Sechs Fahnen flattern im Wind, der vom Atlantik hereinweht. Sechs Grüns buhlen um den Ball, der sich in alle Himmelsrichtungen spielen lässt. Man hat irgendwie die Qual der Wahl hier auf dem Wee Course von The Machrie. Der Kurzplatz ist keine Alternative zum mehr als 130 alten Linkskurs, der sich auf der Hebrideninsel Islay bis zum Meer erstreckt und dem der englische Golfprofessional David J. Russell in den 2010er-Jahren eine zeitgemäße Attitüde verliehen hat. Aber eine mehr als nette Ergänzung. „Die Herausforderung für unsere Shaper bestand darin, jedes Grün von jedem Abschlag aus zugänglich zu machen“, sagt Russell über den Wee Course (wee, schottisch für klein). „Die die meisten Kurzplätze sind voller Bunker und kleiner Grüns, die man nur mit viel Geschick spielen kann. Der Wee Course hingegen ist ohne Bunker, hat als Rough nur einen Second Cut und ist damit der perfekte Ort für Interessierte, Neueinsteiger und Kinder, um erste Erfahrungen mit Linksgolf zu machen.“ Und fürs Training mit den Wedges sowieso.

Aus allen Richtungen bespielbar: Der Wee Course von The Machrie auf Islay. (Foto: Phil Inglis für Another Place, The Machrie)
Kunstwerke des Kleinfeldbaus
Kurzplätze haben sich als exzellente Möglichkeit erwiesen, den Zeit- und den Spaßaspekt gleichermaßen zu bedienen. Die Schöpfungen der Neuzeit bestehen auch keineswegs mehr aus ein paar Grüns, die irgendwo am Rand der Anlage lieb- und leblos in die Wiese gemäht wurden, um den letzten Rest verfügbaren Raums zu nutzen und all die abzuschieben, die ansonsten bloß den Betrieb aufhalten.
Ganz im Gegenteil. Moderne Kurzplätze sind vielmehr Kunstwerke des Kleinfeldbaus – mit modellierten Spielbahnen, hochwertigen Grüns, Bunkerkomplexen, Wasserhindernissen, Beregnung etc. Die Optik ist bestechend und täuscht gern einen Schwierigkeitsgrad vor, der im Spiel dann doch lösbare Aufgaben beschert – allein schon, weil nicht mit den langen Stecken hantiert werden muss, um erst mal Strecke zu machen. Stattdessen sind es unterhaltsame und spielbare Ensembles, bei denen der Spaß mit vertretbarem Zeitaufwand im Vordergrund steht, aber auch der sportliche Anspruch nicht zu kurz kommt.
„Kurzplätze sind der letzte Schrei im Golf“
Die Namen sind Programm: Wee Course eben. Oder Shorty’s, Sandbox, The Wedge, The Squeeze, Oasis, Little Links. Was da in den vergangenen Jahren entstanden ist und aktuell entsteht, erinnert an ein Remake des Goldenen Zeitalters der Golfplatzarchitektur, als Genies wie Donald Ross, Albert Warren Tillinghast, Charles Blair Macdonald, Alister MacKenzie, Harry S. Colt oder Seth Raynor mit ihren Werkstücken Gestaltungsprinzipien von zeitloser Gültigkeit definierten. „Kurzplätze sind der letzte Schrei im Golf“, titelte Anfang vergangenen Jahres das Portal GolfPass. Gut designte Kurzplätze adressieren die apokalyptischen Reiter des Golfsports: Geld, Zeit, Kompliziertheit, Coolness.
Spielwiesen in bestem Sinne
Die Amerikaner machen vor, dass Kurz- oder Executive-Kurse und variable Anlagen, die für unterschiedliche Anforderungen konfigurierbar sind, Spielwiesen in bestem Sinne sein können. Der Short Course des ewigen Superplatzes Pine Valley in New Jersey und Bandon Preserve im Oregon-Resort von Mike Keiser waren 1992 beziehungsweise 2012 Auslöser eines Booms und Vorreiter einer fast eigenständigen Designdisziplin. Nach Angaben der National Golf Foundation haben Neun-Loch- und Kurzplätze einen Anteil von 50 Prozent an den seit 2015 in den USA neu eröffneten Golfplätzen. Aktuell sind rund zehn Prozent aller US-Golfkurse Par-3- oder Hybridplätze (1.538, davon rund 700 Par-3-Plätze, Quelle: National Golf Foundation).
Tiger Woods: „Jedermann kann so am Spiel teilhaben“
Tiger Woods baute 2016 im Rahmen seines Designprojekts El Cardonal at Diamante im mexikanischen Cabo San Lucas einen Kurzkurs namens The Oasis, weil „ich unterhaltsame, spielbare Kurse kreieren will, die Geselligkeit fördern und Golfer zurück zum Spiel bringen“. Und: „Eine Golfrunde ist mittlerweile kaum in weniger als fünf Stunden möglich. Warum brechen wir solche Dinge nicht einfach auf?“, fragte der Superstar bei der Oasis-Eröffnung. „Auf einem richtig guten Kurzplatz spielen wir schneller, haben mehr Spaß in einer tollen Umgebung. Auf diese Weise kann jedermann am Spiel teilhaben, üben und lernen, ohne von einem großen Platz überfordert zu sein.“ Die zwölf Grüns von The Oasis sind per Pitch&Putt in nur einer Stunde zu bewältigen. Alternativ wird der Kurs zum Drei-Loch-Platz mit einem Par 3, einem Par 4 und einem Par 5, der sich ebenso flott absolvieren lässt.
„Die Zukunft des Golfspiels ist Spaß!“
Der Satz der Sätze freilich stammt von Gil Hanse, der 2017 im ikonischen US-Resort Pinehurst (North Carolina) mit The Cradle – die Wiege, wie bezeichnend – ein spektakuläres Stück Landschaftsarchitektur konzipierte und anschließend postulierte: „Die Zukunft des Golfspiels ist Spaß!“
So wird Golf sexy: Wenn coole Locations fernab des tradierten Clubtreibens den Erlebniswert garantieren, der Interessierte lockt und Adepten am Schläger hält. „Golf ist ein derart schwieriges Spiel, dass wir alles daran setzen müssen, die erste Begegnung mit dem Sport zu einem Vergnügen und einem Zugewinn an positiven Aspekten zu machen“, hat Gil Hanse bei Golf.com proklamiert. Es braucht mehr Entertainment und Spektakel, weniger witzlose Wiese.
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Alle arrivierten Architekten sind aktiv
Die Beletage der Branche widmet sich dem Sujet mit Hingabe, alle arrivierten Architekten haben längst ihre Visitenkarten abgegeben: Hanse, das kongeniale Designerduo Bill Coore/Ben Crenshaw, der brillante Tom Doak. Vor drei Jahren reüssierte Tiger Woods auf dem Gelände der ikonischen Pebble Beach Golf Links an Kaliforniens Küste mit The Hay, einem Redesign der Vision von Peter Hay. Der Head Professional war eine lokale Berühmtheit und ein Vordenker; er entwickelte bereits 1957 das Konzept kürzerer Kurse, „um einen Ort zu schaffen, an dem sich Jugendliche, Familien und Freunde unabhängig von ihren Fähigkeiten rund um das Golfspiel treffen können“, wie er damals formuliert.
Woods ließ Hays ursprüngliches Werk in neuem Glanz auferstehen – samt eines exakten Nachbaus von Pebble Beachs spektakulärer Sieben mit dem Grün über dem Pazifik, das zu den berühmtesten Par-3-Löchern der Welt zählt. Laut dem Portal MyGolfSpy werden auf The Hay jährlich 60.000 Runden gespielt.
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„Wir wollen das Spiel frisch und aufregend halten“
Im vergangenen Jahr setzte sich das große Kino auf kleiner Fläche mit neuen Blockbustern fort, um im Bild zu bleiben. Auf den ohnehin hochgelobten Cabot Citrus Farms in Florida ist The 21 entstanden, ein 21-Loch-Zweiteiler aus der Feder von Mike Nuzzo, dessen zwei Schleifen sich separat oder in Serie spielen lassen, jedoch immer ein buntes Potpourri aus Lochlängen, Strategien und Stilen darstellen: The Wedge sind elf extrem kurze Löcher mit wüst ondulierten Grüns, The Squeeze verläuft als ausgedehnteres Zehn-Loch-Ensemble drumherum. Die kürzeste Spielbahn misst knapp 78 Meter, die längste 512 Meter. „Wir wollen das Spiel immer frisch und aufregend halten“, sagt dazu Ben Cowan-Dewar, der Chef von The Cabot Collection.
Wenn das Areal kein reguläres Routing zulässt
Sowieso, neben den Kurzplätzen selbst sind gleichermaßen Arrangements mit einer absonderlichen Anzahl von Löchern im Trend, seit Tom Fazio 1992 die zehn Löcher des Short Course von Pine Valley sowie Bill Coore und Ben Crenshaw 2012 die 13 Löcher von Bandon Preserve geschaffen haben. Weitere Beispiele sind die 17-Loch-Sandbox in Sand Valley (Wisconsin), ebenfalls von Coore/Crenshaw, oder David McLay Kidds Quicksands im Gamble-Sands-Resort (US-Bundesstaat Washington).
Ebenfalls im pazifischen Nordwesten ist das Puristen-Golfparadies Bandon Dunes um die nächste, nunmehr siebte Spielwiese gewachsen. „Shorty’s“ sind 19 Löcher, keines länger als 160 Meter, das kürzeste hat gerade mal 50 Meter. Shorty’s wurde von den Architekten Rod Whitman, Dave Axland und Keith Cutten in die Geländeverwerfungen am Rand der ersten Bahnen von Bandon Trails gepflanzt. Das zerfurchte Areal hätte kein reguläres Routing zugelassen, für einen Par-3-Parcours freilich ist es perfekt.
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Kraft und Länge aus der Gleichung genommen
Auf dem Gelände von Streamsong in Florida wiederum wurde The Chain offiziell für den Spielbetrieb freigeben. Coore und Crenshaw haben auch hier das Vertrauen bekommen und sich für den vierten Kurs des Resorts etwas Besonderes einfallen lassen; sie entwarfen 19 kurze Löcher mit flexiblen Tee-off-Bereichen, deren Anfang und Ende jeweils durch Schleppketten markiert sind. Die geben dem Platz seinen Namen und sind ein Relikt aus der Geschichte des Geländes als Phosphatmine. Entlang der Ketten kann an jedem beliebigen Punkt abgeschlagen werden, beispielsweise entweder mit einem langen Carry-Schlag über Ödland oder derart kurz, dass selbst vom Tee der Putter reicht.
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So ungewöhnlich die Umsetzung in diesem Fall ist, so verbindlich ist die generelle Herangehensweise. „Wenn man Kraft und Länge aus der Gleichung nimmt, macht Golf für eine weitaus größere Gruppe von Spielern viel mehr Spaß“, erläutert Bill Coore. „Und aus architektonischer Sicht können wir interessantere Dinge tun, insbesondere auf den Grüns und um die Grüns herum.“

Kunstwerke des Kleinfeldbaus: The Little Links im Golf Club Dresden Herzogswalde. (Foto: Michael F. Basche)
Best Practices in Herzogswalde und im Weimarer Land
Auch in Deutschland existieren entsprechende Blaupausen oder Best Practices. Innovative Betreiber und kreative Architekten ziehen nach und schaffen Alternativen zur immer noch weit verbreiteten Tristesse auf der Kurzplatzkarte. Christian Althaus (Düsseldorf) hat im Rahmen der Erweiterung des Golf Clubs Dresden Herzogswalde mit Little Links einen anspruchsvoll gestalteten Championship-Kurs en miniature implementiert, über den Herzogswaldes Head-Pro Nick Cole sagt: „Spaßfaktor und sportlicher Anspruch müssen kein Widerspruch sein. Unser Platz ermöglicht hohen Handicappern schöne und schnelle Erfolgserlebnisse, andererseits ist es trotzdem eine Herausforderung, Pars oder gar Birdies zu machen.“
Und Achim Reinmuth von Städler & Reinmuth Golfdesign (Münster) beispielsweise hat die beiden 18-Plätze Feininger und Goethe im Spa & GolfResort Weimarer Land 2022 um die neun Kurzbahnen des Königin Luise Course ergänzt, die sich bis in den Waldsaum am Rand des Resorts erstrecken.

Alles wie beim „echten Golf“: Der Königin Luise Course im Spa & GolfResort Weimarer Land. (Fotos: Michael F. Basche)
„Echtes Golf" mit Bonus als Hoffnungsträger der Golfentwicklung
Fazit: Moderne Kurzplätze sind „echtes Golf“ mit dem Bonus, dass es einfacher zu spielen ist, weniger kostet und weniger Zeit erfordert. Aus den einstigen Stiefkindern vieler Golfanlagen werden so Hoffnungsträger der Golfentwicklung.