Walter Hagen hat mal gesagt: „Du bist nichts, wenn du nicht die Open gewonnen hast.“ Mit dieser Einschätzung befindet sich der elffache amerikanische Major-Sieger in bester Gesellschaft. Alle großen Golfer der Geschichte haben mindestens einen British-Open-Sieg in ihrer Palmarès.
Erster US-Sieg vor genau 100 Jahren
Aber es vergingen 55 Auflagen, bis vor 101 Jahren mit dem eingebürgerten Jock Hutchison und im Jahr darauf mit dem „echten“ Ami Hagen (1922) die ersten US-Golfer die berühmte Rotwein-Kanne Claret Jug in Händen hielten. Unterdes hatten die eingewanderten oder als Attraktion über den großen Teich geholten Golfer von den britischen Inseln schon 18 Mal die US Open gewonnen. Wiewohl in St. Andrews geboren und damals sogar auf dem Old Course zum Champion Golfer of the Year gekürt, deklarierte Hutchinson in der Siegerrede seine Leistung umgehend zum großen amerikanischen Triumph.
Skurriles Turnier der spleenigen Briten
The Open Championship ist das älteste Major der Welt und steht den drei „Kollegen“ in den USA in Nichts nach. Doch die Amerikaner mit ihren eigenen Golf-Hoheit USGA hatten bis in die 1970er-Jahre ein eher ambivalentes Verhältnis zu dem für sie skurrilen Turnier der spleenigen Briten und ihres Royal & Ancient auf knochentrockenen, furchigen und vom Küstenwetter zerzausten Sandwiesen.
Nicht von ungefähr gab‘s zwischen Sam Sneads Sieg 1946 in St. Andrews und Arnold Palmers Triumphen 1961 in Royal Birkdale und 1962 in Royal Troon nur den 1953er-Erfolg von Ben Hogan in Carnoustie. Ansonsten waren das vor allem die Jahre des großen Australiers und Seriensiegers Peter Thomson – 1954 Royal Birkdale, 1955 St. Andrews, 1956 Royal Liverpool, 1958 Royal Lytham & St Annes, 1965 Royal Birkdale – und des legendären Südafrikaners Bobby Locke, der 1949 auch auf dem letztjährigen Schauplatz Royal St. George‘s im englischen Sandwich und 1957 auf der „Grand Old Lady“ Old Course die erste und die letzte seiner insgesamt vier Open gewann.
Zwischendrin sicherte sich 1960 noch Thomsons Down-Under-Landsmann Kel Nagle in St. Andrews die 89. Auflage vor Open-Debütant Palmer. Und es war die Zeit, in der ein gewisser Gary Player mit dem Sieg von Muirfield 1959 den ersten von drei Open- und insgesamt neun Major-Titeln holte. US-Akteure freilich suchte man auf den Leaderboards zumeist vergeblich, erst recht ganz oben.
„Golfen auf einem anderen Planeten“
„Die Open zu spielen war wie Golfen auf einem anderen Planeten“, notierte US-Autor Curt Sampson in seinem Meisterwerk „The Eternal Summer“ über das Golfjahr 1960. Hogan nannte es „bounce golf“ und wunderte sich über die oft fehlenden Abgrenzungen der Fairways: „Man schlägt und weiß nie, wohin der Ball springt, wenn er aufkommt.“ Das war nichts für die Amis und ihr Zielgolf auf manikürten Plätzen mit dichtem Gras-Flor.
Ein Major als potenzielles Verlustgeschäft
Mehr noch: Die Open war für die Vertreter des merkantilen Amerika, wo das Sportmarketing erfunden und Golf mit Big Business verknüpft wurde, ein potenzielles Verlustgeschäft. Es lohnte sich einfach nicht. Als der Engländer Max Faulkner beispielsweise vor 71 Jahren das erste Major auf den Dunluce Links von Royal Portrush gewann, wo 2019 dem Lokalmatadoren und aktuellen Titelverteidiger Shane Lowry der große Wurf gelang, bekam er dafür 300 englische Pfund, nach heutigem Kurs 351 Euro – wie Locke zwei Jahre zuvor. Insgesamt lagen gerade mal 1.700 Pfund (1.989 Euro) im Topf, 1949 waren es noch lediglich 1.500 (1.755 Euro).
Alle mussten durch zwei Tage Quali
The Open Championship war halt zuvorderst eine Sache der Ehre und des Spirit of the Game. 1959 waren in Muirfield 5.000 Pfund Preisgeld ausgelobt, und Player bekam davon glatt 1.000; 1961 gab’s in Birkdale wenigstens schon 8.500 Pfund – und 1.400 für Sieger Palmer. Gleichwohl immer noch Peanuts, wenn auf der US-Tour bei jedem 08/15-Turnier mindestens 25.000 Dollar bereit lagen und die amerikanischen Majors das Zweieinhalb- bis Dreifache dessen auslobten.
Zudem war ungewiss, ob man überhaupt ums Open-Preisgeld mitspielen durfte. Bis 1966 hatten nämlich nicht mal der jeweilige Titelverteidiger oder die amtierenden Masters- und US-Open-Sieger ein Startrecht. Jeder British-Open-Aspirant musste durch eine zweitägige Qualifikationsmühle.
Ein Etwas namens Golfplatz
Was da auf die Gäste aus der Neuen Welt wartete, hat Curt Sampson am Beispiel 1960 anschaulich beschrieben: „Nach einem langen Flug nach London und einem weiteren nach Glasgow oder Edinburgh geht‘s per Leihwagen auf der falschen Straßenseite durchs Nirgendwo nach St. Andrews. Es folgen ein paar vom Winde verwehte Übungsrunden auf etwas namens Golfplatz, das man daheim so niemals sehen würde.
Dann das Qualifikationsturnier gegen mindestens 200 Örtliche namens Ian, die alle Experten im britischen ,Viehweiden-Billard‘ sind. Im Siegfall kriegt man 140 Dollar und darf mit ebenso vagen Aussichten am Major teilnehmen. ,Zur Hölle damit!‘, sagten sich die US-Pros.“
Britischer und US-Ball: 1,52 Millimeter Unterschied
Und dann war da noch der Ball. R&A und USGA „spielten“ bis 1974 unterschiedliche Kugeln. Nur 1,52 Millimeter Diskrepanz im Durchmesser bei gleichem Gewicht: Aber mit dem kleineren britischen Ball war Golf ein ganz anderes Spiel, zumal auf den eh ungewohnten Open-Links.
Große Reise, kleiner Ball, viel Wind, wenig Geld: Es musste einer schon gute Gründe haben, sich das alles anzutun. Die besten US-Golfer fuhren damals zur British Open, um sie ihrer Major-Sammlung einzuverleiben. Für die Jones, Armour, Sarazen, Snead, Hogan und Palmer war es Ehrensache, sich mit den Erfindern des Spiels auf deren Boden zu messen. Für alle anderen war dieses Major vor allem „kapital“ beschwerlich und kostspielig.
Palmer hauchte der British Open neues Leben ein
Zuvorderst Arnold Palmer gebührt das Verdienst, der Open Championship neues Leben eingehaucht haben. Sein Vater Milfred „Deacon“ Palmer, der Club-Pro in Latrobe/Pennsylvania, trichterte ihm ein, was zuvor schon Walter Hagen formuliert hatte: „Wenn Du als Golfer was zählen willst, musst Du die Herausforderung Open bestehen.“ Der „King“ nahm sie erstmals 1960 an, wurde – wie erwähnt – Zweiter in St. Andrews und machte das Turnier mit seinen Triumphen in den beiden Folgejahren in den USA wieder publik sowie bei den Kollegen begehrenswert.
Ein Jack Nicklaus, Lee Trevino oder Tom Watson kamen im Sinne der eigenen Glorie anfangs gar nicht umhin, Palmers Spur zu folgen und sich ebenfalls der British Open zu stellen. Damit hatte das weltälteste Major seine Renaissance – und wirkt heuer bei seiner 150. Auflage, trotz aller Traditions-Pusseligkeit auf und rund um den Old Course, alterslos-lebendiger, zudem mit seinem Purismus angemessener denn je.