle Szenerie am 18. Abschlag mal zusammengestellt – als Einstimmung auf den gleich beginnenden Showdown im Augusta National Golf Club.
DeChambeau: Matt, schwindelig, negativer Test
Höchststrafe knapp verpasst: Bryson DeChambeau war in der festen Absicht zum Masters angereist, Augusta National mit seinen Schlaglängen förmlich auseinander zu nehmen, den Platz „als Par-67-Kur“ anzusehen, wie er selbst es nannte, „weil ich auf den Par-5-Löchern alle Grüns mit dem zweiten Schlag erreichen kann“. Und während der Einspielrunden deutete auch alles daraufhin, dass er seine vollmundigen Ankündigungen würde umsetzen können, brauchte nach gewaltigen Drives maximal ein Eisen 7 für die Annäherung.
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Doch im Turnier stolperte der 27-Jährige von einer misslichen Lage in die andere, notierte Triple Bogeys und entrann nur knapp dem Desaster eines verpassten Cut, weil er mit seinem Schlagverlust gestern auf der 18 selbst die Cut-Linie auf Even Par verschob. Zwar betrieb DeChambeau dann mit einer 69er-Runde etwas Schadensbegrenzung. Dennoch: Gemessen am Anspruch ist dieses 84. Masters für den zum Muskelmann mutierten „Mad Scientist“ ein herber Schlag ins Wasser – für den es allerdings Gründe gibt. Sagt jedenfalls DeChambeau. Er habe sich schon während der beiden ersten Turniertage „matt, dösig und schwindelig“ gefühlt und sogar Gleichgewichtsstörungen gehabt: „Wenn ich mich nach dem Ball gebückt und wieder aufgerichtet habe, stand ich regelrecht unsicher auf den Füßen und bin geschwankt“, berichtete er gestern Abend. Am Freitag schon gab‘s daher für ihn und sein ganzes Team einen Covid-19-Test, der allerdings ohne Befund ausfiel.
Putt-Masters in Mini-Augusta
Noch einer aus dem „Hinterhof“: Profigolfer Joel Dahmen und American-Football-Abwehr-Legende Brian Urlacher tragen in einer von Augusta National inspirierten Gartenanlage ein Masters mit dem Putter aus. Was man halt so macht, wenn man beim echten Majorturnier in Georgia nicht dabei sein kann …
Bernhard Langer und die 100
Zeitlos: Noch eine beeindruckende Zahlenspielerei, die der scheinbar alterslose Bernhard Langer gerade beim Masters „verursacht“. Beim ersten Auftritt des heute 63-Jährigen in Augusta 1976 war noch der 1902 geborene Gene Sarazen dabei, der damals zum letzten Mal antrat. Andererseits hatte der zweifache Champion heuer den spanischen Amateur Abel Gallegos im Feld, der 2002 geboren wurde. Mithin maß sich Langer auf dem Masters-Rasen mit Konkurrenten, deren Geburtsjahre ein ganzes Jahrhundert auseinanderliegen – auch das ein Rekord für sich.
Alte Ansichten und aktuelle Einsichten
Zum Schluss: Am letzten Masters-Tag verbindet der Spaziergang mit „golfclubhouses“ via Instagram alte Ansichten und aktuelle Einsichten. Eigentlich sollte das 1854 erbaute ehemalige Herrenhaus auf dem höchsten Punkt der einstigen Berckmans-Baumschule, der erste Betonbau im amerikanischen Süden, abgerissen und durch ein zeitgenössisches Gebäude ersetzt werden:
Dazu kam es wegen der klammen Kassen von Augusta National nicht – glücklicherweise. Und so wurde das Clubhaus zur Ikone und steht längst unter Denkmalschutz. Interessant ist der Blick in den Weinkeller, wo unter anderem auch die Mitglieder ihre bevorzugten Flaschen lagern. Dem Vernehmen nach sollen dort echte Raritäten ruhen, die Augusta Nationals Weinkeller zu einer echten Schatzkammer machen: