Die Buchmacher haben den letzten Beweis geliefert: „Sportsbooks“ führt den Sieger von sieben der vergangenen zehn oder von neun der vergangenen 13 Kontinentalduelle als Favorit auf den Gewinn dieser 44. Ryder Cup Matches in Rom, die morgen früh im Marco Simone Golf & Country Club mit dem ersten Abschlag zum klassischen Vierer beginnen. Und das ist – Trommelwirbel, Tusch – natürlich Europa.
Papierform spricht mal wieder für USA
Die Amerikaner werden es mit Freude vernehmen. Sie, die letztmals vor 30 Jahren im englischen The Belfry ein Auswärts-Gastspiel gewonnen haben, die dank der „berüchtigten“ Papierform immer unter besonderem Druck stehen und mit dem Erdrutsch-19:9 von Whistling Straits vor zwei Jahren die Latte enorm hochgelegt haben, gelten am Rand der Ewigen Stadt trotzdem als Underdogs. Übrigens: Im Ensemble von Skipper Zach Johnson stehen sechs Spieler aus den Top-Ten der Weltrangliste und zehn aus den Top-20; die Europäer haben derer nur drei beziehungsweise fünf.
Heimvorteil beginnt mit Platz-Set-up
Nebst den Zahlenmenschen haben sich in den vergangenen Tagen selbstredend auch eine Menge Fachkommentatoren und Insider Gedanken über den möglichen Ausgang des Duells um den kleinen goldenen Henkelmann mit der Statue von Samuel Ryders Golflehrer Abe Mitchell auf dem Deckel gemacht, Pro und Contra ermittelt, Stärken und Schwächen erwogen, tief in den Kaffeesatz geschaut. Herausgekommen sind Beiträge, die allesamt ähnlich titeln: „X Gründe, warum Europa den Ryder Cup gewinnen wird.“ Wegen des Heimvorteils zuvorderst, beginnend mit dem Set-up des Platzes, das die Amerikaner dazu bringen soll, den Driver öfters im Bag stecken zu lassen, auf ihr beliebtes „Wumms-und-Wedge“-Spiel zu verzichten und zur eher ungeliebten Verwendung der längeren Eisen für den Approach zwingen soll.
Zuschauer als Stütze?
Gern angeführt wird auch die Unterstützung des Publikums, was per se eine eher fragwürdige Einschätzung ist, gilt Italien doch wahrlich nicht als Golf-Nation. Irgendjemand erzählte dieser Tage, dass selbst die Fahrer offizieller Shuttle-Busse aus Rom ins 16 Kilometer entfernte Guidonia nicht wussten, was da im Golf-Refugium des Biagiotti-Mode- und Lifestyle-Imperiums gerade inszeniert wird. Ganz abgesehen davon, dass es manchen schlichtweg an der entsprechenden Routenkenntnis fehlt. Nein, der Support eher die Waage halten: Die US-Fans blöken, Europas angereiste Unterstützer üben sich in rhythmischem Klatschen nach Haka-Manier und viele Gruppen haben gewiss wieder hübsche Schlachtgesänge einstudiert.
Matador Rahm und „beste Version“ von McIlroy
Die Europäer sind also gut beraten, sich aufs eigene Können und die Firepower im Team zu verlassen. Auf ihren Matadoren Jon Rahm beispielsweise, der in Whistling Straits bester Punktelieferant war – mit Sergio Garcia pikanterweise, den er denn auch ziemlich vermisst – und von dem alle hoffen, dass er auch ab morgen in Marco Simone wieder eine Macht ist. Oder auf Rory McIlroy, der zwar seit Hazeltine 2016 sieben seiner zehn Matches verloren hat, aber wohl „als Spieler und als Team-Leader die beste Version des McIlroy ist, den wir seit zwei Jahren gesehen haben“. Urteilt jedenfalls „Golf Digest“ und führt zum Beweis unter anderem eine „Strokes-Gained“-Gesamtbilanz von 2.60 aus den jüngsten sechs Monaten anführt, die lediglich vom Weltranglisten-Ersten Scottie Scheffler übertroffen wird. Jedenfalls, solange der Texaner nicht putten muss.
Hatton bleibt dem Fluchen treu
Europa gewinnt diesen Ryder Cup nach allgemeiner Ansicht auch, weil Tyrrell Hatton in der Form seines Lebens ist und gar nicht daran denkt, sich wenigstens im „Nationaltrikot“ das gewohnte Fluchen auf dem Platz zu verkneifen. Im Gegenteil: Der Engländer hat förmlich versprochen, jederzeit und überall zu schimpfen wie ein Rohrspatz – „Fuck off, da könnt Ihr Euch verdammt noch mal drauf verlassen“.
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Sowieso, die Mischung passt. Während Skipper Padraig Harrington in Whistling Straits mit vier Ü40-Aktiven antrat, bietet sein Nachfolger Luke Donald in Rom neun Spieler auf, die 32 Jahre oder jünger sind – ein signifikanter energetischer Unterschied. In den Nachwehen der Rekordklatsche konnte einem beim Ausblick auf Rom noch Angst und Bange werden, doch die trüben Aussichten haben sich deutlich aufgeklart.
Stabiles Mittelfeld und „Jugend forsch“
Hinter den „Sturmspitzen“ Rahm, McIlroy, Hatton, Matt Fitzpatrick und dem in punkto Dynamik und Optimismus einfach mitreißenden Viktor Hovland steht ein stabiles Mittelfeld mit Tommy Fleetwood, dem 30-Millionen-Dollar-Mann ohne PGA-Tour-Sieg, mit dem Amerika-erprobten Sepp Straka, mit dem Brocken Shane Lowry und dem Ryder-Cup-Routinier Justin Rose, von dem der einstige US-Vizekapitän David Ogrin dieser Tage im Podcast „Radio Golfschau gesagt hat, der englische Olympiasieger von 2016 und US-Open-Champion von 2013 sei Europas Pendant zum von Amerikas Teamchef Zach Johnson unberücksichtigten Keegan Bradley, „nur besser“. Wie auch immer: Dahinter formiert sich „Jugend forsch“ in persona des Senkrechtstarter Ludvig Aberg, von dem nicht nur McIlroy mächtig beeindruckt ist, Robert MacIntyre, dessen Generalprobe bei der Open de France mit einer verpassten Cut leider in die Hose ging, und Nicolai Højberg.
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Das Vierer-Bingo des Wer-mit-wem
Egal, ob Fama oder Fakten, die Beweislast ist also erdrückend: Alles spricht für das Team von Luke Donald. Außer, dass ab morgen früh sämtliche Prognosen Makulatur sind. Denn wie heißt es bekanntlich: „Grau is alle Theorie – entscheidend is auf'm Platz!“
Und damit widmen wir uns zum Abschluss noch ein bisschen dem Vierer-Bingo, dem beliebten „Wer-mit-wem“-Orakeln. Darüber haben sich gleichermaßen alle echten und selbsternannten Experten Gedanken gemacht. Auf US-Seite führt kein Weg am „diabolischen Duo“ Patrick Cantlay/Xander Schauffele vorbei. Auch Jordan Spieth und Justin Thomas scheinen gesetzt, solange sie halbwegs achtbar schlagen. Dahinter wird’s schon schwieriger.
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Vermutbare Konstellationen in Kurzform
Und weil ohnehin niemand in die Köpfe von Donald, Johnson und ihrer Assistenten gucken kann, nachfolgend ein paar vermutbare Konstellationen in Kurzform:
USA: Brooks Koepka/Collin Morikawa oder Koepka/Sam Burns, Scottie Scheffler/Rickie Fowler oder Scheffler/Wyndham Clark und Fowler/Brian Harman, Max Homa/Wyndham Clark oder Homa/Fowler und Morikawa/Harman, Patrick Cantlay/Xander Schauffele, Jordan Spieth/Justin Thomas.
Europa: Rory McIlroy/Viktor Hovland oder McIlroy/Tommy Fleetwood und Hovland/Ludvig Aberg, Tyrrell Hatton/Fleetwood, Jon Rahm/Sepp Straka oder Rahm/Hatton, Shane Lowry/Robert MacIntyre, Matt Fitzpatrick/Justin Rose.
Es gibt nämlich auch Spekulationen, dass es allenfalls der mental megastabile Rahm mit Hatton klarkommen kann – wobei sich da schon zwei echte Hitzköpfe im kongenialen Miteinander üben müssen. Heute am späten Nachmittag sind wir alle schlauer.