Tee eins des Riviera Country Clubs zu Los Angeles liegt fast 70 Meter oberhalb seines Fairways. Am 27. Februar 1992 drosch dort ein 16-jähriger Highschool-Zehntklässler seinen Abschlag mit einem Holz drei knapp 260 Meter weit in Richtung Grün. Sein Name: Eldrick Tont Woods, genannt Tiger. Per Sponsoreneinladung gab der amtierende US-Junior-Amateurmeister damals seine Visitenkarte bei der Nissan Open ab, die seit 2017 als Genesis Open bzw. Invitational firmiert, und zündete mit diesem ersten Drive bei einem Profi-Golfturnier wie auf der PGA Tour eine wahrhaft kapitale Karriere.
.@TigerWoods is returning to Riviera for the @GenesisOpen!
He made his PGA TOUR debut there in 1992 at age 16. pic.twitter.com/A2wtlS9x7y
— PGA TOUR (@PGATOUR) January 4, 2018
Diese Woche ist Woods wieder da, als Gastgeber mit seiner TGR Stiftung und – wie überraschend – als Teilnehmer. Es ist das erste reguläre Turnier auf der PGA Tour außerhalb der Majors, das der 15-fache Majorsieger seit jenem verhängnisvollen Unfall im Nachgang der 2021er-Auflage bestreitet, der ihn fast das Leben und die Fortsetzung der gegen allen körperlichen Verschleiß ohnehin mühsam wieder aufgebauten Golfgröße gekostet hätte. Die Kollegen, allen voran Max Homa, der Sieger vor zwei Jahren, und Jon Rahm, finden „großartig, dass er es versucht – nach allem, was er durchgemacht hat“ (Rahm), und würden den 47-Jährigen notfalls auch „die Eins runter und die 18 wieder hoch tragen“ (Homa).
Bunte, facettenreiche und pittoreske Historie
Mal abwarten, wie sich Tigers schiefes Gangbild verändert und wie er seine Entzündung der Sehnenplatte in der rechten Fußsohle (plantare Fasziitis) auskuriert hat: Der GOAT in einer Sänfte, mit Homa, Rahm und Co. an den Griffstangen, würde jedenfalls durchaus in die bunte, facettenreiche und ab und an durchaus pittoreske Historie des Riviera Country Club passen. Was nicht zuletzt daran liegt, dass den schicken innerstädtischen Landclub im L.A.-Vorort Pacific Palisades keine 20 Kilometer von Hollywood trennen.
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Die Anfahrt bereits ist standesgemäß, vom Nobelviertel Beverly Hills geht‘s rund 13 Kilometer lang nahezu ausschließlich auf dem legendären Sunset Boulevard nach Pacific Palisades, vorbei an Filmstudios und Refugien wie dem Los Angeles Country Club oder dem Bel-Air Country Club. Die „Stadt der Engel“ hat eine Handvoll megaexklusiver Golfanlagen. Bel-Air zum Beispiel ist einige Monate älter als Riviera, der Los Angeles CC möglicherweise um ein paar Mitgliedermillionen reicher.
Tummelplatz der Traumfabrik
Doch „The Riv“ mit seiner einzigartigen Melange aus Mythos und Marketing ist seit der Eröffnung 1926 ein Universum für sich und in gleich mehrfacher Weise wahrlich ein Tummelplatz der Traumfabrik. Hier golfen nicht nur von jeher Kintopp-Berühmtheiten und sonstige Größen: Regisseure verlegten den Film-Set aufs üppige Grün und ließen spielen, zudem war das Areal von jeher Schauplatz großer Wettbewerbe.
Majors, Olympia-Reiten und Liz Taylor
Dabei ging es nicht immer bloß um Golf, wenngleich die Annalen mit allein vier Majors – der US Open 1948, der PGA Championship 1983 und 1995 sowie der US Senior Open 1998 – diesbezüglich bereits gut bestückt sind. Auf den damals noch existierenden Polo-Anlagen von Riviera wurden einige Reiterwettbewerbe der Olympischen Sommerspiele von Los Angeles 1932 ausgetragen. Zehn Jahre später nahm dort eine Nachwuchsschauspielerin Reitunterricht, die auf der Leinwand wie im Leben zur vielleicht größten Diva aller Zeiten werden sollte: Liz Taylor. Mit dem Familien- und Pferdestreifen „National Velvet“ („Kleines Mädchen, großes Herz“) avancierte die Zwölfjährige zum Kinderstar.
1953 wiederum blödelte und sang sich das kongeniale Duo Jerry Lewis/Dean Martin – letzterer ebenso Clubmitglied wie „Rat Pack“-Kumpel Sammy Davis Jr. – im Zelluloid-Klamauk „The Caddy“ (deutsch: „Der Tollpatsch“) über Rivieras Fairways.
Als Statisten ließen sich sogar Golfer vom Kaliber eines Ben Hogan, Byron Nelson und Sam Snead einspannen, die als beherrschende Akteure ihrer Zeit gelten. 1951 hatte Glenn Ford in der Biographie „Follow the Sun“ eben jenen Ben Hogan und dessen dramatische Karriere verkörpert; zahlreiche Szenen entstanden in Hogans zweiter sportlicher Heimat Riviera, wo „The Hawk“ drei Jahre zuvor die „Offene Amerikanische“ gewonnen hatte.
„Hogan‘s Alley“
Überhaupt: Hogan! Der neunfache Majorsieger mit den Parallelen zu Woods’ unfallbedingtem Leidensweg gewann in Pacific Palisades 1947 und 1948 die Los Angeles Open und dann im Juni ‘48 auch seine erste von vier US Open. Seit dieser Erfolgsserie trägt der Riviera-Golfplatz den Beinamen „Hogan‘s Alley“.
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Architekt der Par-71-„Siegerstraße“ war George C. Thomas, einer aus Amerikas „Goldenem Zeitalter“ des Golfplatz-Baus. Der Star-Designer heuerte 1925 nur unter der Bedingung eines unbegrenzten Etats an. Das gesamte Country-Club-Projekt verschlang die damals horrende Summe von 243.827,63 Dollar. 15 Layout-Varianten entwarf Thomas, bis ihm der Plan passte, nach 18 Monaten Bauzeit war das Werk vollbracht und fand großen Anklang. Der Augusta-National-Schöpfer Dr. Alister MacKenzie lobte den Kurs als „so perfekt, wie man es nur machen kann“. Bobby Jones spielte 1931 eine 73 und fragte sich angesichts des Schwierigkeitsgrads, wie die Mitglieder zurecht kommen: „Wo sollen die denn spielen?“
Die Zehn: Eines der weltbesten Par-4
Bis heute zählt der im Lauf der Jahre nur geringfügig modifizierte Riviera Country Club zu den großen strategischen Plätzen. Der Kurs ist einer aus der alten Schule – keins der modernen Monster, deren erste Schwierigkeit in der schieren Länge liegt. Vielmehr ein Parcours, der den modernen Spielern und ihrem Weltraummaterial mit grandioser Gestaltung und herausragendem Design Paroli bietet, Intelligenz statt Kraftmeierei verlangt.
Und seine Bahn zehn gilt als eines der weltbesten Par-4: Der Back-Nine-Auftakt misst bloß 288 Meter, ist aber ein Loch für kluge Köpfe. Vorzulegen empfiehlt sich immer, auch wenn das schmale, stark hängende Grün vom Abschlag aus direkt erreichbar ist. Denn wehe, einer verfehlt es und muss sich aus einem der drei Bunker oder aus dem Rough an die Fahne kämpfen.
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Aber zurück zu Rivieras Geschichte und ein paar Anekdoten aus der Kino-Klamottenkiste. Selbst, als auf der Leinwand noch nicht gesprochen wurde, war der Club für Hollywood eine angesagte Hausnummer. Zu den frühen Mitgliedern gehörten die Stummfilm-Idole Mary Pickford und Douglas Fairbanks; das Paar war unter anderem maßgeblich an der Gründung der Academy of Motion Picture Arts and Sciences beteiligt, die am 12. März zum 95. Mal ihre begehrten goldenen Gesellen mit dem offiziellen Namen Academy Awards verteilt, besser bekannt als Oscars.
250.000 Dollar Aufnahmegebühr
Von Kino-Beau Douglas Fairbanks ist übrigens überliefert, dass er gern Prämien für besonders gute Golfergebnisse auslobte, beispielsweise anlässlich der Los Angeles Open 1929, die damals fast Majorstatus hatte. 400 Dollar Preisgeld winkten vormals dem Sieger, heuer spielt das Feld beim zweiten vollwertigen Designated Event der PGA Tour um einen Topf von 20 Millionen Dollar. Und wer im 21. Jahrhundert dem Riviera Country Club als Mitglied angehören will, muss 250.000 Dollar Eintrittsgebühr hinblättern – golfambitionierte Celebrities wie Hollywoods „Marky Mark“ Wahlberg, die Faxenmacher Adam Sandler und Chevy Chase oder der American-Football-GOAT Tom Brady beispielsweise.
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Auch frühere Clubchroniken lesen sich wie ein Hollywood-Who’s-Who: Charlie Chaplin, Walt Disney, Howard Hughes, Rita Hayworth, Gregory Peck, das Ehepaar Katherine Hepburn und Spencer Tracy, um nur einige wenige zu nennen. Tarzan-Legende Johnny Weissmüller war bekannt für weit fliegende Bälle, der fünffache Schwimm-Olympiasieger pflegte einen äußerst kraftvollen Golfschwung. Und über Clubmitglied Humphrey Bogart schrieb der Los-Angeles-Times-Sportjournalist und Pulitzer-Preisträger Jim Murray mal: „Bogart saß gern unter dem Baum am Zugang zum zwölften Loch, im Mantel und mit einer Thermosflasche, von der nur der liebe Gott wusste, was sie enthielt.“
Olympischer Golfplatz 2028
Später hielten Bob Hope und Bing Crosby ihre berühmten Charity-Turniere in Riviera ab oder zockten einfach um Lochgewinne und Schlagverluste. James Garner ließ an der Bar seinen Charme spielen. Peter Falk vertauschte den zerknitterten Trenchcoat gegen das Golfer-Habit und erholte sich auf der Runde von den Ermittlungsarbeiten als TV-Privatdetektiv Columbo.
So reihen sich in Riviera sporthistorische Marken an gesellschaftliche Begebenheiten, golferische Anekdoten an Jetset-Schnurren. Vieles davon hängt in gerahmter fotografischer Form an den Wänden des weitläufigen und verschachtelten Clubhauses. Die Sieger sowieso: Sam Snead, Byron Nelson, Tom Watson, Fred Couples beim Tiger-Debüt 1992, Nick Faldo, Ernie Els, Phil Mickelson – Woods hat übrigens nie gewonnen. Und das nächste bedeutsame Kapitel ist schon angelegt: 2028 wird der Riviera Country Club erneut olympische Bühne, diesmal für das Golfturnier im Zeichen der fünf Ringe.