Einer wie wir: Was macht man gemeinhin, wenn’s auf dem Grün nicht läuft? Richtig, man kauft sich einen neuen Putter. So gesehen unterscheidet sich der Weltranglistenerste Scottie Scheffler in nichts von uns Clubgolfern. Auch er besorgte sich für die US Open 2023 einen neuen „Zauberstab“ und hofft, damit seine Putt-Misere beenden zu können. In den Tagen vor dem Turnierstart war Scheffler immer wieder dabei beobachtet worden, wier er mit der Gewichtsverteilung im Titleist Scotty Cameron Newport 2 Plus experimentierte.
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Die „Strokes gained“-Statistik ist allerdings auch frappierend. Beim Memorial war Scheffler brillant und in allen Kategorien vorn, er hätte eigentlich gewinnen müssen – wenn da nicht seine unterirdische Vorstellung auf den Grüns gewesen wäre, die ihn dann auch zum Schluss des „Strokes gained putting“-Rankings machte. In der entsprechenden Saisonwertung liegt der 25-jährige Texaner auf Platz 148 bei 198 Spielern, ansonsten ist er sämtlichst die Nummer eins. Was wunder, dass da was passieren musste. „Ich nehme einen Veränderung bei der Ausrüstung nie auf die leichte Schulter“, beschied der Masters-Champion von 2022 alle Frager, der in dieser Saison bereits die Phoenix Open und die Players Championship gewonnen hat. „Es ist doch seltsam, dass ich in den vergangenen Wochen so sehr mit meinem Putter zu kämpfen hat. Vielleicht braucht es da einfach mal einen Wechsel.“
Angesichts seiner generell bestechenden Form ist Scheffler ohnehin erster Anwärter auf den satt erhöhten Siegerscheck. Zudem kommt ihm seine Platzkenntnis zugute. Während der North Course des Los Angeles Country Clubs für die meisten US-Open-Starter Terra incognita ist, kennt der Branchenprimus das Geläuf vom Walker Cup 2017. „Ich habe gute Erinnerungen an diesen Golfplatz und die meisten Löcher nach wie vor im Gedächtnis, was für mich eher ungewöhnlich ist“, berichtete Scheffler bei seiner Pressekonferenz. „Du musst echt alle Schläger im Bag benutzen, um den Ball auf die Grüns zu bringen, und hast so viele Möglichkeiten, diesen Platz strategisch zu spielen. An Loch 6 beispielsweise, dem eigentlich drivebaren Par 4, weiß ich nicht mal, ob ich überhaupt versuchen will, das Fairway zu treffen.
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Brooks Koepka und das Wesentliche
Coole Socke: Brooks Koepka hat bei der US Open mal wieder richtig Spaß. Die Unruhe unter den Konkurrenten spielt dem fünffachen Majorsieger regelrecht in die Karten. „Je mehr Chaos herrscht, desto einfacher ist es zu gewinnen“, sagt der 33-Jährige, der sich einmal mehr als Mentalitätsmonster erweist. Koepkas Fähigkeit, alles auszublenden, was seinen sportlichen Fokus stört, ist schlichtweg phänomenal. Selbst die Zeitenwende im Profigolf mit dem Pakt zwischen der PGA Tour und dem saudi-arabischen Staatsfonds PIF tut er als Nebensächlichkeit ab: „Ich habe echt nicht viel Zeit auf irgendwelche Nachrichten aus der vergangenen Woche verschwendet. Vielleicht bin ich deswegen so gut bei den Majors – weil ich alles beiseite wischen kann, was nicht dazu gehört.“ Das ihm die Geschehnisse sehr wohl bewusst sind, bewies Koepka dann doch. Er leistete sich nämlich eine kleine Spitzfindigkeit und beendete seine Pressekonferenz mit einer Anspielung darauf, dass die LIV-Überläufer aufgrund des Friedensschlusses womöglich bald wieder auf die PGA Tour zurückkehren könnten: „Wir sehen uns dann nächste Woche bei der Travelers Championship.“
Homa: „Ich hoffe, es gibt da draußen ein Gemetzel“
Heimschläfer: Hollywood ist gleich nebenan, die Glitzerwelt von Los Angeles kaum eine Straßenkreuzung entfernt, und für manche im Feld der 123. US Open ist der Los Angeles Country Club bei all seiner Exklusivität ein echtes Heimspiel. „LA ist mein Lieblingsort auf der Welt. Es wird immer mein Zuhause sein, egal wo ich lebe, egal wo ich hinziehe“, sagt beispielsweise Collin Morikawa, der in der „Stadt der Engel“ aufs College ging und bei seinen Eltern übernachtet: „Es gibt einfach diesen zusätzlichen Touch, diese Besonderheit, wenn man zu Hause spielt.“
Was den Schauplatz betrifft, gilt das noch mehr für Max Homa, der immerhin seit seinen Studentenzeiten 2013 mit 61 Schlägen den Rekord für den North Course hält. „Ein Major in meiner Heimatstadt zu haben, etwa 18 Meilen von dort entfernt, wo ich aufgewachsen bin, das ist ein Traum, der wahr wird“, schwärmte der 32-Jährige. „Ich war mit zwei meiner besten Freunde abends zum Essen aus, mein Papa war bei der Einspielrunde dabei – besser geht es doch gar nicht.“ Ab heute freilich ist alle Freundschaft vorbei. „Ich hoffe, es wird eine typische US Open und es gibt da draußen ein richtiges Gemetzel“, so Homa, der die ersten beiden Runden mit Morikawa und Scottie Scheffler bestreitet: „Dieser Golfplatz bietet sich jedenfalls dafür an."
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„Die längsten Turnierrunden aller Zeiten“
Geduldsspiel: Padraig Harrington hat angesichts der Komplexität und der Schwierigkeiten von LACC North so seine Befürchtungen. „Dies wird eine außergewöhnlich lange Woche – wahrscheinlich mit den langsamsten Runden aller Zeiten im Turniergolf“, glaubt der dreifache Majorsieger aus Irland. „Ich wäre überrascht, wenn die durchschnittliche Rundenzeit unter sechs Stunden liegt.“ Auch die Par-5-Löcher tragen seiner Meinung nach nicht zur Entzerrung bei: „Es verlangsamt das Geschehen eher noch mal, weil die meisten mit zwei Schlägen erreichbar sind.“ Das wiederum sei gleichermaßen tückisch: „Ich gehe davon aus, dass es eine Menge Frust geben wird.“
Rekordbörse bei 123. US Open
Fette Beute: Die 123. US Open bricht eine magische Marke. Erstmals in der Geschichte sämtlicher Majors beträgt das Gesamtpreisgeld 20 Millionen Dollar, was an die Designated Events auf der PGA Tour erinnert. Demzufolge erhält der Sieger auch einen Scheck über 3,6 Millionen Dollar. Im vergangenen Jahr waren als Gesamtdotierung noch 17,5 Millionen Dollar ausgeschrieben, Champion Matt Fitzpatrick hatte 3,15 Millionen Dollar eingestrichen.
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Künftige Majorstars auf dem 18. Grün
Champions der Herzen: Bevor der Ernst des US-Open-Lebens beginnt – siehe Homas Hoffnung –, noch ein paar besondere Impressionen von den Einspielrunden. Hauptdarsteller auf dem 18. Grün sind nicht Jordan Spieth, Justin Thomas und Rickie Fowler, sondern die vielleicht künftigen Majorstars Maya Fowler und Sammy Spieth:
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Brückenbau: Die neue Major-Philosophie des USGA
Über sieben Brücken musst Du geh’n: Der berühmte Peter-Maffay-Song feiert bei der US Open fröhlich Urständ. Mit zahlreichen zusätzlichen Behelfsbrücken bewältigt die USGA bewältigt die Besucherströme auf dem North Course des Los Angeles Country Club, der zwar einen grandiosen Platz hat, mit seinem begrenzten Raum für die Logistik und das normale Zuschaueraufkommen bei einem Major indes wenig geeignet ist. Eine der Überführungen spannt sich über den Wilshire Boulevard zum South Course des LACC, der als Parkplatz und als Fläche für die Infrastruktureinrichtungen einer Veranstaltung dieser Größe genutzt wird.
Wilshire Boulevard runs between the North Course and the South Course at LACC.
So the @USGA built a bridge in the middle of the night to connect them. pic.twitter.com/5PMa9fnrYN
— Jared Doerfler (@DoerflerJared) June 13, 2023
Angesichts des Clubgeländes am Rand von Beverly Hills, das von der „Stadt der Engel“ förmlich eingekreist ist, hatte sich schon Jon Rahm bei einer Vorbesichtigung gefragt: „Wie soll das hier reibungslos ablaufen? Und wie wollen sie all die Leute hier hin- und herbringen? Laut Turnierdirektor John Bodenhamer hat der Golfverband USGA allerdings seine Philosophie in Sachen Majors geändert. „Im Lauf der Jahre hat sich unser Geschäftsmodell darauf versteift, täglich um die 40.000 Menschen auf den Platz zu bringen und die dafür notwendige Infrastruktur zu gewährleisten. Mit der Einführung einer Art Rota von historisch bedeutsamen Schauplätzen für ,Kathedralen des Golfsports’ wie Pinehurst, Merion, Oakmont, Shinnecock Hills oder eben LACC verfolgen wir jedoch ein neues Modell für unsere Majors, das wir mit den Aktiven abgestimmt haben“, verdeutlichte Bodenheimer: „Demzufolge haben wir die erwartete Besucherzahl auf vergleichsweise bescheidenen 22.000 Zuschauern pro Tag reduziert.“
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Schutzausrüstung für Adam Hadwin
Sonderausstattung: Der amerikanische Golfverband USGA hat den armen Adam Hadwin mit einer besonderen Aufmerksamkeit zur US Open im Los Angeles Country Club empfangen, nachdem der Kanadier am Sonntag von einem Security-Mitarbeiter noch so unsanft daran gehindert worden war, seinem Landsmann Nick Taylor zum Gewinn der Canadian Open zu gratulieren. In seinem Spind fand Hadwin darob einen Bauarbeiterhelm, eine Sicherheitsweste und einen Zettel mit der Aufschrift „Deine Sicherheit und Dein Schutz haben bei uns allerhöchste Priorität“ vor.
Ready for a great week @usopengolf. Thanks to the @USGA for keeping me safe! pic.twitter.com/qbUbOkvWvK
— adam hadwin (@ahadwingolf) June 12, 2023
Zuvor hatte Hadwin der „Toronto Post“ in einem Interview versichert, er mache dem Wachmann nicht den geringsten Vorwurf: „Das war einfach einer dieser verrückten Zwischenfälle, die nun mal passieren können. Ich war einfach ein Typ in Hoodie und Jeans und nicht als Turnierteilnehmer erkennbar, da haben sie halt auftragsgemäß reagiert.“
„Einfach unseren Job machen“
Zum Schluss: … eine klare Ansage. Der gewichtige Shane Lowry hat bereits bei der Canadian Open angesichts der Debatte um dem Pakt der PGA Tour mit dem saudi-arabischen Staatsfonds PIF seine Reputation in die Waagschale geworfen und ein gewichtiges Wort gesprochen. Wie der Ire bei „RTE Sports“ erzählte, hätten einige der überraschten und aufgeregten Spieler sogar einen Streik erwogen, er indes habe sie beschwichtigt: „Hey Jungs, bleibt mal ruhig, das hilft jetzt nun wirklich keinem. Lasst uns einfach raus auf den Platz gehen und unseren Job machen.“ Das sollte nun auch im Los Angeles Country Club die Devise sein. Mögen die Spiele der 123. US Open damit beginnen.
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