April, Blumen, Augusta: Masters-Zeit! - Das US Masters 1993 stand unter einem ganz besonderen Licht. Im Vorjahr siegte nach vier Jahren ohne US-Masters-Champion endlich wieder ein Amerikaner, auch der Ryder Cup ging 1991 nach einer Sechs-Jahres-Flaute wieder nach Amerika. Die Experten waren sich sicher: Der europäische Siegeszug durch den Augusta National war vorbei, nun sind die Amerikaner wieder an der Reihe. Zu den Favoriten zählte vor allem der Vorjahressieger und das personifizierte Siegerlächeln Fred Couples. Des Weiteren wurden noch zwei andere Amerikaner heiß gehandelt, die allerdings aus zwei völlig unterschiedlichen Generationen stammen. John Daly gab sein Masters-Debüt und machte im Vorfeld mit seinen brachialen Drives auf sich aufmerksam. "Wenn Daly mit den pfeilschnellen Grüns im Augusta National zurecht kommt, geht der Sieg nur über ihn", wurde im Vorfeld des Turniers geschrieben. Die andere amerikanische Hoffnung stellte niemand geringeres als die schon etwas in die Jahre gekommene Legende Jack Nicklaus dar. Niemand kenne den Augusta National besser als er, hieß es, und somit wurde exakt 30 Jahre nach seinem ersten Masters-Triumph auf ein letztes Hurra des "Golden Bear" gehofft.
Allerdings wurden nicht ausschließlich Amerikaner im Kreis der Favoriten gehandelt: Auch dem zweifachen Masters-Champion und Ryder-Cup-Legende Nick Faldo sowie dem "White Shark" Greg Norman wurden Chancen auf den Sieg prognostiziert. Bernhard Langer landete seit seinem Triumph im Jahre 1985 noch dreimal in den Top 10, enttäuschte allerdings zuletzt zweimal im Augusta National. Zu den Favoriten gehörte der deutsche Golf-Superstar dementsprechend nicht.
US Masters 1993: Langer startet stark - Oldie Nicklaus überragt
Allerdings änderte sich dies bereits nach dem ersten Tag. Ganz in rot gehüllt - genau wie bei seinem siegreichen Finalaufritt 1985 - startete Bernhard Langer spät in den Tag und zeigt auf eindrucksvolle Art und Weise aller Welt, dass mit ihm zu rechnen ist. Mit magischen drei Birdies auf den ersten vier Bahnen legte er sensationell los und lief schlussendlich nur einen Schlag hinter der Führungsgruppe in das legendäre Clubhaus des Augusta National ein.
Aus dieser Führungsgruppe stach vor allem einer hervor: Jack Nicklaus. Gemeinsam mit Arnold Palmer und Gary Players eröffnete er das US Masters 1993 - diese Ehre ist immer drei außergewöhnlichen Golf-Größen vorbehalten - und stellte alles und jeden in den Schatten. -5 und ein geteilter erster Platz stand am Ende des ersten Tages neben dem Namen des zu diesem Zeitpunkt 53-jährigen Nicklaus. Die Patrons tobten, die Amerikaner träumten bereits von dem letzten großen Siegeszug von einem der größten Golfer aller Zeiten.
Wasser von oben und unten sorgt für Probleme
Regen unterbrach die Frühlingsonnenstrahlen am zweiten Tag des US Masters 1993. Allerdings war es nicht das Wasser von oben, sondern der berüchtigte Teich vor dem 12. Grün des Augusta National, welches am zweiten Tag zahlreichen Spielern zum Verhängnis wurde. Unter anderem demontierte sich der vor dem Turnier als Favorit gehandelte Nick Faldo. Nach mehreren Tauchstunden stand auf seiner Scorekarte ein Quadruple Bogey (+4) neben der kleinen 12 - Faldos Turnier war ins Wasser gefallen. Greg Norman und John Daly - zwei andere Favoriten - wurden aufgrund früher Startzeiten vom im Laufe des Tages immer stärker werdenden Regen verschont und brachten sich in Lauerstellung. Sie lagen am Ende des Tages lediglich eine Handvoll Schläge hinter dem Masters-Rookie Jeff Maggert, der sich an die Spitze des Feldes schoss.
Deutlich stärker wurden Bernhard Langer und Jack Nicklaus vom Regen erwischt. Besonders Nicklaus hatte damit mächtig zu kämpfen und fiel aufgrund der Witterung und eines wackeligen Putters einige Positionen zurück. Schon jetzt war der Traum vom ältesten Masters-Sieger aller Zeiten ausgeträumt. Bei Bernhard Langer wirkte es fast so, als würde der Regen bei ihm einen Sog der Konzentration auslösen. Mit stoischer Ruhe schritt er durch den Augusta National und verbesserte seinen Score bis zur 16. Bahn auf -6. Der Regen nahm weiter zu und so musste er seine Runde mit noch drei Bahnen zu spielen abbrechen. Diese holte er jedoch in den Morgenstunden des nächsten Tages nach - fehlerfrei. Langer präsentierte sich in grandioser Verfassung.
Langer um Längen besser als die Konkurrenz
In der dritten Runde steigerte Langer sich noch einmal. Auf den ersten acht Bahnen spielte er sich mit drei Birdies an die Spitze, lochte dann auf der elften Bahn seinen etwa zwei Meter vor dem Grün platzierten Ball mit einem sensationellen Chip zum nächsten Birdie und legte auf der 14. Bahn mit einem weiteren Schlaggewinn nach. Langer war im Rausch und an der Spitze, sein zweiter Majortitel schien zum Greifen nahe. Der vor der Runde an Platz eins gelegen Maggert startete zwar ebenfalls solide, säbelte seine Siegchancen allerdings - wie schon Nick Faldo einen Tag zuvor - in den Teich der 12. Bahn.
In den Windschatten Langers spielte sich ein anderer, in Augusta bisher gänzlich blass gebliebener Golfer: Dan Forsman. Genau wie Langer strotzte er dem aufziehenden Wind und spielte sich bis zur 15. Bahn mit einem lupenreinen Birdie auf Tuchfühlung mit dem Deutschen. Es lag lediglich ein Schlag zwischen den beiden Kontrahenten. Allerdings griff Forsman an der 16 zum Eisen, visierte beherzt das Grün an und erkannte bereits weniger als einer Sekunde nachdem sein Schläger den Ball berührte: der wird lang. Deutlich zu lang. Der Ball segelte über das Grün hinweg - Doppelbogey. Ein weiterer Schlagverlust auf der abschließenden 18. Bahn und somit ging Bernhard Langer mit vier Schlägen vor Dan Forsman und Chip Beck ins Finale. Der Druck der deutschen Golföffentlichkeit lastete auf seinen schmalen Schultern.
Sein zweiter Triumph: Ein langer Weg zum zweiten Green Jacket
Gemeinsam mit Chip Beck bestritt Langer seine letzte Runde. Die größte Gefahr für ihn lauerte allerdings einen Flight vorher in persona von Dan Forsman. Während Langer mit einer souveränen Front Nine auf Even-Par-Kurs war, jagte ihn der Amerikaner mit drei Birdies und rückte bis auf einen Schlag an Langer heran. Chip Beck lag nach seiner Front Nine nur noch zwei Schläge hinter Langer. Sein Vorsprung schmolz, die Tür zum zweiten Masters-Titel wurde nun von zwei amerikanischen Wächtern bewacht. "Nach den ersten neun Löchern blickte ich erstmals auf das Leaderboard und sah Beck und Forsman dicht hinter mir. Ich wusste, die Back Nine muss ich aggressiv spielen, um das Turnier zu gewinnen", erzählte Langer nach seiner Runde.
Doch das nächste Hindernis wartete bereits auf das Trio: die gefürchtete 12. Bahn. Langer und Beck überstanden den Mittelteil der legendären "Amen Corner" unversehrt, Forsman fiel dem Biest zum Opfer. Gleich zweimal segelte sein Ball ins Wasser, Forsmans Blick war wie versteinert, auf seine Scorekarte notierte er ein Quadrupel-Bogey - die berüchtigte 12. Bahn hatte wieder zugeschlagen. Damit waren es nur noch zwei: Langer und Beck. Mit Match-Play-Charakter ging es um das ruhmreiche Green Jacket. Die 13. Bahn, der Abschluss der "Amen Corner", lag vor den beiden Kontrahenten - und sie schenkten sich nichts. Die Drives von Langer und Beck waren grandios, ihre Angriffsschläge aufs Grün noch besser und die Bälle der beiden lagen nach zwei Schlägen auf der nahezu identischen Stelle auf dem Grün - Becks Ball ein wenig weiter vom Loch entfernt als der von Langer. Hauchdünn verlegte Beck seine Eagle-Putt aus etwa acht Metern: Birdie. Dann kam Langer. Hochkonzentriert studierte er wenige Augenblicke zuvor den Egale-Putt-Versuch von Beck und zog seine Schlüsse. Er schickte den Ball auf die Reise, erwischte die perfekte Bahn: Eagle. Drei Schläge lagen nun zwischen den beiden.
Eine letzte Chance bot sich noch für Beck. Das letzte Par-5 des Augusta National, die 15. Bahn. Trotz eines langen Drives entschied er sich allerdings mit dem zweiten Schlag dazu, den Ball genau wie Bernhard Langer noch einmal vorzulegen. So wurde das Treiben auf dem 15. Grün zu einem Abbild der 13. Bahn. Beide Bälle lagen ähnlich positioniert. Langer lochte eiskalt, Beck verlegte. Es war vollbracht. Acht Jahre nach seinem ersten Masters-Titel schlüpfte Bernhard Langer ein zweites mal in das Green Jacket. Völlig verdient, denn Langer verpasste im Finale nur ein einziges Fairway und machte trotz seiner unorthodoxen und mitunter belächelten Technik über das gesamte Wochenende nahezu jeden möglichen Putt. "Ich war heute von mir selbst überrascht", beichtete der großartige Bernhard Langer nach seinem zweiten Titel im Augusta National Golf Club.