Wir schreiben das Jahr 1985 - April 1985. Die Golföffentlichkeit wirft ihren Blick auf Georgia, um genauer zu sein auf Augusta. Mit Golföffentlichkeit ist zu dieser Zeit die USA gemeint. Golf ist in Deutschland lediglich ein Nischensport: Der Deutsche Golfverband hatte gerade einmal 70.000 Mitglieder, mediale Berichte über den privilegierten Sport aus Übersee - so wurde Golf zu der Zeit teilweise wahrgenommen - waren eine Seltenheit. Doch das erste Majorturnier des Jahres stand an. Das US Masters fand zum 49. Mal statt, die Vorfreude war in den Vereinigten Staaten riesig. Ein Rückblick auf das US Masters 1985.
Zu den Favoriten gehörten Curtis Strange, der eine überragende PGA-Tour-Saison spielte und zwei Turniere im Vormonat des Masters gewann; der spanische Matador Seve Ballesteros, dereinst der beste Golfer Europas, zweifache Masters-Sieger und amtierender Open-Champion; Jack Nicklaus, die Legende und zu dieser Zeit 17-fache Majorsieger und Tom Watson, der das Masters ebenfalls schon zweimal zuvor gewann. Und dann war da noch dieser Deutsche, in Europa bereits bekannte und renommierte Golfer, den in den USA allerdings niemand so wirklich greifen konnte. Bernhard "Langer" oder "Länger" - wie man den Deutschen ausspricht, wusste in den Staaten niemand so recht - er war nur den Experten ein Begriff.
Langer: Nervös, aber solide zum Start
"Nervös sind glaub ich alle auf dem ersten Abschlag", gesteht Bernhard Langer im Jahre 2016, nach 33 Jahren Augusta-National-Erfahrung. Wie es ihm dann im Jahre 1985 ergangen sein muss, bei seiner erst dritten Masters-Teilnahme und mit gerade einmal sechs Wettkampf-Runden in Augusta auf dem Buckel, ist kaum auszumalen. In Europa gewann Langer bereits zahlreiche Turniere, bei der Open Championship wurde er zweimal Zweiter, in den USA war er allerdings bis zu diesem Zeitpunkt sieglos. Doch sein Auftakt im grünen Blumenmeer des Augusta National war solide. Zwar leistete er sich im Laufe seiner Auftaktrunde drei Bogeys, konnte diese aber immer wieder mit Birdies kontern und somit eine Even-Par-Runde ins elitäre Clubhaus bringen. Sein Minimalziel war es den Cut zu überstehen, der Grundstein dafür war gelegt.
An die Spitze setzte sich mit Gary Hallberg (-4) ein weitestgehend unbekannter Golfer aus den USA, gefolgt von Tom Watson (-3) auf dem geteilten zweiten Rang, der seine Favoritenrolle am ersten Tag des legendären Majors bestätigte. Jack Nicklaus (-1) lauerte auf dem geteilten neunten Rang, Seve Ballesteros startete genau wie sein Freund Bernhard Langer mit Even Par. Einzig Curtis Strange patzte aus dem Kreis der Favoriten und spielte eine desaströse 80er-Runde.
US Masters 1985: Langer wackelt und fällt zurück
Nachdem der Start geglückt war, strauchelte Bernhard Langer am zweiten Tag. Obwohl der Augusta National paradiesisch aussieht, ist er für die Golfer oftmals alles andere als ein Paradies. Vier Bogeys auf seinen ersten zwölf Löcher hatte er nur einen Schlaggewinn entgegenzusetzen. Zwar gelangen ihm auf der Back Nine noch zwei Birdies, doch ein unglückliches Bogey auf der finalen 18. Bahn stellten seinen Score auf +2. Langer verlor den Anschluss.
Denn an der Spitze ging es heiß her. Eine Dreiergruppe rund um Tom Watson führte das Feld mit einem Score von -4 an. Seve Ballesteros (-1) spielte weiterhin solide auf seinem geliebten Kurs des Augusta National und rückte auf Rang sechs vor, während Jack Nicklaus genau wie Langer eine 74er Runde spielte und den Anschluss nach ganz vorne verlor. Allerdings feuerte ein anderer aus allen Rohren: Curtis Strange. Nach seinem katastrophalen Auftakt packte ihn der Mut der Verzweiflung und er zauberte eine 65er-Runde aus der Tasche. Plötzlich lag der Amerikaner wieder gleichauf mit Nicklaus und einen Schlag vor Langer.
Strange und Langer fangen Feuer
Mit sechs Schlägen Rückstand auf die Spitze war Langers Plan für den Moving Day klar: alles auf Angriff. Doch die dritte Runde hätte für Langer kaum schlechter starten können. Er notierte Bogeys an Loch 1 und 5 und fiel damit meilenweit zurück. Dass Langer hier noch vorne angreifen könne, daran glaubte zu diesem Zeitpunkt niemand außer einer: Bernhard Langer selbst. Mit back-to-back Birdies zum Ende seiner Front Nine holte er sich die beiden verlorenen Schläge zurück, bevor er auf der Back Nine komplett aufdrehte. Er ging auf Bahn 13, einem Par 5, volles Risiko und griff nach einem langen Drive - trotz des gefürchteten Wasserhindernisses - sofort das Grün an. Es zahlte sich aus und Langer lochte den Ball mit einem dritten Schlag - Eagle. Auf den folgenden beiden Löcher legte er zwei Birdies nach und somit katapultierte sich der damals 27-Jährige auf den geteilten dritten Platz.
Diesen teilte er sich mit seinem Ryder-Cup-Buddy Seve Ballesteros, der weiterhin wie ein Uhrwerk fast fehlerfrei durch das ewige Grün des Augusta National wandelte. In Führung schoss sich, mit zwei Schlägen Vorsprung vor dem europäischen Duo, Raymond Floyd, der den Atem von Curtis Strange spürte, der nach seinem Fiasko in Runde eins völlig heiß lief und trotz seiner 80er-Runde zum Auftakt nun nur noch einen Schlag Rückstand auf die Spitze hatte.
Langer startet lahm und während Strange davonläuft
Es war angerichtet - die Bedingungen waren traumhaft. Bernhard Langer ging zusammen mit Seve Ballesteros als vorletzter Flight ins Finale, nach den beiden Europäern kam nur noch das amerikanischer Duo aus Curtis Strange und Raymond Floyd. Allerdings war es ausgerechnet Langer, der aus diesem Quartett den schlechtesten Start in die finale Runde erwischte. Gleich auf Bahn zwei verlor der Deutsche einen Schlag, während Strange und Ballesteros Birdies notierten. Strange knüpfte an seine Form der vergangenen zwei Tage an, marschierte eindrucksvoll durch seine Front Nine und stellte seinen Score auf -7. Der Amerikaner wirkte unaufhaltsam. Langer gelangen ebenfalls zwei Birdies, doch bevor es für die Konkurrenten auf die hinteren neun Löcher ging, betrug sein Rückstand vier Schläge.
Nieselregen setzte ein, allerdings war es nicht das Wasser von oben, welches dem Führenden einen Strich durch die Rechnung machte. Der fast sichergeglaubte Sieger Curtis Strange säbelte den Ball zuerst auf der 13. Bahn in den kleinen Bachlauf des Augusta National, bevor er nur zwei Bahnen später erneut baden gehen musste, um seinen Ball aus dem nächsten Wasserhindernis zu fischen. Strange wurde von dem Platz geschlagen, den er in den vorherigen 48 Stunden nach belieben beherrschte. Allerdings nicht nur von dem gefürchteten Kurs im Augusta National, sondern auch von einem komplett in rot gehüllten Deutschen. Langer ging wie er später erzählte auf der Back Nine volles Risiko. "Ich spielte die schwierigen Front Nine mit Even Par recht gut und dachte, damit ein wenig Boden gut gemacht zu haben, hatte jedoch sogar zwei Schläge auf die Führenden verloren. Ich ging also mit dem Gedanken an den zehnten Abschlag, so aggressiv wie möglich zu spielen", berichtete er später.
Bernhard Langer krönt sich im Augusta National
Ohne einen Blick auf das Leaderboard zu werfen, spielte er Birdie um Birdie. Drei an der Zahl auf den Bahnen 12, 13 und 15 - ausgerechnet an den Bahnen, die Strange zum Verhängnis wurden. Wie es seinem Konkurrenten erging, wusste er zwar nicht, doch "als ich die Zuschauer raunen hörte, weil Curtis einen Ball ins Wasser schlug, wusste ich, dass es bei ihm nicht so gut lief", rekapitulierte Langer Jahre später. "Das nächste Mal, dass ich einen Blick auf ein Leaderboard warf, war am 17. Grün. Ich hatte gerade ein weiteres Birdie gespielt und sah, dass ich zwei Schläge in Führung lag. Innerhalb von acht Bahnen hatte ich also sechs Schläge auf die zuvor Führenden gut gemacht", berichtete er weiter. Das Bogey auf der letzten Bahn des Tages fiel nicht mehr ins Gewicht. Bernhard Langer hatte es geschafft: Er gewann das US Masters 1985, durfte sich das Green Jackett überstreifen und wurde der erste deutsche Major-Champion aller Zeiten.
Bernhard Langer bekommt das Green Jacket übergestreift
Ohne ihn wäre der Golfsport in Deutschland ein anderer
Damit war Bernhard Langer, der bescheidene Sohn eines Mauers, im Golf-Olymp angekommen. In dem Sport, der in Deutschland so oft als elitär verschrien war. Die US-Amerikaner bekamen auf die Frage eines Reporters "Langer oder Länger?" endlich eine Antwort, der Deutsche Golfverband endlich sein Aushängeschild. In der Tagesschau wurde über den Triumph den 27-jährigen Deutschen bei einem der renommiertesten Golfturniere der Welt berichtet und Bernhard Langer löste mit seinem Erfolg einen Golf-Boom aus. Die Mitgliederzahlen des DGV stiegen rapide an und verdoppelten sich innerhalb der folgenden fünf Jahre von 70.000 auf über 140.000 Mitglieder. Ohne seinen Masters-Triumph 1985 wäre Bernhard Langer ein anderer - ohne Bernhard Langer wäre der Golfsport in Deutschland ein anderer.