Es waren einmal sechs wackere Recken, die jeder für sich auserkoren schienen, ein Bataillon der Besten auf die Quest nach dem heiligen (Golf-)Gral zu führen. Zwei allerdings winkten ab, sie mochten lieber weiterhin auf eigene Faust Heldentaten vollbringen. Später wurde man gewahr, dass einer der beiden gemeinsame Sache mit den dunklen Mächten machen könnte, die das Königreich bedrohten. Indes, mehr war ihm nicht zu entlocken, hatte er doch ein Schweigegelübde abgelegt. Da waren’s nur noch vier. Doch zu zwei weiteren des halben Dutzends schickten die Usurpatoren aus dem Morgenland gleichermaßen ihre Unterhändler, um sie mit reichen Geldgeschenken in Versuchung zu führen …
Und so wird Luke Donald wohl Europas Kapitän für die 44. Ryder Cup Matches 2023.
Entscheidung normalerweise im Januar
Ziemlich schräg, was sich da gerade bei der Wahl des Nachfolgers von Padraig Harrington abspielt, der in Whistling Straits mit seiner Auswahl so krachend gegen Steve Strickers überragend aufspielenden Amerikaner scheiterte. Von den letzten sieben europäischen Teamchefs waren sechs bereits bis Ende Januar gekürt; lediglich bei Darren Clarke musste 2015 erst der Februar ins Land ziehen, ehe der Ire für Hazeltine im Jahr drauf benannt wurde.
Doch die Verzögerung heuer liegt keineswegs an der herkulischen Herausforderung, dem übermächtigen US-Team am Rand von Rom den kleinen goldenen Henkelmann wieder zu entreißen – wenngleich das vielleicht nichts ist, um das sich wirklich einer reißt. Nein, es ist tatsächlich „der Feind“, dessen monetäre Manöver die Wahl des blauen Skippers zur Hängepartie werden lassen. Kurz: Die Saudis mischen bei der Wahl von Europas Ryder-Cup-Kapitän in gewisser Weise mit.
Westwoods „No Brainer“, auch Stenson und Poulter raus
Zur Chronologie und Auflösung der Einleitung: Lee Westwood galt als Favorit auf den Taktstock im Marco Simone Golf & Country Club, doch der 48-jährige fühlt sich weiterhin fit genug für eine aktive Rolle und will – wie Graeme McDowell auch –generell bis auf Weiteres lieber spielen als dirigieren. Eventuell gar in der am Horizont wabernden Saudi-Liga; jedenfalls hat „Westy“ eine kolportierte 50-Millionen-Dollar-Offerte als „No Brainer“ bezeichnet, als etwas, worüber er kaum lange nachdenken müsse, aber wegen einer Geheimhaltungsvereinbarung nichts sagen dürfe.
Damit war er raus. Ebenso Henrik Stenson und Ian Poulter – ums kurz zu machen –, denen gleichfalls Offerten „aus dem Off“ vorliegen sollen, in Höhe von jeweils 30 Millionen Dollar. Denn die European Tour Group hat ihren Mitgliedern im Schulterschluss mit der PGA Tour unmissverständlich mitgeteilt, dass sich jeder den Ryder Cup aus dem Kopf schlagen könne, der überläuft oder mit einem Seitenwechsel liebäugelt, kaum dass die ersten Blasen einer Premier oder Super Golf League zu blubbern begannen.
„Vielleicht sollte ich Saudi Arabien danken“
Da kann auch niemand das Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes geltend machen wollen, wenigstens in diesem Fall gilt das Hausrecht. Interessant wird’s allenfalls, wenn die Saudis ihren Alternativ-Zirkus ebenfalls irgendwie in die Asian Tour einbetten, die nun mal von den beiden großen Circuits legitimiert wird – siehe Teilnahmefreigaben für das Saudi International. Nur, um’s erwähnt zu haben.
So oder so, aktuell tut das nichts zur Sache. „Eigentlich hätte die Entscheidung über den Kapitän für nächstes Jahr schon vor ein, zwei Monaten getroffen werden sollen, wenn nicht besonderen Umstände vorherrschen würden“, sagt Luke Donald selbst zu den absurden Zeiten und fügt mit einem Schmunzeln an: „Vielleicht sollte ich Saudi Arabien für all das danken.“
Vorgänger Harrington: „Luke wäre großartig“
Nun ist es ja nicht so, als träfe es im Fall des 44-jährigen Engländers den Falschen. Donald gewann 2011 das WGC-Matchplay, zudem sechs Mal auf der European und vier Mal auf der PGA Tour. Er war 2011 und 2012 für 56 Wochen Weltranglisten-Erster und beendete alle seine vier Ryder-Cup-Teilnahmen mit dem Team Europe siegreich, assistierte 2018 und 2021 überdies als Vize. Der begeisterte Maler und Wein-Liebhaber hat das Platzet von Vorgänger Padraig Harrington, der in der Findungskommission sitzt.„Ich kann nur sagen, dass Luke großartig wäre. Hinter den Kulissen leistet er hervorragende Arbeit, hat Erfahrung und einen tollen Führungsstil – ich würde ihn uneingeschränkt weiterempfehlen“, gab Harrington unlängst zu Protokoll.
Luke Donald suddenly is on the fast track for Europe’s next Ryder Cup captain, bringing the experience of playing on four winning teams and twice serving as an assistant.
by @dougferguson405
https://t.co/iOPSm09qgB— AP Sports (@AP_Sports) February 9, 2022
Und Donald, der nach eigenem Bekunden in engem Kontakt mit Ryder-Cup-Direktor Guy Kinnings ist, würde lieber früher als später loslegen. „Das Warten nervt“, bekannte er am Rande des Pebble Beach Pro-Am. „Ich kenne mich und meine Ungeduld, kann es kaum erwarten, das ganze Prozedere zu starten. Es ist schneller September 2023, als man glaubt.“ Je mehr Zeit er habe, um alles zu bedenken, zu planen und zu organisieren, was dem Team helfen könne, „desto besser ist das für mich“.
Strahlemann statt stiller Schwede
Bleibt bloß noch zu klären, was mit Robert Karlsson (52) wird, dem Sechsten im Bund der Kandidaten? Der elffache European-Tour-Sieger und zweifache Ryder-Cup-Spieler genießt gleichsam höchste Reputation, hat sich wie Donald das Rüstzeug fürs Kapitänsamt als Assistent von Thomas Bjørn in Paris 2018 und von Harrington in Whistling Straits geholt. Dennoch wird er wohl warten müssen. Fürs anstehende Heimspiel nahe der Ewigen Stadt gegen die augenscheinlich von Zach Johnson angeführte US-Riege braucht Europas Equipe einen populären Protagonisten am Regiepult, einen Publikumsliebling wie den Strahlemann Luke Donald, der als Everbody’s Darling perfekt zu promoten ist.
Karlsson, der stille Schwede, dürfte 2025 seine Feuerprobe bekommen: Bethpage Black, die brutale Bühne nahe New York, ist wahrhaft eine Höhle der Löwen, in der man sich mächtig die Finger verbrennen kann. Da schicken die „Weisen von Wentworth“ lieber einen Außenseiter hin. Und wenn der trotzdem gewinnen sollte, umso besser. Das Unwahrscheinliche ist der Stoff für Märchen.