Fred Ridley, der Chef des Augusta National Golf Club, und seine Mannen betonen gern, dass sie alles dafür tun, auf ihrem Platz den Geist sowie die strategischen Philosophien seiner Schöpfer Dr. Alister MacKenzie und Bob Jones Jr. zu bewahren. Seit der junge Tiger Woods 1997 auf dem Weg zum ersten Green Jacket den Masters-Kurs auseinander nahm wie kein Spieler zuvor, haben die Granden in Grün mindestens 75 Millionen Dollar für knapp 45 Hektar an Landzukäufen und Flächenerweiterungen ausgegeben, die sich mittlerweile weit in die urbane Struktur von Augusta erstrecken. Und das ist lediglich die kolportierte Summe.
Vierte Teilnahme soll das Green Jacket bringen
Das Ergebnis der kostspieligen Umbauten und Ergänzungen sind nebst Parkplätzen, neuen Zuwegungen und Hospitality-Bereichen nicht zuletzt immer weiter zurückversetzte Champions-Abschläge, um der Entwicklung von Spielerphysis und Materialtechnologie, mithin der Schlaglängen-Inflation zu begegnen. Bislang hat das ganz gut geklappt.
Doch es scheint, als würde Augusta National von einem 27-jährigen Texaner jetzt endgültig an seine Grenzen gebracht, der während des Corona-Shutdown mithilfe von Muckibude und Protein-Shakes fast in der Manier eines Hollywood-Schockers zum Muskelmann mutierte und fürderhin als „Hulk mit dem Holz“ die Tour-Plätze zu Long-Drive-Ranges mit anschließenden Pitch&Putt-Contests degradierte. Bryson DeChambeau steht vor seiner vierten Masters-Teilnahme und hat Großes angekündigt. Zuvorderst noch mehr Körpermasse und einen bis aufs erlaubte Maximum von 48 Zoll Schaftlänge (1,219 Meter) ausgereizten Driver.
MacKenzie empfand Rough als unangemessene Strafe
So will er auf dem ikonischen Geläuf in Georgia ebenso mit der Schlag-drauf-und-Schluss-Attitüde reüssieren, die ihn in Winged Foot bereits zum US-Open-Champion machte. Weil er selbst bei verfehlten Fairways meist kaum mehr als eine Wedge-Distanz zum Grün hatte und sich mit dem „Keil“ halt sogar aus fettem Rough sehr ordentliche Befreiungsschläge fabrizieren lassen. Augusta National überdies hat gar kein Rough, bloß einen wenige Zentimeter hohen „Second Cut“ an den Fairway-Rändern, weil MacKenzie das damals als unangemessene Bestrafung empfand; der Kurs lebt in puncto Schwierigkeitsgrad von seinem Design und von den Grüns.
Ersteres will DeChambeau freilich einmal mehr einfach aus dem Spiel nehmen. Sein „Game Plan“ sieht vor, beispielsweise auf „Pink Dogwood“, der 526 Meter langen Par-5-Zwei, einfach „carry“ über den Bunker zu hauen. Selbiges hat er im Fall von „Yellow Jasmine“ vor, der Bahn acht mit 521 Metern – „BDC“ macht beide Male schlichtweg Par-4-Löcher draus.
Keine „dicke“ Luft, die den Ballflug hemmt
Auf der Drei („Flowering Peach“) mit ihren 320 Metern schafft er es ohnehin locker mit dem Holz aufs Grün; gleichsam ist die Sieben („Pampas“), ein Par 4 von 411 Metern, fast wehrlos, weil DeChambeau die Murmel bis kurz vors Grün donnert.
Zwar spielt sich das Geläuf weicher und federnder als im April, weil das vom winterfesten Rye übersäte, für die heißen, feuchten Sommer in Georgia ideale Bermuda-Gras wegen der milden Temperaturen seine Winterruhe unterbrochen hat. Aber die prognostizierte Herbstkühle bleibt laut Wettervorhersage aus, der Ballflug wird nicht von dicker Luft beeinträchtigt.
Frecher Plan für „Azalea“, Club kontert mit Bäumen
Geradezu kühn, um nicht zu sagen frech ist die Herangehensweise auf der 13, „Azalea“, dem weltberühmten Par-5 mit dem Knick nach links entlang von Rae‘s Creek. Je nach vorherrschendem Wind will DeChambeau, den Abschlag über die Bäume auf der rechten Seite aufs 14. Fairway donnern – eine Distanz von knapp 350 Metern, die er locker drauf hat. Von dort aus hätte der „Mad Scientist“ dann einen perfekten Winkel zum Grün. Und eine im Gegensatz zum stark konturierten „Azalea“-Fairway vergleichsweise ebene Balllage.
Augusta National hat seine extrem gefährdete, 466 Meter lange Ikone sehr genau im Blick. Schon 2017 erwarb der Club an seiner nordwestliche Grenze Land vom benachbarten Augusta Country Club, um Raum für eine um 45 Meter nach hinten versetzte Tee Box zur Verfügung haben. Vergangenes Jahr kündigte Chairman Ridley genau das auch an. Doch noch hat sich an dieser Stelle nichts getan – außer dem Bau eines Service-Wegs hinter den Bäumen, die den Abschlagskomplex rahmen.
It appears it's time to press pause on the ANGC No. 13 Tee discussion — at least for now ? ©12OCT2020David Dobbins/Eureka Earth pic.twitter.com/IWNTezEnWV
— Eureka Earth (@EurekaEarthPlus) October 17, 2020
Immerhin jedoch wurden am Rand des Abschlagsbereichs neue Bäume implantiert, so bestätigte es Dylan Dethier von „Golf.com“, um der vom Texaner ins Auge gefassten Spiellinie den Abflugwinkel zu verbauen.
Denn Bryson DeChambeau hat seinen Worten bereits erste Taten folgen lassen. Sandy Lyle, der schottische Masters-Champion von 1988, erzählte dem „SiriusXM PGA Tour Radio“ von einer „aberwitzigen“ gemeinsamen privaten Übungsrunde. Laut Lyle schlug DeChambeau, der noch seinen etatmäßigen Driver im Bag hatte, bloß ein Wedge ins Grün von Loch eins („Tea Olive“, 407 Meter), ein Eisen 8 an die Fahne von „Pink Dogwood“ und gar ein Holz 3 übers Grün der „Flowering Peach“.
So nimmt man einen Parcours auseinander
Und es ging munter weiter: Sand Wedge auf der Neun („Carolina Cherry“, 420 Meter), Pitching Wedge auf der Zehn („Camellia“, 452 Meter), Eisen 9 als zweiter Schlag für die Elf („White Dogwood“, 462 Meter). Für „Azalea“ brauchte der Berserker gerade mal ein Holz drei und ein Eisen 7, auf der 484 Meter langen Par-5-15 („Firethorn“) schlug er ein Eisen 9 ins Grün, auf der 17 („Nandina“, 402 Meter) war es ein Sand Wedge.
A special week deserves special attention...
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So zerlegt man einen Parcours. Augusta National ist zwar eine Wiese für Longhitter, scheint dem Mann aus Dallas indes nicht gewachsen, der damit ganz klar zum Favoriten avanciert, nachdem sein bislang bestes Ergebnis der Rang T21 als „Low Amateur“ beim Masters-Debüt 2016 war.
Grüns liegen zwischen BDC und dem Triumph
Zwischen DeChambeau und dem Green Jacket stehen scheinbar allenfalls die Grüns, auf denen der studierte Physiker seine zahlengestützte Systematik nicht anwenden kann, weil Augusta National die mittlerweile enzyklopädischen „Green Reading Books“ nicht erlaubt. Er muss sich ausschließlich auf sein Auge und eigene Notizen verlassen, um Längen, Geschwindigkeiten, Slopes und Breaks einzuschätzen. „Das macht es schwieriger“, sagt DeChambeau. Für einen wie ihn allerdings wohl nur ein bisschen …