Das Masters 2024 war eine Enttäuschung. Nein, nicht in sportlicher Hinsicht. Dafür hatte die Konstellation mit Branchenprimus Scottie Scheffler, mit dem schwedischen Senkrechtstarter Ludvig Åberg und dem beinahe aus dem Nichts auftauchenden Tommy Fleetwood, mit „Peoples Player Max Homa“ sowie den LIV’lern Bryson DeChambeau und Cameron Smith genug Brisanz und Feuer.
Bloß 9,589 Millionen TV-Zuschauer am Masters-Sonntag
Für die Fans am Fernsehen freilich war das offenbar nicht spannend genug. Bloß noch 9,589 Millionen saßen am Sonntag vor der Glotze und sahen beim Sender „CBS“ Schefflers Triumphmarsch; nachdem „ESPN“ noch den reichweitenstärksten Donnerstag und Freitag seit sechs Jahren vermeldet hatte, weil alle Welt gespannt war, wie Tiger Woods in dieses 88. Masters starten würde.
Golf viewership continues to drop: CBS drew 9.589M viewers for the final round of the Masters on Sunday, down 20% from last year.
Scottie Scheffler's four-shot win was the second-largest deficit of the season.
Lowest final round since 2021 (9.450M for Hideki Matsuyama's win) pic.twitter.com/gZsrJ1ZUam
— Josh Carpenter (@JoshACarpenter) April 16, 2024
Damit setzte sich beim ersten Major des Jahres eine Entwicklung fort, die durch das Turnier im Augusta National Golf Club eigentlich eine Trendwende erfahren sollte. Die TV-Zuschauer wenden sich vom Profigolf der Männer ab. 20 ist die magische Zahl: etwa 20 Prozent weniger Einschaltquote im Mittel für die bisherige Saison, rund 20 Prozent weniger am Master-Finaltag. Über die Gründe wird landauf, landab sinniert und diskutiert; Jay Monahan hatte in seiner Eigenschaft als CEO des künftigen Tour-Sachwalters PGA Tour Enterprises gar in der Folgewoche auf Hilton Head Island eine Art Krisensitzung mit dem Schwerpunkt „Fans First“ einberufen.
Golfspiel von Woods’scher Dominanz allein reicht nicht
Ein Scottie Scheffler allein reicht offenbar nicht, wenngleich sein Golfspiel von Woods’scher Dominanz ist. Aber dem Weltranglistenersten fehlt halt der geradezu magnetische Nimbus von Unnahbarkeit, Verschlossenheit, Misstrauen, Ignoranz und Arroganz, der Tiger Woods zu dessen Hochzeiten umwehte, als der GOAT nicht nur in einer eigenen Dimension spielte, sondern dort auch persönlich weilte. Oder glaubt irgendwer, er hätte artig die Fragen der Presse nach den Vorbereitungen aufs erste Kind beantwortet wie Scheffler vor dem Masters?
Mehr Prime-Time-Fernsehzeit für Damengolf
Schefflers Pendant bei den Damen ist Nelly Korda, noch ohne Kind, dafür mit fünf Siegen in Serie, was vor ihr nur Nancy Lopez und Annika Sörenstam gelungen ist. Die 25-Jähre spielt auf mindestens demselben Niveau und strahlt auf dem Platz zudem eine tigererske Souveränität bei gleichzeitiger Entrücktheit aus. Doch das wollen viel zu wenige sehen. An gutem Golf mangelt es auf der LPGA Tour keineswegs, ganz im Gegenteil. Auch am Interesse nicht. Doch die Brillanz von Korda und Co. wird in den Chefetagen der US-Sendeanstalten als nicht attraktiv genug angesehen, um dem Damengolf mehr Fernsehzeit einzuräumen, mit mehr Kameras und technische Kabinettstückchen eine besondere Bühne zu bereiten und insgesamt den Aufwand zu betreiben, der den Herren mit Vor-Ort-Studios, Experten im Dutzend wichtiger, Netflix-Dokus etc. gewidmet wird.
„Wir brauchen die Unterstützung der TV-Sender“
„Wir müssen zur Hauptsendezeit im Fernsehen zu sehen sein, und wir müssen die Talente präsentieren, die wir hier haben, und das sind eine Menge“, monierte Korda zu Recht: „Wir brauchen nicht nur die Unterstützung der Zuschauer, sondern auch die der Fernsehsender.“ Oder anders: Wenn Frauengolf im Fernsehen so erfolgreich sein soll wie Männergolf, muss es im Fernsehen wie Männergolf gezeigt werden. Zumal sich Otto Normalgolfer bekanntermaßen bei den Damen mehr fürs eigene Spiel abgucken als vom Scheffler-Shuffle und den Monsterschwüngen von McIlroy und DeChambeau.
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McIlroy kehrt in Verwaltungsrat der PGA Tour zurück
Apropos, die beiden lieferten sich schon vor dem Masters ein indirektes Duett in Sachen Ursachenforschung für den Interessenschwund beim Golffan. McIlroy, der überraschenderweise wieder in den Verwaltungsrat der PGA Tour einzieht, dort Webb Simpson ersetzt und glaubt, „ich kann in der jetzigen Situation hilfreich und Nutzen sein“, hatte die Spaltung in der Beletage des Herren-Profigolf adressiert. „Ich habe immer wieder gesagt, dass dies unhaltbar ist und korrigiert werden muss. 20 Prozent sind eine wirklich erschreckende Zahl“, so der Nordire während der Texas Open. „Ich würde sagen, die Zahlen von LIV sind auch nicht so toll, was die Einschaltquoten angeht. Ich denke einfach, dass die Leute des Ballyhoo und der Auseinandersetzung wirklich müde und überdrüssig sind und sich daher vom Profigolf der Männer abwenden.“
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Kurz: Das Theater der Touren mit dem Establishment auf der einen und der LIV-Liga auf der anderen Seite sei auf Dauer nicht gut für den Sport. Ach was. DeChambeau stieß ins selbe Horn. Der Schlaukopf ist neben dem im neuen Umfeld eher unglücklich wirkenden Jon Rahm einer der wenigen LIV-Leute, die sich öffentlich und lautstark für die Wiedervereinigung aussprechen: „Das muss eher früher als später passieren – einfach zum Wohle des Sports. Allzu viele Leute verlieren derzeit das Interesse.“
Masters hat das Problem brutal verdeutlicht
Um noch mal aufs Masters zurückzukommen: „Es wird interessant sein zu sehen, wie sich die TV-Quoten bei den Majors im Vergleich zu den sonstigen Turnieren entwickeln, wenn die besten Spieler der Welt wieder gemeinsam am Start sind“, hatte McIlroy im Vorfeld von Augusta gesagt. Eine erste Antwort ist gegeben, und sie fällt deprimierend aus. Offenbar lockt nicht mal ein echtes Gipfeltreffen die Leute vor den Fernseher. So gesehen kaschierte das Masters nicht die Problemlage, wie „Golfweek“ unlängst mit folgender Schlagzeile titelte: „Die Magie des Masters kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Golfsport der Männer in Schwierigkeiten steckt.“ Vielmehr verdeutlichen die entsprechenden Zahlen mit ernüchternder Brutalität, dass nicht mal die Majors als Balsam fürs verprellte TV-Publikum taugen.
„Leute haben es satt, immer nur vom Geld zu hören“
Und damit Bühne frei für Matt Fitzpatrick. Der englische US-Open-Champion von 2022 hat seine eigene Sicht der Dinge. Für „Fizzy“ ist weniger das Schisma zwischen PGA Tour und LIV Golf schuld, denn das schwindelerregende Wettrüsten mit Preisgeldern und Boni. „Wenn ich mit den Leuten zu Hause spreche, dann haben sie es satt, immer nur vom Geld zu hören“, sagt der 29-Jährige neulich. „Ich denke, das ist das größte Problem: Der bekommt soviel, der andere soviel. Es geht nur noch ums Geld. Ich kann sehen, dass das sehr schnell ermüdend wird.“ Da hat er einen Punkt, den auch Max Homa teilt. Und der liegt eigentlich auf der Hand. Denn hier taucht erneut die „20“ auf. Seit bei den Signature Events jeweils 20 Millionen im Preisgeldtopf liegen, sind die Einschaltquoten im Sinkflug – aktuell mit einem Minus von 20 Prozent. Ein pikanter und bezeichnender Zufall.
„Wir sind als Golfer und als Golftouren in einen Trott geraten, bei dem es nur darum ging, die Spieler glücklich zu machen. Leider und ganz offensichtlich haben die Fans davon nicht profitiert. Ich weiß allerdings auch nicht, warum die sich dafür interessieren sollten, wie viel Geld wir verdienen und wie viel mehr Geld wir verdienen wollen. Letztlich ist das alles nur ziemlich ekelhaft.“
Max Homa
Pecunia non olet, sagten die alten Lateiner. Aber offenbar stinkt Geld doch. oder es hat in derart obszönem Ausmaß mindestens ein Geschmäckle von Degoutanz und Dekadenz. Und das riecht der Fan durch den Fernseher.