Zu viel lästige Werbung? Mit Golf Post Premium genießt Du alle Inhalte werbefrei. Anzeigen entfernen
Golf Post Premium Panorama

Schreckensvision: Versinkt der Old Course in 80 Jahren in der Nordsee?

27. Apr. 2020 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

Küstenerosion bedroht die ikonischen Linkskurse in Schottland. (Foto: David Basche)

„Baue Golfplätze im Einklang mit der Natur!“ So hat es der legendäre amerikanische Architekt Albert Warren Tillinghast mal in Stein gemeißelt. Es ist das alte, das authentische Prinzip: Layout und Design der Landschaft anzupassen, nicht umgekehrt, trotz all der von Bulldozer und Bagger ermöglichten Kurse. Manchmal allerdings holt sich die Natur zurück, was der Mensch ihr abgerungen, aufgezwungen oder einfach nur beigefügt hat. Erst recht, wenn sie verrückt spielt, wenn sie zurückschlägt, weil ihr im Anthropozän – der aktuell laufenden geochronologischen Epoche des Menschen als Haupt-Einflussfaktor – so übel mitgespielt wird.

Swilcan Bridge unter Wasser?

Die Auswirkungen für uns Golfer lassen sich mit schreckgeweiteten Augen an der schottischen Ostküste nachvollziehen – als wären Hitze, Trockenheit und sintflutartige Regenfälle nicht schon genug Vorboten einer Klima-Apokalypse, die nur noch von Betonköpfen mit orangenem Haar beharrlich geleugnet wird. Die Horrorvision: Ehrwürdige, jahrhundertealte Golfplatz-Ikonen drohen für immer zu verschwinden, vom Meer Meter um Meter abgeschmirgelt oder von den steigenden Fluten schlichtweg überspielt. In 80 Jahren könnten dort, wo jetzt die Swilcan Bridge als weltberühmtes Wahrzeichen des Old Course den Bachlauf zwischen 1. und 18. Fairway überspannt, Wellen ans Bankett der Golf Road schlagen, die den Platz auf der Landseite flankiert.

„Unerwartete Bedrohung“ für den Golfsport

Und nein, das ist keine Panikmache ökologisch überhitzter Gemüter, sondern entstammt wissenschaftlichen Prognosen. Die „Climate Coalition“, ein Verbund von 130 britischen Organisationen, die sich mit den Auswirkungen des Klimawandels befassen, kam 2018 zu dem Schluss: Der Golfsport stehe einer „unerwarteten Bedrohung“ gegenüber, Open-Championship-Schauplätze wie St. Andrews könnten 2100 unter Wasser liegen, selbst wenn der Meeresspiegel bloß leicht ansteige.

„Plätze werden ins Meer bröckeln"

In Schottland liegt nun mal jeder sechste Golfplatz an der Küste, von der aber nur sechs Prozent mit Schutzmaßnahmen gegen die zerstörerische Kraft des Wassers ausgestattet sind. Zum Vergleich: In England und Wales werden 44 Prozent der Küste protegiert, in Nordirland sind es 32 Prozent. Laut der „Climate Coalition“ habe Großbritannien ab der Jahrtausendwende sechs der sieben niederschlagsreichsten Jahre seit Beginn der entsprechenden Aufzeichnungen erlebt, und etliche „Golfplätze werden sukzessive ins Meer bröckeln“, heißt es.

Montrose verliert jedes Jahr zwei Meter

Beispielsweise Ikonen wie die Montrose Golf Links zwischen Dundee und Aberdeen. Unerbittlich nagt die Nordsee am fünftälteste Parcours der Welt, auf denen seit 1562 Golf gespielt wird, kriecht unter das Geläuf, wäscht das sandige Fundament von Fairways und Grüns aus. Steter Tropfen höhlt den Stein, könnte man sagen: Immer wieder lösen sich begraste Brocken und stürzen auf den Strand, so wie ein Gletscher kalbt. Die 15 Jahre alten hölzernen Schutzzäune leisten der Erosion keinen Widerstand mehr, das originäre sechste Loch ist seit 1994 verschwunden, insgesamt musste drei Bahnen bereits landeinwärts verlegt werden.
Jedes Jahr verliert Montrose so zwei Meter Gelände, um 70 Meter hat sich die Nordsee in den vergangenen 30 Jahren nach Berechnungen des Forschers Fraser Milne von der Universität Dundee vorgearbeitet: Das gesamte Ensemble droht ins Meer zu kippen.

Dornoch pflanzt Gewächse gegen den Abtrag

Ähnlichen Probleme finden sich gut 250 Kilometer weiter nördlich, wo mit Royal Dornoch ein Platz liegt, der in sämtlichen Rankings unter den Besten der Welt geführt wird. Auch dort ist die zerfledderte Küstenlinie des Dornoch Firth extrem anfällig für die zerstörerische Wirkung des Wassers, besonders betroffen ist Dornochs zweiter Kurs, der Struie, und seine zehnte Bahn. 2018 ließ man an besonders prekären Stellen unter Zuhilfenahme von wissenschaftlicher Betreuung Hunderte von Salzwasser resistenten Gewächsen pflanzen, um den natürlichen Küstenschutz wiederherzustellen.

Home of Golf hilft bei der Methodik

„Der Klimawandel beeinflusst erheblich die Möglichkeiten, künftig unseren geliebten Sport auszuüben oder als Zuschauer zu verfolgen“, heißt es in der Studie der „Climate Coalition“. Das extreme Wetter wirke sich bereits auf das Aufkommen an Golfrunden und mithin auf die Einnahmen aus.

Ausweichmanöver: Drei Golfbahnen der Montrose Links mussten bereits vor der Nordsee in Sicherheit gebracht werden und wurden landeinwärts verlegt. Foto: David Basche.

Ausweichmanöver: Drei Löcher von Montrose wurden bereits vor der Nordsee bewahrt und landeinwärts verlegt. Foto: David Basche.

So was ruft natürlich auch den R&A auf den Plan. Die Sachwalter des Golfsports haben das Thema „Coastal Change Action Plan“ als signifikanten Punkt in ihr Umwelt- und Nachhaltigkeitsprogramm „Golf Course 2030“ aufgenommen und strengen in Zusammenarbeit mit der Universität von St. Andrews ein Forschungsprojekt an, das auf drei Jahren angelegt ist, die Situation aller Linkskurse in Großbritannien und Irland erfassen und anhand von fünf Beispielen eine tief gehende Analyse samt Lösungsmöglichkeiten erarbeiten soll. Einer dieser fünf Plätze wird definitiv der Old Course sein – die Bedrohung ihres Kronjuwels hat den Granden im Home of Golf einen Heidenschreck eingejagt.

„Maritimer Einfluss bedeutsam fürs Überleben“

Nach Aussage des Projektleiters und Uni-Professors Bill Austin soll die Methodik der Untersuchungen am Beispiel des Old Course und mit Unterstützung der Greenkeeper des Links Trust erarbeitet und dann auf die vier anderen Plätze übertragen werden. „Ich bin kein verbissener Golfer“, sagt Austin. „Von daher besteht nicht die Gefahr, dass wir uns mit dem Projekt bloß auf Championship-Kurse fokussieren. Im Gegenteil: Wir brauche eine große Bandbreite unterschiedlicher Platztypen. Denn bei allen spielt der maritime Einfluss eine bedeutende Rolle für ihr Überleben.“

Zu viel lästige Werbung? Mit Golf Post Premium genießt Du alle Inhalte werbefrei. Anzeigen entfernen
Zu viel lästige Werbung? Mit Golf Post Premium genießt Du alle Inhalte werbefrei. Anzeigen entfernen

Feedback