Die Uhr tickt dem neuen Jahr entgegen, wenige Stunden noch, dann ist‘s vorbei mit dem Putten per am Körper verankertem Schläger. Ab 1. Januar 2016 greift die neue Golfregel 14-1b, und für einen aus dem Profilager kommt der „Anchoring“-Bann quasi einem Berufsverbot gleich. Tim Clark leidet seit Geburt an einer motorischen Fehlfunktion der Unterarme, die sich noch am besten mit Supinations-Defizit benennen lässt. Anders als ein Bernhard Langer, Adam Scott oder Landsmann Ernie Els kann der 40-jährige Südafrikaner einen kurzen Putter schlichtweg nicht richtig greifen.
Medizinisches Fachchinesisch
„Ich kriege das nicht hin, wenn der Putter nah an meinem Körper sein soll“, erklärt Clark, der seit 20 Jahren mit dem „Broomstick“ hantiert, „weil ich meine Ellbogen nicht vor der Brust zusammen ziehen kann.“ Beim Suchen nach der korrekten Bezeichnung dieser Beeinträchtigung, die Clark durchaus als Behinderung versteht, landet man schnell im Fachchinesisch, bei Ulnardeviation, intrinsischen intercarpalen Ligamenten und dem triangulären fibrokartilaginären Komplex.
Klingt schrecklich kompliziert, ist es auch, muss man aber nicht wissen. Ganz simpel: Clark kann seine Unterarme, vor allem den linken, nicht nach außen drehen. Beispiel? Halten Sie die Arme vor sich und drehen Sie die Handflächen zum Himmel. Einfach? Clark kann‘s mit links nicht mal ansatzweise. Auf der Tour nennen sie den 1,70 Meter großen Mann aus Durban „Pinguin“.
Hand aufhalten geht nicht
Im Alltag ist das noch witzig, immer wieder kommt es zu skurrilen Situationen. Etwa, wenn Clark Wechselgeld entgegen nehmen soll: Er kann die Hand halt nicht aufhalten. Was ihn im übertragenen Sinn für Bestechungen unempfänglich macht, belustigt den Hardrock-Fan und seine Freunde immer aufs Neue. „Versuch mal, ihm Erdnüsse in die Hand zu schütten“, erzählt Trevor Immelman, der südafrikanische Masters-Sieger von 2008: „Lustig wird‘s auch an der Essensausgabe. Tim kann kein Tablett einhändig balancieren.“
„Stimmt“, pflichtet der bei, „ein Kellnerjob wäre nichts für mich.“ Und „Gimme five“ geht ebenfalls nicht, Clark kann den Klaps auf die offene Hand nicht annehmen.
Wenn‘s um den Job geht, freilich, dann hört der Spaß auf. „Ich hatte eigentlich geplant, Golf zu spielen, bis ich dazu körperlich nicht mehr in der Lage bin“, sagt Clark. „Mit dem ,Anchoring‘-Bann kommt das vielleicht früher als erwartet.“ Bislang hat sich der untersetzte Profi, der auch mit dem Driver nicht besonders lang ist, im bezahlten Golfsport beachtlich geschlagen.
Ungewisse Zukunft
Clark, der seine Hölzer und die Eisen problemlos, weil ja mit ausgestreckten Armen sowie angepasstem Handgelenks-Überrollen schwingt – und das höchst präzise –, war immerhin Dritter der PGA Championship 2003 und der US Open 2005 sowie Zweiter beim Masters 2006. 2010 gewann er die Players Championship, 2014 die Canadian Open, weltweit weitere zwölf Turniere, er bringt es auf knapp 25 Millionen Dollar Karrierepreisgeld. „Jetzt“, befürchtet die aktuelle Nummer 151 der Welt, „ist meine Zukunft ungewiss“.
Als die ersten Debatten um den Gebrauch von Belly- und Besenstiel-Puttern aufkamen, machte sich Clark zum Vorredner der „Anchoring“-Lobby. Bei einer Anhörung der PGA Tour überzeugte er mit einem ausgefeilten, faktenlastigen und überzeugenden Plädoyer. Es half nichts.
„Sidesaddle“ oder was?
Den Gedanken, einen Anwalt einzuschalten, um eine „Medical Exemption“ einzuklagen, verwarf Clark indes schnell: „Ich will nicht der einzige sein, und ebenso wenig wie ein Opfer da stehen.“ Folglich muss eine alternative Putt-Methode her, „mit einem längeren Putter und einer ähnlichen Ausführung, aber einer, die nicht verankert ist“.
Schon 2014 wurde Clark dabei „erwischt“, auf dem Übungsgrün im sogenannten „Sidesaddle“-Stil zu putten. Der Spieler steht hinter dem Ball und schwingt das Gerät frontal nach vorne. 2015 trat er mit der „Matt-Kuchar-Version“ bei der Travelers Championship an, ein tiefer Griff zum Putter ermöglicht ausgestreckte, seitlich am Körper liegende Arme. Endgültig war das allerdings wohl auch nicht: „Ich habe etliche Techniken ausprobiert, aber – um ehrlich zu sein – habe ich noch keine Schimmer, was ich letztlich machen werde.“