Golf Post führte nach ihrer Medical Break ein Interview mit Golfspielerin Sandra Gal im Rahmen des MercedesTrophy Deutschland Finales. In dem Gespräch erzählte sie über ihre kurze Pause und die Wichtigkeit einer mentalen Gesundheit. Zudem hatte Gal ein paar wertvolle Tipps für junge Sportlerinnen dabei, wenn es darum geht, es gesund an die Spitze zu schaffen.
Sandra Gal im Interview mit Golf Post
Golf Post: Du hast Dir diese Saison einige Zeit für dich genommen. Wie sieht so Dein weiterer Verlauf dieser Saison aus?
Sandra Gal: In der Schweiz habe ich auf der Ladies European Tour mein zweites Testevent gespielt, bevor ich meine Medical Break beendet habe und auf der LPGA Tour weiterspiele. Die Pause davor hat echt gut getan. Durch Corona habe ich zunehmend gemerkt, ich bin noch nicht ready. Vor allem mental gab es einige Dinge, die ich vorab noch für mich selber klären musste. Seit Mai habe ich nun einen neuen Trainer. Zwar läuft das Training nun etwas anders ab, im Großen und Ganzen ist es aber qualitativ viel besser. Zusätzlich habe ich körperlich einiges verändert, ich habe nun deutlich mehr Energie. So ein Neuanfang tut richtig gut!
Golf Post: Das klingt doch sehr positiv. In der Saison gibt es kaum Unterbrechungen und kaum Pause. Wie sehr belastet es dich, wenn du andauernd unterwegs bist und keine Woche am Stück Urlaub machen kannst?
Gal: Ich habe mir meistens im Dezember schon so diese drei bis vier Wochen frei genommen über die Jahre hinweg. Aber ich glaube, das Problem war nach vielen Jahren dieser immer gleiche Rhythmus. Mein Körper hat es verlernt, sich schnell zu regeneriere, beziehungsweise ich habe verlernt, wie ich mich selber unterstützen kann, wie ich mehr Balance finde. Es geht immer weiter und irgendwann habe ich gemerkt, dass ich einfach nicht mehr kann. Da muss man lernen auf sich selber zu hören und dann Stop zu sagen. Auch, wenn der Druck von außen groß ist, dass du weiterspielen musst, weil du dich sonst nicht für A, B oder C qualifizierst.
Es ist gerade der Trend bei vielen Sportlern, auch in anderen Sportarten, ob im Tennis oder auch auf der PGA Tour, dass vermehrt die mentale Gesundheit in den Vordergrund gerückt wird. Die ist wichtiger als jedes Turnierergebnis! Ich glaube, da ist gerade ein Durchbruch in die Richtung- und das habe ich auch gemerkt- dass ich da die Notbremse ziehen musste und dann gesagt habe, ich brauche jetzt einfach eine Pause.
"Ich hab immer gedacht, ich komme darüber hinweg"
Golf Post: Gerade rund um die Olympischen Spiele, kam bei verschiedenen Sportlern zum Vorschein, dass sie mental nicht bereit sind. Hat es dir ein positives Gefühl gegeben, dass du dich auch für so eine Pause entschieden hast?
Gal: Ja, total. Weil ich wusste ehrlich gesagt auch nicht, wie ich darüber reden soll. Ich habe mir über viele Jahre gesagt, sei dankbar für das, was du machst. Viele Leute beneiden dich für deinen Sport und deinen Beruf. Dadurch habe ich viele Dinge weniger schlimm geredet, als sie waren. Das ist wirklich eine ernste Sache. Das andere auch darüber reden, hat mir die Augen geöffnet und mir ein bisschen mehr Freiraum gegeben, da offen drüber zu reden. Das war auch nicht so einfach für mich.
Golf Post: Warum soll das anders sein? In der Wirtschaft ist das mittlerweile normal geworden. Man hat ein sehr hohes Stresslevel, sodass inzwischen akzeptiert wird, dass Pausen gebraucht werden. Aber für Sportler, die im Prinzip ein noch viel höheres Stresslevel und Leistungsniveau aushalten müssen, war das bislang ein verborgenes Thema.
Gal: Ja, es ist schwierig. In der Industrie hast du deinen Boss hast und der sagt dir, du musst 60-70 Stunden in der Woche arbeiten. Dann hast du keine andere Chance. Aber hier ist es wirklich mein Ablauf und meine Organisation. Den Stress mache ich mir eigentlich nur selber. Aber es ist trotzdem etwas, das nicht immer in der eigenen Hand liegt und womit man lernen muss umzugehen. Kann ich mehr für mich selber spielen? Kann ich so viel spielen, dass ich mich damit wohl fühle und nicht, dass mir jemand anderes sagt, das solltest du jetzt spielen.
Golf Post: War das bei dir ein schleichender Prozess oder bist du irgendwann aufgewacht und hast gesagt, so jetzt brauche ich Veränderungen?
Gal: Nein, das war schleichend. Ich würde sagen, über 2017, 2018 und 2019 hat sich das hingezogen. Ich hab immer gedacht, ich komme darüber hinweg, weil ich das immer geschafft habe. Ich kann das noch pushen, ich kann das noch pushen! Und irgendwann ging es dann einfach nicht mehr.
"Ich kann und werde jetzt nicht aufgeben"
Frage: Gab es mal den Gedanken, dass du auch einfach was Anderes machen kannst, um nicht in das Hamsterrad Golf zurückkehren zu müssen? Eine zweite Karriere abseits des Golfes?
Gal: Ja, auf jeden Fall. Und das Schöne momentan ist, dass ich jetzt weiß, dass die Entscheidung, weiterzuspielen nur von mir kommt. Höhen und Tiefen sind etwas, was irgendwie zu meinem Weg gehört. Und ich weiß, das will ich jetzt weitermachen. Vielleicht nicht über zehn Jahre, aber durch dieses Tal muss ich noch durch. Ich kann und werde jetzt nicht aufgeben, nur weil es manchmal Tiefen gibt.
Golf Post: Das klingt sehr nach sportlichen, ehrgeizigen Zielen
Gal: Ja, aber vielleicht haben sie sich ein bisschen geändert. Es sind auch sportliche Ziele, aber jetzt geht es darum, wie kann ich mich in dem Bereich, den ich am besten kann, so bewegen, dass es mir persönlich gut geht. Das ist ein anderes Ziel, als die sportlichen Ziele, aber es wäre mir persönlich wichtig später sagen zu können, dass ich es geschafft habe.
Golf Post: Planst du deinen Restart anders indem du dir ein Limit an Turnieren setzt? Gibt es eine Mindestanzahl an Turnieren, die du spielen musst?
Gal: Ja und nein. Also ich weiß, dass ich weniger Turniere spielen möchte. Es geht mir zwar ein bisschen besser, aber ich muss es flexibel halten. Jetzt mache ich eine Pause, weil jetzt weiß ich, dass ich es brauche. Das ist so ein bisschen was von beidem. Aber es ist eh nicht so, dass ich mir so viel aussuchen kann, weil ich die medical break hatte und nun eine bestimmte Anzahl an Turnieren zurückbekomme, die ich erstmal spielen muss. Das heißt, jetzt habe ich zwei und es kommt drauf an wie ich diese zwei spiele. Das nächste Jahr habe ich dann acht Turniere. Die sind nicht immer alle hintereinander, das ist ganz gut. Aber die muss ich auf jeden Fall spielen. Vielleicht kann ich irgendwo eine Woche aussetzen und eins dranhängen oder so, aber da habe ich nicht so viel Auswahl. Aber ich habe gelernt, dass ich mich und mein Wohlbefinden an die erste Stelle setze.
Golf Post: Das heißt, du würdest auch einfach sagen, wenn ich noch drei Turniere spielen müsste, um die Karte zu halten, dann ist es halt so?
Gal: Das ist natürlich eine schwierige Entscheidung. Gerade, wenn es darum geht, die Karte zu erhalten. Da würde ich natürlich abwägen und zum Beispiel weniger Proberunden spielen und es besser planen, um dann nicht total müde zu sein bei diesen drei Turnieren.
Dazu muss man sagen, dass ich das Glück habe, dass ich die Karte eigentlich nicht verlieren kann. Als ehemalige Gewinnerin eines LPGA Turniers behalte ich die Karte automatisch. Es geht darum, wie viele Turniere pro Jahr ich spielen kann.
"Es ist wichtig, dass man lernt, Grenzen zu setzen"
Golf Post: Was wären deine Top-Tipps, wenn du den jungen Mädchen von heute etwas mit auf den Weg geben würdest? Was sind wichtige Bausteine, um solide in eine Profilaufbahn reinzukommen?
Gal: Regelmäßig Pausen machen, auf seinen Körper hören und auch unter der Woche Montag frei machen und nur eine Proberunde am Dienstag oder Mittwoch spielen. Vielleicht ein Hobby neben dem Golf, was mich erfüllt. Mir mehr Zeit nehmen für mich und dafür, meine Gedanken zu sortieren. Und ganz wichtig, dass man auch in den Wochen, in denen man frei hat, die Familie sieht oder Freunde. Oder verreist, ans Meer, in den Wald oder allgemein in die Natur. Und, dass man einfach flexibel bleibt und sich selbst nicht zu sehr mit Plänen unter Druck setzt.
Golf Post: Also wichtig auch, ein Leben außerhalb des Golfes zu führen?
Gal: Ja! Eines der wichtigsten Dinge ist, dass man lernt, Grenzen zu setzen. Wie viele Turniere spiele ich, wie geht’s mir. Dass ich nicht immer jedes Pro-Am mitspiele am Montag, sondern, dass ich nein sage. Dass ich auch nicht zu jedem Dinner gehe. Ja, dass man einfach lernt nein zu sagen, das ist schwierig für viele.
Golf Post: Was würdest du jüngeren Mädchen als Tipp mit auf den Weg geben, was ihre eigene Vermarktung und ihre Social Media Kanäle angeht? Du hast glaube ich auch mal mehr, mal weniger gemacht in verschiedenen Themen. Hast du gemerkt, dass solche Sachen dir Spaß machen oder haben sie dich eher belastet?
Gal: Für mich ist das Wichtigste, dass man authentisch ist in den Sozialen Medien. Verkauf dich nicht. Ich mache vielleicht jeden Tag ein Foto, dann poste ich das und dann beantworte ich ein paar Messages von Fans, aber den Rest des Tages trainiere ich oder mache Dinge, die mir Spaß machen. Ich glaube, da ist es einfach wichtig die Grenzen zu setzen. Aber authentisch sein würde ich sagen ist das Wichtigste.
Golf Post: Ja, es gibt ja gerade in den USA einige Influencerinnen im Golfbereich, die vielleicht mal Profi werden wollten und dann aber gemerkt habe, die Influencer-Karriere könnte die angenehmere sein.
Gal: Ja, das ist aber auch ganz andere Arbeit, die da reingeht. Das habe ich auch gemerkt. Mir macht es Spaß da ab und zu mal ein schönes Video zu drehen. Aber ich merke auch, das es ganz schön viel Arbeit ist, wenn man das professionell machen möchte. Und manchmal fange ich so ein bisschen an und dann denke ich aber ich kann jetzt nicht mehr, da habe ich keine Zeit für.
Golf Post: Jetzt warst du wahrscheinlich die erste international erfolgreiche Profigolferin aus Deutschland. Es gibt viele junge Mädchen, die sehr talentiert sind und vielleicht in deine Fußstapfen treten. Du bist damals in die USA aufs College gegangen. Was würdest du den Mädchen heutzutage raten. Auch Richtung College zu gehen oder lieber zu versuchen hier in Europa über eine Qualifying School zu gehen?
Gal: Wenn man in seinem eigenen Weg Erfolg hatte, dann ist es immer das Einfachste zu sagen, mach es so wie ich es gemacht habe. Aber jeder hat seinen eigenen Weg. Ich denke, dass es gut wäre ist, dass man sich einfach an die Wettkampfbedingungen und an die Qualität der Konkurrenz gewöhnt, wenn man schon mal drüben im College Golf spielt. Es ist anders als in Europa. Die Plätze sind eher schwieriger. Die Konkurrenz ist größer, und wenn man sich da vielleicht schon ein bisschen einlebt und daran gewöhnt, dass die Kultur da drüben ganz anders ist, dann ist der Sprung auf die LPGA Tour ein bisschen einfacher.
Fast alle, die in den Top 20 des College-Rankings waren sind Pro geworden und haben schon auf der LPGA gespielt. Es ist keine andere Konkurrenz da als die, die im College spielen. Das heißt, man ist schon einfach drin irgendwie in diesem Zirkus und macht die Erfahrung und weiß, wo man steht. Aber es gibt viele Wege und jeder muss seinen eigenen finden.
Golf Post: Vielen Dank für das Gespräch!
Gal: Gerne!
(Das Interview führte Matthias Gräf)