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Golf Post Premium Ryder Cup

Ryder-Cup-Legende Tony Jacklin: Wie Europa die nächste Klatsche vermeiden kann

18. Mrz. 2022 von Michael F. Basche in Bradenton, Florida/USA - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

Tony Jacklin über Europas Ryder Cup Chancen. (Foto: Getty)

Tony Jacklin über Europas Ryder Cup Chancen. (Foto: Getty)

Er war der Begründer des Mannschaftsquartiers, des Korpsgeist in Europas Equipe und des Kapitäns als Freund und Vertrauter der Spieler: Wenn über den Ryder Cup gesprochen wird, führt letztlich kein Weg an Tony Jacklin vorbei. Der Engländer, heute 77 Jahre alt, bestritt sieben Kontinentalwettbewerbe als Spieler und ist allein schon wegen der Szene 1969 mit Jack Nicklaus auf dem 18. Grün von Royal Birkdale eine Legende, als der „Goldene Bär“ seinem Einzel-Gegner einen Putt schenkte, was als „The Concession“ in die Annalen des Golfsports eingegangen ist.

Grundstein für Europas Heimstärke gelegt

Vor allem aber war Jacklin viermal Teamchef, feierte nach der „herzzerreißend knappen“ 13,5:14,5-Niederlage von 1983 im PGA National Golf Club von Palm Beach Gardens/Florida einen Ryder-Cup-Hattrick und legte in seinen Amtszeiten in den 1980er-Jahren den Grundstein für Europas Heimstärke, die bis heute nur vom US-Erfolg mit Tom Watson als Kapitän gegen Bernard Gallacher 1993 in The Belfry unterbrochen wurde. Denn unter Jacklins Stabführung entstanden die Strukturen, dank derer zuletzt die „Regiearbeiten“ von Paul McGinley 2014 in Gleneagles und Thomas Bjørn vor vier Jahren in Paris zu Blaupausen für den perfekten Kapitän avancierten.

Tony Jacklin im Gespräch mit Golf Post. (Screenshot: Michael F. Basche)

Tony Jacklin im Gespräch mit Golf Post. (Screenshot: Michael F. Basche)

Und weil Henrik Stenson, der gerade ernannte „Blue Leader“ für Rom 2023, nicht nur nach Ansicht von Sir Nick Faldo frostige Zeiten vor sich hat, die „schlimmer werden als der gefürchtete Winter im Fantasy-Spektakel Game of Thrones“, ist Tony Jacklin der perfekte Ansprechpartner für die Frage: Wie kann Europa nach der Watsche von Wisconsin, dem vernichtenden 9:19 von Whistling Straits, eine neuerliche Klatsche im Marco Simone Golf & Country Club vermeiden? „Mangelnde Fan-Unterstützung durch die Corona-Reisebeschränkungen hin und her – sie haben uns schlichtweg ausgespielt“, bestätigt Jacklin, der seit langem in Bradenton/Florida lebt, im Video-Call mit Golf Post.

Captain’s Picks und das Stahlbad PGA Tour

Für den zweifachen Majorsieger gibt es zwei signifikante und eigentlich ohnehin auf der Hand liegende Aspekte: das Thema Captain’s Picks und das Stahlbad PGA Tour für Europas künftiges Ryder-Cup-Rückgrat. „Die jungen Hüpfer müssen nachrücken und die Handvoll der heute Mitt- und Endvierziger ersetzen“, betont Jacklin in Anspielung auf Schlachtrösser wie Lee Westwood oder Ian Poulter und meint Talente wie die dänischen Højgaard-Zwillinge Nicolai und Rasmus oder den schottischen Linkshänder Robert MacIntyre. „Ich bitte, das nicht als Missachtung der DP World Tour zu verstehen: Aber als ,Young Buck’ solltest du dort sein, wo die Besten spielen.“

Und das ist nun mal die PGA Tour. „Um ihr Potenzial wirklich zu entfalten, ihr Können vollständig auszuschöpfen, sich den letzten Schliff zu holen, müssen sie sich permanent mit den Morikawas, Schefflers, Schauffeles, Koepkas oder DeChambeaus messen. Solange du nicht in den USA vorn mitspielen und die dortigen Stars schlagen kannst, hast du es im Golf nicht geschafft.“ Gut, das von jemandem wie Tony Jacklin noch mal zu hören.


 

Erinnerung an einen besonderen Golfmoment: Aus Nicklaus nobler Geste gegenüber Tony Jacklin beim Ryder Cup 1969 ist eine tiefe Freundschaft und ein gemeinsames Projekt entstanden: Die beiden Golfgrößen konzipierten in Bradenton/Florida gemeinsam eine Anlage, die als Sinnbild für den „Spirit of the Game“ an jenen besonderen und bedeutsamen Tag erinnern soll: The Concession Golf Club.

Im Vorfeld der 43. Matches in Whistling Straits vergangenen September haben die Verantwortlichen überdies den „Nicklaus-Jacklin Award“ ins Leben gerufen, mit dem nach jeder Auflage jeweils ein Spieler beider Seiten für Sportlichkeit, Teamgeist und Leistung ausgezeichnet wird. Jacklin und Nicklaus gehören der Jury an; erste Preisträger waren 2021 Sergio Garcia und Dustin Johnson.


Viktor Hovland, der gerade bei der Valspar Championship mit Collin Morikawa die nächste Attacke auf Jon Rahms Weltranglistenführung versucht, mag als perfekte Probe aufs Exempel dienen. Ebenso wie Nicolai Højgaard, der allerdings das Gegenstück liefert. Nach zwei Turniertiteln auf dem europäischen Circuit versuchte sich der seit knapp einer Woche 21-Jährige jenseits des großen Teichs, holte sich indes mit deutlich verpassten Cuts sowohl bei der Honda Classic als auch beim Arnold Palmer Invitational eher eine blutige Nase.

Nicolai Højgaards vorläufige Bilanz

„Von den Ergebnissen her war das nicht gut, andererseits habe ich viel gelernt“, zog er hernach Bilanz. „Das Set-up der Plätze ist deutlich schwieriger als in Europa; das Rough ist dichter, die Grüns sind fester. Wenn man nicht gut drauf ist, wird man gnadenlos bestraft.“ So gesehen waren die bisherigen Erfolge gerade mal Gesellenstücke, die „Meisterprüfung“ indes findet auf der PGA Tour statt. „Man muss einfach hier spielen, um ein besserer Spielen zu werden“, resümierte Højgaard.

Tony Jacklin und das neue englische Golfgefühl

Was zu beweisen war: „Mein größter Fehler zu aktiven Zeiten war, nicht dauerhaft in die USA überzusiedeln“, sagt selbst Tony Jacklin, der im Jahr nach dem Triumph bei der Open Championship 1969 in Royal Lytham & St Annes immerhin in Hazeltine die US Open holte – beides Erfolge, die Briten lange Jahre, nämlich seit Max Faulkner 1995 bzw. seit Ted Ray 1920, versagt geblieben waren. Es ist nicht übertrieben zu behaupten, dass Jacklin als Majorsieger und als Ryder-Cup-Teamchef für eine neues englisches Golfgefühl gesorgt hat.

(Screenshot: Michael F. Basche)

(Screenshot: Michael F. Basche)

Der Mann, der auf beiden großen Touren insgesamt zwölf Mal erfolgreich war, hat in Zusammenarbeit mit dem britischen Golfjournalisten Tony Jimenez unlängst ein Buch über „My Ryder Cup Journey“ geschrieben und herausgebracht. Die detailreiche und empfehlenswerte Biographie, gespickt mit Hintergrundinformationen und Jacklins Ansichten zu vergangenen und aktuellen Golfentwicklungen, behandelt zwar deutlich mehr als seine Karriere im Licht des Kontinentalwettbewerbs, taugt allerdings vortrefflich als Kompendium für Kapitäns-Kompetenz.

„Hauptsache war, mit Würde untergehen“

Als er 1983 – nur sechs Monate vor den Wettspielen in Florida – erstmals das Amt übernahm, „war der Ansatz der damals zuständigen PGA schlichtweg falsch“, erinnert sich Jacklin. „Wir spielten mit den falschen Prioritäten, hatten keine Selbstachtung: Gewinnen war nicht wichtig, die Voraussetzungen waren eh erbärmlich. Die Hauptsache war, mit Würde untergehen – typisch britisch.“

Er aber wollte siegen, seine jeweiligen Widerparts Nicklaus, Lee Trevino und Raymond Floyd in die Schranken weisen. „Um die Besten der Welt zu schlagen, muss man sich in allem auf ihrem Level bewegen.“ Also setzte Jacklin dem seinerzeit zuständigen Verbandsrepräsentanten Lord Derby die Pistole auf die Brust und bedingte sich Carte blanche aus, holte zuerst den wegen einer vorherigen Nichtberücksichtigung beleidigten Severiano Ballesteros aus der Schmollecke („Nach lange Zureden willigte er ein, mir zu helfen“), sorgte für angemessene Reisemittel („Concorde statt Rückbank vom Linienbus“) und für eine standesgemäße, repräsentative Ausstattung („Savile Row statt Trainingsanzug“): „Alles Dinge, von denen ich glaubte, dass sie bezüglich unseres Selbstwertgefühls einen entscheidenden Unterschied machen würden.“

„Für jeden einzelnen Spieler da sein“

Vor allem aber führte er den Team-Raum ein, das Wohlfühl-Refugium für Spieler, Caddies und Betreuer. „Früher hockten wir uns in einer Ecke der Umkleide zusammen“ , erzählt Jacklin. „Wie soll man da Geschlossenheit, Gemeinschaftsgefühl und Team-Spirit kreieren?“ Und er sah seine Rolle darin, „jemand zu sein, der sich um die Spieler kümmert, der ihre Nervosität oder Anspannung kennt, dem ihr Wohlergehen und Wohlbefinden wichtig ist. Ich habe einfach versucht, für jeden einzelnen da zu sein“.

„Ego draußen an der Garderobe aufhängen“

Mehr noch: „Direkt bei der ersten Besprechung habe ich gesagt: Wenn hier irgendwer mit einem übergroßen Ego ist, dann soll er das bitte draußen vor dem Teamraum am Garderobenhaken aufhängen, aber nicht mit rein bringen. Hier drinnen sind wir alle gleich und jeder steht für den anderen ein!“ Genau dieses Template habe Paul McGinley 2014 in Gleneagles nahezu 1:1 angewandt, weiß Jacklin.

Tony Jacklin im Gespräch mit Golf Post. (Screenshot: Michael F. Basche)

Tony Jacklin im Gespräch mit Golf Post. (Screenshot: Michael F. Basche)

Die Spur ist also gelegt. Doch sogar die Amerikaner haben mittlerweile kapiert, dass sportliche Überlegenheit allein nicht reicht. In Whistling Straits präsentierten sie sich endlich als Team, trotz Trouble-Typen wie Bryson DeChambeau und Brooks Koepka – mit bekannt vernichtendem Ausgang für die Europäer. Jacklin: „Das wird auch fürs nächste europäische Team ein Riesenproblem.“

Folglich wird Henrik Stenson für Rom „tief graben müssen“ (Jacklin), um die europäische Serie auf heimischer Scholle zu verteidigen, während Widerpart Zach Johnson aus dem Vollen schöpfen kann – man schaue nur auf die Top-20 der Weltrangliste mit elf US-Pros bei vier Europäern.

Qualifikation fürs Team beruht auf Zählspiel

Andererseits sind Weltranglistenplätze und Papierstärke sowieso Makulatur, wenn es beim Ryder Cup nach dem Prinzip Auge um Auge, Loch um Loch zur Sache geht. Wer logisch denkt, für den rückt das gleichermaßen die bisherigen Qualifikationskriterien in den Fokus. „Alles beruht ebenso auf Zählspiel-Ergebnissen wie die Punkte- oder Geldrankings, nach denen Teams mehrheitlich zusammen gestellt werden“, erinnert Tony Jacklin. „Matchplay ist aber ganz was anderes. Und als Kapitän willst du die genau dafür besten Spieler einsetzen können. Die ergeben sich aber nicht zwingend aus der traditionellen Struktur.“

Eine Menge Wildcards und vor allem Gespür

Ergo: „Du brauchst eine Menge Wildcards, kannst gar nicht genug haben, auf jeden Fall lieber mehr als weniger“, plädiert Jacklin. „Für Whistling Straits hatte US-Skipper Steve Stricker sechs Stück und die machten signifikant den Unterschied.“ Dann zitiert er den legendären Golfjournalist Peter Dobereiner, der mal gefordert habe, direkt das gesamte Team zu „picken“.

Und schließlich – wenn die Recken endgültig ins Feld ziehen – sei da ein Aspekt, den weder Punkte noch Wildcards, weder Statistik noch sonstige Auswertungen oder die Ratschläge der Assistenten ersetzen können, schmunzelt Jacklin und reibt vor der Kamera die Kuppen von Daumen sowie Zeige- und Mittelfinger gegeneinander: „Manchmal braucht ein Kapitän einfach nur das richtige Gespür und Fingerspitzengefühl.“

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