So schreibt man Golfgeschichte: Eine mitreißende US Open 2022, ein dramatischer Finaltag, ein historischer Sieg. Matt Fitzpatrick hat im Country Club zu Brookline geschafft, was vor ihm nur Juli Inkster bei den Damen in Prairie Dunes und Jack Nicklaus bei den Herren in Pebble Beach gelang – der 27-Jährige gewinnt die US Amateur und die US Open auf demselben Platz. Na ja, fast.
Die Par-3-Elf war 2013 beispielsweise nicht im Spiel, der Composite Course noch nicht von Star-Architekt Gil Hanse aufpoliert, als ,Fitzy’ Amateur-Kollegen hinter sich ließ, die später dann vor ihm ganz große Meriten einfuhren: Scottie Scheffler, Bryson DeChambeau, Olympiasieger Xander Schauffele oder Justin Thomas, der allerdings den Cut verpasste. Ebenso übrigens wie ein gewisser Will Zalatoris.
US Open 2022: Zwei brillante Schläge hielten Zalatoris in Schach
Der kam Fitzpatrick nach anfänglichem Stolpern diesmal gefährlich nah, doch der 27-Jährige aus Sheffield hielt den Kombattanten vor allem mit seinem brillanten langen Birdie-Putt auf der 13 und dem fast unmöglich erscheinenden Annäherungsschlag aus einem Fairway-Bunker der Schlussbahn in Schach, der ihm letztlich das siegbringende Par sicherte, da Zalatoris seinerseits den Birdie-Putt für ein Stechen knapp am Loch vorbei zirkelte.
How do you define clutch?@MattFitz94 hit this shot on 18 to help secure the #USOpen title. pic.twitter.com/iQcOGxph0Z
— Golf Channel (@GolfChannel) June 19, 2022
Und so ist Matthew Thomas Fitzpatrick, einst bester Nicht-Profi bei der Open Championship vor neun Jahren in Muirfield und nach dem ersten großen Triumph in den USA die Nummer eins der Amateurweltrangliste, nunmehr der dritte Engländer nach Tony Jacklin 1977 und Justin Rose 2013, dessen Name auf dem namenlosen Henkelpott eingraviert ist, den der US-Golfverband USGA für den Gewinn seiner „Offenen Amerikanischen“ vergibt.
Dabei war sein Vater Russell, der gestern von einem Déjà-vu sprach, anfangs mit dem Wechsel ins Lager der Berufsspieler ganz und gar nicht einverstanden. „Professioneller Sport ist eine ganz, ganz harte und schwierige Angelegenheit“, warnte er damals: „Golfer werden Profi, und dann hört und sieht man nie wieder was von ihnen.“
Sieben Siege auf der heutigen DP World Tour
Die Sorge vermochte Fitzpatrick mit seinen ersten Erfolgen beim British Masters 2015 und beim Nordea Masters im Jahr drauf halbwegs zu zerstreuen. Doch Hand aufs Herz: Er galt stets als etwas farblos, und irgendwie wartete man schon lange auf den wirklich großen Wurf des Fußball-Fans von Sheffield United. Obwohl er noch zwei Mal die Tour Championship in Dubai (2016/2020) und das Omega European Masters ((2017/2018) gewann und vergangenes Jahr beim Andalucía Masters siegte, konnte er auf der PGA Tour nie was reißen und hatte als beste Major-Resultate einen geteilten siebten Platz beim Masters 2016 und einen geteilten fünften Rang bei der PGA Championship vor vier Wochen zu Buche stehen. Bis gestern.
Und weil er bei dieser US Open derart im Rampenlicht stand, wissen wir auch, warum das so lange gedauert hat: Fitzpatrick war zuvor wahrscheinlich zu sehr mit der Theorie beschäftigt. Kein Spaß: Er führt seit 15 Jahren Buch über jeden Schlag, den er macht – egal, ob Turnier oder Training –, notiert Loft, Lie und Lage des Balls, Boden-Beschaffenheit und Windbedingungen, analysiert Schwachstellen und feilt an den entsprechenden Bereichen seines Spiels. „Jeder Fremde, der eine Woche mit ihm verbringt, würde denken, Matt ist verrückt“, sagt sein Vater.
Kritik an DeChambeau, aber „es wirkt Wunder“
Darüber hinaus packte sich Fitzpatrick im Kraftraum neun Kilo Muskulatur auf den zuvor eher schmächtigen Körper und arbeitet mit einem Bio-Mechaniker, um sein Schwungtempo zu erhöhen und mehr Länge zu generieren. Einst kritisierte er Bryson DeChambeau für dessen Transformation zum Hulk und warf dem „Mad Scientist“ vor: „Damit macht er das Spiel zum Gespött.“ Mittlerweile hat Fitzpatrick einen Schlägerkopf-Speed wie Dustin Johnson und bekennt: „Ich gebe ehrlich zu, es wirkt Wunder.“ Anderthalb Schläge gegenüber dem Feld holt er auf diese Weise heraus, ein exzellenter Eisenspieler ist er sowieso von jeher, und er chippt „cross-handed“, weil ihm dieser Griff mehr Sicherheit vermittelt.
Der Erfolg von Brookline im Beisein der Eltern und von Bruder Alex, ebenfalls ein exzellenter Amateur-Golfer, war genau deshalb keineswegs „Schicksal“, wie Will Fulton, der Turnier-Verantwortliche des gastgebenden Country Club nach dem „Moving Day“ im Hinblick auf den Sieg von 2013 prophezeit hatte. Oder Glück. Bei diesem Major haben sich all die Stunden einsamen Trainings, die mühsam erarbeiteten Fortschritt, die großen und kleine Opfer endlich ausgezahlt. Oder anders: Der „Buchhalter“ hat sein Meisterstück gemacht.
Arbeitsmoral à la Bernhard Langer
Fitzpatrick ist womöglich der methodischste und disziplinierteste Golfer auf dem Globus. Sein Caddie Billy Foster hat mal gesagt, mit dieser Arbeitsmoral wäre „Fitzy“ vermutlich das „Lieblingskind von Bernhard Langer“ – jeder weiß, wie das gemeint ist. „Ich war Caddie bei einigen großartigen Spielern“, sagt Foster, der seit gestern den deprimierenden Titel des weltbesten Looper ohne Major los ist: „Aber er ist bei weitem der professionellste, für den ich je gearbeitet habe.“