Das Datum kursiert, seit die LIV Golf League im Juni 2022 im englischen Centurion Club Premiere feierte: Am Ende der Saison 2024 wollten die Saudis Kassensturz machen und sehen, ob sich der aus den Schatullen des Staatsfonds PIF finanzierte Konkurrenzcircuit selbst tragen kann, ob das aus dem US-Mannschaftssport entlehnte Franchisekonzept fruchtet und die Teams wirtschaftlich auf eigenen Beinen stehen können? Das Fazit in Kürze: negativ.
Teamchefs stümpern als Wirtschaftskapitäne
Kleinere Vermarktungserfolge sind die Ausnahmen, die die Regel bestätigen. Es fehlt nach wie vor ein quotenkräftiger TV-Partner, Investoren sind keine in Sicht, an den vollmundig propagierte eigenen Golfplätze fehlt es ebenso, und nicht zuletzt stümpern die mit horrenden Garantiegagen geköderten Herren Profis erwartungsgemäß in der ihnen zugedachten neuen Rolle als „zweitberufliche“ Wirtschaftskapitäne. Sie wollen doch nur spielen – und dafür kassieren. Auch hier gibt es ein paar Ausnahmen, dazu aber alsbald mehr.
Zwei Milliarden Dollar hatte das Regime aus Riad als Anschubfinanzierung dem angeheuerten Impresario Greg Norman zur Verfügung gestellt, um einen Gegenentwurf zu PGA Tour und DP World Tour aufzustellen, damit die Rolle als Faktor auf der Bühne des globalen Sports zu zementieren und Reputation zu kaufen.
Norman schon einmal von Al-Rumayyan zurückgepfiffen
Norman wiederum hatte endlich einen Finanzier für seinen Rachefeldzug gegen das Establishment gefunden, das ihm in den 1990er-Jahren mit der Einführung der WGC-Events die Idee von einer Weltliga geklaut hatte, und schmiss das Geld mit beiden Händen aus dem Fenster. Der „Great White Shark“ machte aus der als Beta-Version gestarteten Saison 2022 eine wahre Protz-Orgie mit Party-Jet, dekadenzträchtigen Player Partys, ganzen Fluchten in Luxushotels für die LIV-Entourage und allerlei Exaltiertheiten.
Schon damals wurde der Australier von PIF-Boss Yasir Al-Rumayyan zurückgepfiffen und an das Wesentliche erinnert, nämlich dessen keineswegs uneigennützige Ambitionen den Spielbetrieb; in der Folge mussten die Teams den alimentierten Gürtel deutlich enger schnallen.
Globale Investitionen werden um ein Drittel reduziert
Der könnte 2025 ff. noch mal strammer sitzen. Wie dieser Tage bekannt und von Al-Rumayyan bestätigt wurde, soll und muss sich der vor allem vom saudischen Dukatenesel Aramco Oil genährte Public Investment Fund künftig mehr aufs Inland fokussieren. Laut eines Berichts der „Financial Times“ wird das Auslandsengagement um ein Drittel zurückgefahren.
Aktuell hat der PIF rund 30 Prozent seines „Spielgelds“ in namhafte Unternehmen in aller Welt investiert, von Disney und Meta (Facebook) über die Citigroup und die Bank of America bis hin zu Boeing und Uber. „Unser Ziel ist es, das Volumen auf 20 bis 18 Prozent zu reduzieren“, erklärte Al-Rumayyan bei einer Wirtschaftskonferenz in Riad. „Wir konzentrieren uns nun mehr auf die heimische Wirtschaft.“
Erste neue Tourismusdestination teilweise eröffnet
Der Hintergrund ist offenkundig. Die Visionen von Saudi-Kronprinz und De-facto-Herrscher Mohammed bin Salman verschlingen Unsummen, mit denen er das Königreich vom Öl unabhängig machen will – vor allem das Giga-Projekt Neom mit Industriekomplexen, Handelszentren, der linearen Stadt The Line mit einer Länge von 170 Kilometern und etlichen touristischen Destinationen.
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Die erste wurde gerade teilweise eröffnet: der Luxusferienort Sindalah auf einer 83 Hektar großen Insel im Roten Meer, etwa fünf Kilometer vor der Küste. Dort sind Hotels, Villen, Restaurants, Geschäfte, einen Beach-Club und selbstredend ein Golfplatz entstanden (Quelle: Golem.de). Bis 2039 soll Neom komplett umgesetzt werden und alles stehen; 1,5 Billionen Dollar werden dann verbaut sein. Da muss selbst der siebtreichste Staatsfonds der Welt mit einem aktuellen Vermögen von 930 Milliarden Dollar die finanziellen Kräfte bündeln und den Zaster zusammenhalten.
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Weiterhin Geld für ein Groschengrab namens Golf?
Natürlich ist derzeit völlig unklar, wie sich das auf Saudi-Arabiens Ambitionen im Weltsport auswirkt, das sich neben der eigenen Golftour bekanntermaßen mit Newcastle United auch einen eigenen Fußballclub in der englischen Premier League leistet. Aber spannend ist die Konstellation schon. LIV Golf hängt nach wie vor am Tropf des PIF und ist nicht mal imstande, den Spielbetrieb aus eigener Tasche zu finanzieren, geschweige denn Honorare von hunderten Millionen Dollar für Spieler wie Jon Rahm.
Ob die Saudis angesichts der Anforderungen an der heimischen Wirtschaftsfront weiterhin Geld in ein Groschengrab namens Golf stecken wollen, ist mehr als fraglich. Da kann Greg Norman noch so sehr von weiteren prominenten Neuverpflichtungen für nächstes Jahr tönen.
Norman erinnert an Vertrag bis 2025
Sowieso kommt als weiterer pikanter Punkt die unlängst bekannt gewordene Suche nach einem Nachfolger des 69-Jährigen als CEO von LIV Golf hinzu. Norman hat dazu mittlerweile in einem Gespräch mit „Sports Illustrated“ Stellung bezogen. „Ich kann zu diesen Nachrichten nur eins sagen: Mein Vertrag läuft bis August 2025. Mein Engagement für LIV steht außer Frage, und mein Engagement für die Zukunft ist ebenfalls unbestritten. Wir haben einen Zeitplan einzuhalten und noch ein paar Dinge zu erledigen. Alles Weitere wird die Zeit zeigen“, keilte der zweifache Majorsieger. Dementiert hat er seine Demission damit freilich nicht.
„Ich kann nur im Namen von LIV sprechen, und wir machen weiter – unabhängig von einem möglichen Deal [mit der PGA Tour]. Aber ja, ein solcher Deal würde die Dinge einfacher machen. Ich bin zwar Außenstehender bei den entsprechenden Gesprächen, doch ich weiß, dass eine Lösung ziemlich einfach gewesen wäre. Stattdessen wurde gegen uns gearbeitet, und ich werde mich bis ans Ende meiner Tage fragen, warum das so war? Heute wird LIV Golf als das akzeptiert, was es ist. Und ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen: All die Leute in der Branche, die Angst und Animositäten geschürt haben, würden es mit dem Wissen von heute garantiert anders machen.“
Greg Norman
Zweckbündnis mit Verfallsdatum
Man könnte Friedrich Schiller und den berühmten Satz des Spitzbuben Muley Hassan aus dem Drama „Die Verschwörung des Fiesco zu Genua“ zitieren, wenn das nicht mittlerweile politisch unkorrekt wäre: „Der Mohr hat seine Arbeit getan, der Mohr kann gehen.“ Wobei im Fall von Norman ergänzt werden muss, dass der seine Arbeit nicht wirklich zur vollsten Zufriedenheit seines Herrn und Meisters erledigt hat.
Al-Rumayyan wird dem Golfgehilfen vor allem das Theater mit den Anwälten der PGA Tour bis heute nicht verziehen haben: Beinahe hätte Saudi-Arabiens Wirtschaftswesir vor einem US-Gericht und vor dem Untersuchungsausschuss des US-Senats die Hosen herunterlassen und die Karten auf den Tisch legen müssen, wovor ihn nur der im Juni vergangenen Jahres überraschend verkündete Deal mit der PGA Tour bewahrt hat. Allein deswegen hat das Zweckbündnis zwischen der saudischen Exzellenz und dem australischen Hai ein Verfallsdatum.
Al-Rumayyan braucht Deal dringender als die PGA Tour
Das Rahmenabkommen wiederum ist bis heute nicht umgesetzt. Und mehr denn je scheint Al-Rumayyan die schlechteren Karten im Fingerhakeln mit Commissioner Jay Monahan und Tiger Woods als wahrem starken Mann hinter den Kulissen zu haben. Er braucht – nicht zuletzt angesichts der strategischen Neuausrichtung des PIF – ein Ergebnis, um das Investment in LIV doch noch in ein gutes Geschäft zu verwandeln – definitiv dringender als die PGA Tour, der die 1,5-Milliarden-Einlage der Strategic Sports Group (SSG) in das neu geschaffene kommerzielle Konstrukt PGA Tour Enterprises den Rücken stärkt.
Wenigstens den eigenen Ehrgeiz befriedigt
Doch so lange Norman bei LIV am Ruder ist, wird es keinen Frieden geben, dafür hat der Australier zu viel Öl ins Feuer geschüttet. Nicht von ungefähr spricht Rory McIlroy davon, dass es erst eine Einigung geben könne, wenn nur „die Erwachsenen“ am Tisch sitzen: „Ich denke, Greg muss gehen.“
Andererseits hat Al-Rumayyan mithilfe seines Kalfaktors ja wenigstens den eigenen Ehrgeiz befriedigt. Der 54-Jährige sitzt an besagtem Tisch und an allen anderen großen Tafeln des Weltgolf, er hat mittlerweile Zugang zu den Machern des Establishments wie „Dunhill“-Gastgeber Johan Rupert, Adare-Manor-Besitzer J. P. McManus oder den SSG-Magnaten um Fenway-Sports-Eigentümer John Henry, wird von Protagonisten wie McIlroy respektiert, von DP-World-Tour-Chef Guy Kinnings hofiert und von Tour-Commissioner Monahan zumindest akzeptiert. Mission accomplished.