Nein, an der Postage Stamp haben sie nichts geändert: Royal Troons Acht ist immer noch ein kleines Biest von 123 Yards (112,4 Meter) und damit das kürzeste Loch aller Plätze und aller Zeiten auf der Rota für die Open Championship. An dem Par-3 mit dem Firth of Clyde im Hintergrund und dem Ailsa Rock am Horizont etwas zu ändern, wäre eh Frevel.
Neun neue Abschläge für die zehnte Open
Neun neue Abschläge hat der Royal Troon Golf Club seinem Linkskurs spendiert, um das Ensemble in South Ayrshire fit zu machen für die zehnte Open Championship der Vereinsanalen und die 152. der Golfgeschichte. Mit 7.385 Yards (6.752,8 Meter) spielt sich das Par-71-Geläuf gegenüber 2016 um 195 Yards (178 Meter) länger, als die heutigen LIV’ler Henrik Stenson und Phil Mickelson eines der epischen Open-Duelle austrugen, das mit dem einzigen Majorsieg des schwedischen „Iceman“ endete.
Erst mit der Postage Stamp beginnt die Runde richtig
Aber warum beginnt man mit einem Platzporträt ausgerechnet hier? Weil die einst Ailsa genannte, mit der winzigen Puttfläche wie eine Briefmarke in der Postkartenkulisse klebende Acht das wohl berüchtigtste Par-3 der Welt ist. Und weil hier in den sandigen Verwerfungen der Dünenlandschaft die Runde von Royal Troon eigentlich erst richtig beginnt. Wenngleich schon das Panorama am ersten Abschlag Gänsehaut generiert.
Pretty cool walk for players onto the first tee at the Open. pic.twitter.com/u4lygajibO
— Eamon Lynch (@eamonlynch) July 13, 2024
Schatzkästchen der Spielfelder an Schottlands Westküste
Dieses Royal Troon in South Ayrshire ist ein Sinnbild für die sublime Großartigkeit von Linksgolf und ein Diamant im Schatzkästchen der Spielfelder an Schottlands Westküste: Man nehme einen Streifen zerzauster, spröder Natur, maximal eine Düne vom Meer entfernt, folge mit dem Mäher der Gestalt des Geländes und schneide Bahnen ins struppige Gras, löchere das Ganze wie eine Garbe aus der Schrotflinte mit Topfbunkern und Puttflächen und lasse den Sandboden austrocknen, in den sich das Festuca-Gras krallt. Fertig ist das Open-Opus.
Campingplatz trennt Troon von Prestwick
Genauso haben sie es gemacht, 1878, als der Club gegründet wurde. George Strath, der erste Clubpro, ernannt 1881, hatte originär fünf Löcher ausgesteckt. Sieben Jahre später erweiterte er das Routing in Zusammenarbeit mit Willie Fernie auf 18 Löcher. Letzterer hatte 1882 nebenan in Prestwick die 23. Open gewonnen. Und „nebenan“ ist durchaus wörtlich zu nehmen. Die Clubhäuser von Royal Troon und des Prestwick Golf Club, wo 1860 das weltältesten Major begründet wurde, liegen schlappe 7,6 Kilometer auseinander. Heute stoßen die Enden der jeweiligen Out-Nine beinahe zusammen, getrennt bloß von einem Caravan- und Campingplatz namens Prestwick Holiday Park.
Open-Wiege irgendwann vom Interesse überrollt
Prestwick war von 1860 bis 1872 alleiniger Open-Schauplatz, wurde indes irgendwann von Golfboom und öffentlichem Interesse buchstäblich überrannt. Die Besucher kamen zuhauf an die Küste, um die Golfgladiatoren live auf dem Grün zu sehen. Nichts anderes war Profigolf damals: Eine Horde Rabauken, oft des Lesens und Schreibens unkundig, keulte Bälle durch die Gegend, der Sinn des Spiels lag vor allem in den Wetten auf die Preiskämpfer.
1909 entstand die berühmte, 112 Meter lange Briefmarke
Troon nebenan hatte für all das mehr Platz und erlebte 1923 die erste Open, Prestwick zwei Jahre später wiederum die letzte. Schon 1909 hat Fernie, der als Nachfolger von Strath 37 Jahre lange Troons Pro sein sollte, dem Platz das Signature Hole verpasst. Inmitten eines wogenden Meers aus Sand, Gras und Ginster, flankiert von kraterartigen Bunkern und mit einem gerade mal 245 Quadratmeter einnehmenden, nierenförmigen Grün ist die Postage Stamp quasi ein Synonym des Troon‘schen Leitspruchs Tam Arte Quam Marte: Mehr Kunst als Kraft.
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Das Debakel des Hermann Tissies
1950 spielte der deutsche Amateurmeister Hermann Tissies auf Loch acht vier Mal übers Grün, von Bunker zu Bunker, und brauchte am Ende noch drei Putts, um zur 15 zu lochen. 1973 schoss der 71-jährige Gene Sarazen bei seiner letzten Open ein Ass. 1997 benötigte Tiger Woods zwei Bunkerschläge und drei Putts zur Sechs. 2004 später gelang Ernie Els ebenfalls ein Hole-in-one. Seit 2016 fängt ein per Drahtseil mitlaufende Kamera ein, was die „Briefmarke“ so an Triumphen zulässt oder Tragödien verursacht. Außerdem wurden Kameras in den höllischen Pottbunkern installiert, um die „Sandkastenspiele“ der Akteure einzufangen.
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The Railway: einschüchterndes 448-Meter-Brett
Zuvor indes ist das „Out“ des klassischen, 6.575 Meter langen Par-71-Linkslayouts von Royal Troon – wie erwähnt – eher beschaulich, die kurzen Par-4-Bahnen entlang des Firth of Clyde bieten allerhand Möglichkeiten zum Birdie. Je weiter man sich freilich vom Clubhaus entfernt, desto härter wird‘s. Erst die Briefmarke. Dann die Elf, ein zum Par-4 erklärtes einschüchterndes 448-Meter-Brett, ebenfalls Willie Fernies Werk. Wehe, man zittert beim blinden Drive über Ginster: Das Fairway wird auf ganzer Länge rechts von Out of Bounds und Eisenbahnschienen flankiert. Deswegen auch der Name: The Railway.
Gefürchtete Back Nine, erst Recht im Seewind
In der Folge findet sich ebenfalls wenig Entspannung. Anfang des 20. Jahrhunderts legte als Letzter James Braid, fünffacher Open-Sieger zwischen 1901 und 1910, Hand ans Kursdesign. Troons „Heimweg“ ist gefürchtet: Gary Player sprach mal von der „schwierigsten Back Nine der Welt, wenn der Seewind bläst“.
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