Im Kinder– und Jugendbereich wird insbesondere von Eltern gerne über Talent gesprochen. Zu oft ohne zu wissen, wovon hier wirklich die Rede ist. So musste ich in meiner Laufbahn schon häufiger feststellen, dass in vielen Fällen eher der Wunsch der Vater des Gedankens ist und man sein Kind einfach Kraft eigener Entscheidung und nach eigenen Maßstäben zu selbigem erklärt. Es ist überhaupt nichts Verwerfliches daran, stolz auf sein Kind zu sein und ihm das auch mit auf seine Reise zu geben. Jedoch gibt es Unterschiede zwischen tatsächlichem und herbeigesehntem Talent.
Aber gehen wir ein Stück zurück und versuchen, die Begrifflichkeit besser greifbar zu machen. So sagt die Lehre, dass mit Talent oder Begabung eine besondere Leistungsvoraussetzung einer Person auf einem bestimmten Gebiet bezeichnet wird. Bei dieser Leistungsvoraussetzung handelt es sich üblicherweise um eine oder mehrere überdurchschnittliche Fähigkeiten.
Talent ist eine besondere Voraussetzung
Für viele Eltern ist mitunter das Kind aber schon dann ein Talent, wenn es ein paar Bälle trifft und diese in eine „ungefähr“ anvisierte Richtung fliegen. Natürlich ist dies für alle beteiligten schön, aber reicht das alleine aus?
Erneut: Golf ist ein toller Sport und ich arbeite mit jedem Kind auf der Anlage gerne, was Interesse an unserem Sport zeigt. Aber wir sollten immer darauf achten, in welchem Bereich wir uns befinden, wohin das Kind will und wohin die Eltern mit dem Kind wollen.
Die Aussage ‚Mein Kind hat Talent, wird später mal ein Großer und verdient damit sein Geld‘, hören wir als Trainer oft.
Talent allein ist nicht genug
Jeder fängt klein an und kämpft sich dann mit vielen Hindernissen auf sein nächstes Level. Seit zwei Jahren habe ich das Glück auf internationalen Turnieren mit einem meiner jugendlichen Schützlinge unterwegs sein zu dürfen. Alle Kinder, die dort spielen, bringen die Voraussetzungen für einen sehr guten Golfer mit, doch nur die wenigsten werden den Sprung zu den Profis schaffen. Denn neben tatsächlichem Talent braucht es noch weitere Grundbausteine wie z.B.: Selbstdisziplin, Trainingsfleiß, Motivation, Technikaffinität. Auf ein paar Bausteine möchte ich näher eingehen:
Technik ist ein großer Bestandteilteil meiner Arbeit (auch schon in jungen Jahren), denn die Technik ist die Basis allen Handelns, um später variabel und dennoch konstant zu bleiben. Hier gibt es durchaus die verschiedensten Trainingsansätze, welche für das jeweilige Kind richtig gewählt werden müssen. Techniktraining, um den Schwung von Anfang an in die richtige Richtung zu trainieren vs. erstmal die Grundbausteine stärken oder mehr spielerisch an verschiedene Themen ran gehen. Wichtig ist herauszufinden, wie ihr Kind lernt und welche Art des Trainings von Vorteil ist.
Am schwersten für Kinder in jungem Alter ist die Selbstdisziplin. Jeder kennt das: Sich auf die Range zu stellen und Bälle zu schlagen ist mühsam und langweilig. Hier gilt es für uns als Trainer verschiedenste Anreize zu schaffen, damit die Kinder außerhalb des regelmäßigen Trainings Lust zum Üben haben und auf die Anlage kommen. Aber wir können nur Anreize schaffen, die zugehörige Motivation sich darauf einzulassen und tatsächlich etwas zu tun, kann nur vom Kind kommen.
Förderung kann zur Belastung werden
Zu unserm Sport gehört es insbesondere, mit den Höhen und Tiefen fertig zu werden und zu lernen, mit Niederlagen umzugehen - manchmal noch mehr für die Eltern. Auch, wenn Ihr Kind nicht alle Turniere gewinnt, kann es ein Talent sein.
Achtung liebe Eltern: Die Übermotivation kann auch ins Negative kippen. Da liegen die Wunschvorstellungen von Kind und Eltern oft so weit auseinander, wie ich es auf den erwähnten internationalen Turnieren immer wieder sehe. Eltern versuchen alles aus ihren Kindern herauszuholen, um die eventuell vorhandene Begabung weiterzuentwickeln. Dabei sollte das Kind hier gerne und ohne zusätzlichen Druck auf die Runden gehen, da allein eine Qualifikation für ein solches Turnier schon eine fantastische Leistung ist.
Aber die Erwartungen beider Parteien sind leider häufig unterschiedlich hoch gesteckt, damit zu weit voneinander entfernt und führen oft zur Demotivation.
Für uns als Trainer ist es wichtig, die Entwicklung Ihres Kindes in allen sportrelevanten Bereichen mit zu stärken und weiterzuentwickeln. Aber für den Erfolg braucht es mehr als nur Talent. Manchmal sollten wir einen Schritt zurück machen und einfach nur genießen, was die Kinder zeigen.
Lieber Herr Kuhl,
der Artikel ist zwar schon über 6 Jahre alt, aber er hat nichts von seiner Aktualität eingebüßt. Als Vater eines 14-jähringen Sohnes, der Golf als Leistungssport betreibt, und als ehemaliger Captain einer Jugend-Leistungsmannschaft kann ich ihre Ausführungen voll und ganz bestätigen. Es scheint oft, dass Eltern beim Blick auf ihre Kinder die Rationalität abhandenkommt. Häufig spielen die Kinder in Leistungsmannschaften, weil die Eltern es möchten und nicht weil es der Wunsch der Kinder ist. Wenn die Kinder dann in der Mannschaft nicht bestehen, dann liegt es am Umfeld.
Häufig glauben Eltern auch, keinen Druck auf ihr Kind auszuüben und ich denke tatsächlich, dass die meisten es auch nicht bewusst tun. Aber alleine der teilweise übergroße Stolz der Eltern reicht oft schon, um das Kind zu belasten. Auf keinen Fall will es die Erwartungen der Eltern enttäuschen. Selbst wenn diese nicht direkt formuliert werden, so spürt das Kind die unterschwellige Erwartung natürlich. Wie soll man so mental frei auf den Platz gehen? Besonders schlimm wird es, wenn für gute Ergebnisse Belohnungen ausgelobt werden. Ich habe leider wiederholt beobachten müssen, dass derart „inzentivierte“ Kinder und Jugendliche dann ihre Scores sogar manipulieren. Eine solche Rufschädigung hängt den Kindern dann ewig an.
Wenn Eltern ihre Kinder für begabt halten, sollten sie die Einschätzung, ob dies auch wirklich so ist, neutralen Fachleuten überlassen. Und sollten diese ebenfalls Potenzial in dem Kind sehen, dann sind Eltern sehr gut beraten, wenn sie die sportliche Begleitung des Kindes ebenfalls experten überlassen und sich selbst auf das Schaffen guter Rahmenbedingungen beschränken.
Wie Sie am Ende Ihres Artikel sehr richtig schreiben: „Manchmal sollten wir einen Schritt zurück machen und einfach nur genießen, was die Kinder zeigen.“ Der Rest findet sich oder eben nicht. Erzwingen kann man es nicht.
Michael Klotz