Allmählich wird’s echt lächerlich mit dem Gewese um diese angebliche Saudi-Liga. Bislang ist der Spuk, der die Golfwelt spalten soll, bloß eine Fata Morgana. Allenfalls Kolportagen über gigantische Gagen ploppen auf wie stinkende Blasen in einem toxischen Tümpel, der gespeist wird vom „blutigen Geld“ ("Washington Post") des saudischen Public Investment Fund PIF und Riads Sportswashing-Bestrebungen. Doch einigen Golf-Gierhälsen vernebelt das offenbar endgültig die Sinne für Maß und Moral, manche drehen komplett durch.
„Lefty“ und „BDC“ als eilfertige Claqueure
Charley Hoffman beispielsweise, der bei der Phoenix Open selbstverschuldet das Opfer einer zugegebenermaßen nicht sonderlich smart angewandten Regel wurde, darob in den Sozialen Medien gegen PGA Tour und USGA auskeilte und die Saudi-Liga prompt als Hort des (Spieler-)Heils pries. Was dann übrigens umgehend Phil Mickelson und Bryson DeChambeau als eilfertige Claqueure von Hoffmans erratischem Auftritt auf den Plan rief. „Clowns“, nannte Alex Perry das Trio im „National Club Golfer“ und schrieb zum aktuellen Geschehen: „Das hat längst die Grenzen einer Parodie überschritten.“
„Glaubt Charley Hoffman etwa, dass die Saudi-Liga transparenter sein wird als die PGA Tour? Lass uns doch die Dinge beim Namen nennen: Der Grund, warum [laut Hoffmann] Spieler darüber nachdenken, das Schiff verlassen zu wollen, ist reine Gier. Es geht nur ums Geld. Die Liga und der Fonds dahinter wollen mit Sport einen schlechten Ruf rein waschen, das ist alles. Spieler, die dort hingehen, schrumpfen von selbstständigen Unternehmern zu Angestellten eines unversöhnlichen Arbeitgebers. Ich hätte echt mehr Respekt, wenn sie einfach sagen würden, worum es wirklich geht: dass sie wegen des vielen Gelds über einen Wechsel nachdenken.“
Brandel Chamblee, Ex-Profi und TV-Experte
Eben dieser Mickelson hat sich gerade mit absurden Argumenten von verletzten Medienrechten ein Alibi für die anstehende Abtrünnigkeit gebastelt, will sein Lamento als Hebel gegen’s Golf-Establishment verkaufen und kriegt mittlerweile so viel Gegenwind, dass er die Kritiker in seinem Twitter-Account einfach sperrt.
Gefasel von „Growing the Game“
Gar nicht zu reden von all dem Gefasel von „Growing the Game“ und „Ich bin kein Politiker“, von Familienfürsorge und „Freude an Gottes schöner Schöpfung“, mit dem die Horde der Handlanger vor dem diesjährigen Saudi International einmal mehr die Geduld der Beobachter strapazierte.
„Für einen, der im Spielerbeirat der PGA Tour direkt neben Commissioner Jay Monahan und dem Tour-Vorstand sitzt, waren Charley Hoffmans Kommentare wirklich enttäuschend. Es steht unserem bereits im Geld schwimmenden Sport nicht gut zu Gesicht, wenn ständig von neuen Riesensummen, von Abermillionen mehr Preis- und Antrittsgeldern die Rede ist. Die Reaktionen vieler auf derartige Offerten zeigen vor allem eine enorme Ignoranz gegenüber dem, was in der Welt passiert. Alle Diskussionen über Saudi Arabien drehen sich bisher nur ums Geld: So viel auch über ,Growing the Game’ gesprochen wird, es geht nur um Geld.“
Paul McGinley, Ex-Profi, Ryder-Cup-Kapitän von 2016 und TV-Experte
„Ich bin enttäuscht von dem, was einige Spieler von sich geben. Ich höre Multimillionäre reden: ,Ich versuche nur, meine Kinder zu ernähren’; derweil normale Menschen mit Inflation und steigenden Energiekosten kämpfen und Mühe haben, ihre Rechnungen zu bezahlen und Essen auf den Tisch zu stellen. Da kann ich nur sagen: Echt jetzt, Jungs, seid Ihr stocktaub? Da haben sich einige ziemlich weit entfernt von der Realität der Menschen, die als Fans zu den Turnieren kommen und mit ihrem Geld dazu beitragen, dass sich einige wenige die Taschen füllen können.“
Andrew Coltart, Ex-Profi und TV-Experte
Mit der heißen Luft aus der Wüste lässt sich halt selbst jeder unmaßgebliche Furz in einen Donnerschlag verwandeln. Greg Norman, der mit seiner LIV Golf Investments als Impresario der Invasoren fungiert, und die Sympathisanten der Saudis bedienen das weidlich, nutzen jeden noch so geringe Missstand auf der PGA Tour, um mit der Saudi-Fahne zu winken und die angebliche Alternative schön zu reden.
DeChambeau dementiert sofortige Abkehr von PGA Tour
So werden dann Gerüche zu Gerüchten: Auf einmal sollen Bryson DeChambeau statt 135 gar 240 Millionen Dollar für ein mehrjähriges Gastspiel im Formel-1-ähnlichen Konkurrenz-Circuit geboten worden sein, und sowieso wolle BDC per sofort gar nicht mehr auf der PGA Tour spielen. Beides hat der 28-Jährige übrigens umgehend dementiert.
Trotzdem will der prominente Coach Jim McLean aus irgendwelchen Quellen erfahren haben, dass DeChambeau bereits von den Saudis angeheuert worden sei und dennoch das Masters, die US Open und die Open Championship spielen dürfen. Mickelson werde alsbald folgen, posaunte McLean via Twitter hinaus und fand selbstredend umgehend jede Menge Trittbrettfahrer.
In dem ganzen Wirrwarr und zwischen all den von Geldgeilheit motivierten Fake-News gibt es glücklicherweise noch ein paar Leute, die weiterhin halbwegs sauber ticken. Kommentatoren wie Brandel Chamblee etwa, der die „Bauchredner-Puppe“ Mickelson und seine falschen Zahlen im „Golf Channel“ widerlegte, noch bevor die PGA Tour sich zu einer Stellungnahme aufraffte.
„Geldgierig, illoyal, undankbar und Prostitution“
Oder Chamblees „Sky Sports“-Kollege Tony Johnstone, der sich via Twitter Luft machte: „Du arbeitest 20 und mehr Jahre in einem Job, den du liebst; verdienst 20 bis 100 Millionen, kriegst eine Pension, die für zwei Leben reicht, und kriegst selbst dann noch haufenweise Geld, wenn du deinen Leistungszenit längst überschritten hast“, schrieb der Veteran aus Simbabwe. „Doch statt dem Unternehmen dankbar zu sein, dass dir all dies möglich macht, werden Bullshit-Storys erfunden, um die Tatsache zu verschleiern, dass du geldgierig, illoyal und undankbar bist und dich prostituierst, sobald ein besseres Angebot kommt. Ist das wirklich ,Growing the Game’ oder nicht doch einfach die pure Gier skrupelloser, käuflicher Söldner?“ Danke für diese klaren Worte!
„Die Unbestechlichen“ Woods, McIlroy, Rahm, Koepka
Und nicht zuletzt sind da jene Spieler, die den Saudis längst einen Korb gegeben haben. Nennen wir sie „Die Unbestechlichen“: Tiger Woods allen voran, Rory McIlroy, Jon Rahm oder Brooks Koepka. Geld kann halt doch stinken, um beim Eingangsbild zu bleiben. Auch Jungstars wie Collin Morikawa oder Viktor Hovland zeigen sich bislang weitgehend unbeeindruckt von den unmoralischen Angeboten. „So weit ich sehe, halten es die meisten der maßgeblichen Spieler weiterhin mit der PGA Tour“, sagte Morikawa am Rand des Genesis Invitational.
„Ich unterstütze Phil als Freund, aber ich stimme nicht mit allem überein, was er gesagt hat. Ich bin 27 Jahre alt und habe hoffentlich noch eine lange Karriere auf der PGA Tour vor mir. Die PGA Tour leistet großartige Arbeit. Ich bin wirklich dankbar für das, was sie getan haben, und schätze mich glücklich für das Leben, in dem ich mich befinde.“
Jon Rahm
„Es gibt an meiner Haltung nichts zu rütteln, sie ist schon lange klar: Ich bin und bleibe bei der PGA Tour. Sie machen die Dinge richtig und sind Leute, mit denen ich Geschäfte machen möchte. Ich bin froh und glücklich da, wo ich jetzt bin. Thema erledigt. Punkt.“
Brooks Koepka
Es fehlt der „Sex-Appeal möglichst vieler Stars“
Damit reduziert sich das „Horrorszenario“ Saudi-Liga auf eine ganz simple Rechnung. Aus den Top-Ten der Welt ist allenfalls Dustin Johnson zum Überlaufen bereit, dazu kommen Feldfüller wie Mickelson oder vielleicht Lee Westwood, Ian Poulter und Henrik Stenson – klangvolle Namen, aber sämtlichst am Rand des sportlichen Verfallsdatums, bei allem Respekt. Derweil drängen auf der PGA Tour immer mehr „Young Guns“ nach vorn, die sich dort ihre Meriten und ihren Platz in der Geschichte des Golfsports erobern wollen. „Für deren Ambitionen und Perspektiven ist eine andere Liga eher schädlich“, sagt beispielsweise der europäische Tour-Veteran Richard Bland.
Aber genau diese Akteure, den „Sex-Appeal möglichst vieler Stars“ (Bland), brauchen die Saudis für ein attraktives Arrangement. Weniger, um Geld zu verdienen – davon haben sie ohnehin genug –, denn als Anreiz für die wirklich zugkräftigen, weil ambitionierten Spieler, die sich nun mal mit Ihresgleichen messen wollen.
Majors, Ryder Cup und pekuniäre Polster
Doch die Majors und der Ryder Cup sind halt das Pfund, mit dem das Establishment wuchert, auf das es sich weiterhin verlassen kann. Überläufern droht der Ausschluss; da geht’s nicht um juristisches Gerangel in Sachen freie Wahl des Arbeitsplatzes, sondern schlicht ums Hausrecht.
Für den Rest sorgen pekuniäre Polster wie das Player Impact Program, der erneut gepimpte FedEx-Cup oder die gepushten Preisgelder. Auch die traditionellen Touren können Schubkarren voller Schotter heran karren. Und eine Tingeltour namens Herbsttournee, das Schaulaufen der Stars in geschlossenem Kreislauf während der Off-Season, wird ebenfalls kommen. Da wird der Spielraum für die Saudis im Wortsinn knapp.
Was sagen eigentlich die Sponsoren?
Noch gar nicht thematisiert wurde, was eigentlich die jeweiligen Ausrüster und Sponsoren sagen, wenn eines ihrer Schäfchen die Seiten wechselt und sich mit einem Regime von mehr als fragwürdiger Reputation gemein macht, dessen Weste von Mord, Menschenrechtsverletzungen und sonstige Missständen besudelt ist? In diesem Zusammenhang sei Sportart übergreifend auf die Fragen hingewiesen, denen Lacoste angesichts des Australian-Open-Theaters um Tennis-Zugpferd Novak Djokovic aka „Novax DjoCovid“ ausgesetzt war.
Beschränkte Medien-Reichweite für's Sportswashing
Auch die TV-Medien sind ein Aspekt. Ja, Übertragungen kann man in Eigenproduktion erstellen, Kanäle und Sendezeiten kaufen, wie es schon beim Saudi International der Fall war. Doch die Reichweite ist beschränkt. Und die etablierten Anstalten stehen in langjähriger Verbundenheit und per vertraglicher Verpflichtung einstweilen und bis auf sehr weiteres hinter PGA und DP World Tour – nicht sehr förderlich für's angestrebte Sportswashing.
„Ich bin echt gespannt, was passiert und wer sich entscheidet, wo zu spielen. Meiner Meinung nach wollen alle Spitzenleute im direkten Wettbewerb gegeneinander antreten und sich miteinander messen – egal, wo der stattfindet.“
Patrick Cantlay zum sportlichen Wert einer Saudi-Liga
Deswegen jetzt die steile These: Aus dem Super-Duper-Saudi-Sportswashing-Spektakel wird nichts, es bleibt ein Popanz ohne wirkliche Substanz, allenfalls eine Schwalbe, die noch keinen Sommer macht. Jeder Sport lebt vom Wettbewerb, von frischem Blut, von „Charts-Stürmern“ und Außenseitersiegen, vom Mythos der Top-Turniere.
Nicht nur Rory McIlroy fragt sich, wie es wohl um den Wettbewerbscharakter, den sportlichen Stellenwert und die Motivation der Matadore bestellt ist, wenn ständig dieselben 30 oder 40 Akteure im Kreis gegen sich selbst spielen: „Ich bin nicht sicher, wie hart der Wettstreit ist, wenn schon im Vornherein feststeht, dass garantiert jeder Geld kriegt und zudem vorab weiß, wieviel.“
Einfach gehen lassen, wenn’s doch woanders besser ist
So gesehen wirkt die Saudi-Liga derzeit wie der Scheinriese Herr Tur Tur in Michael Endes Kinderbuch-Epos „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“: Je näher man kommt, desto kleiner wird das vermeintliche Schreckgespenst.
Vielleicht sollte man die Wechselwilligen einfach gehen lassen, wenn doch woanders offenbar alles besser wird. Der Verlust dürfte verschmerzbar sein. Ein paar eh Reiche werden auf ihrem Irrweg in die Isolation noch reicher, sei’s drum. Ein Schisma, die Spaltung des Golfbetriebs, droht nach derzeitigem Erkenntnisstand jedenfalls keineswegs. Und sofern nicht alsbald was Substanzielles folgt, das über eine mögliche Einbettung in die Asian Tour hinausgeht, wird die Nummer allenfalls zur Jungsenioren-Liga und mithin definitiv zum Rohrkrepierer.