Neulich endete ein Furor an dieser Stelle mit dem „Habe-fertig“-Schlusssatz von Giovanni Trappatonis legendärer Wutrede, heute darf es zum Auftakt dieser Betrachtung, die eigentlich ein Nekrolog ist, ebenfalls ein (modifiziertes) Zitat des einstigen Bayern-München-Trainers aus seinem Medien-Monolog vom 10. März 1998 sein: Was erlauben Mickelson?
Oder noch anders: Welche Natter hat die PGA Tour da seit 1992, seit dem Wechsel des Linkshänders ins Profilager, an ihrer Brust genährt? Im Lauf von 30 Jahren als Berufsgolfer hat er sechs Majors, die Players Championship, zwei WGC-Titel und 33 sonstige PGA-Tour-Turniere gewonnen, mehr als 94 Millionen Dollar an Preisgeldern eingesackt, summa summarum ein Vermögen von über 800 Millionen Dollar angehäuft.
„Scary Motherfuckers“
Und dann das: „Die Tour tut so, als sei sie eine Demokratie, dabei ist sie in Wirklichkeit eine Diktatur“, die „mit manipulativen, zwanghaften und starken Taktiken“ arbeite. Aha, deswegen also der sprichwörtliche Pakt mit dem Teufel: Mickelson macht mit den Saudis und ihrer Attacke auf das Golf-Establishment gemeinsame Sache, obwohl er sie für „Scary Motherfuckers“ hält. Er löhnt gar für die Anwälte, die beim Konstrukt des Konkurrenz-Circuits halfen, um „ein Druckmittel gegen die Tour“ zu haben. Der Zweck heiligt jedes Mittel, ohne Rücksicht auf Verluste.
Immerhin sollen ihm im Gegenzug 100 Millionen Dollar fürs Gastspiel auf besagter Super Golf League zugesichert worden sein – als goldener Gang in die Golfrente. Ob er tatsächlich dort spielen würde, ließ Mickelson offen: „Ich bin nicht sicher, ob ich überhaupt will, dass es ein Erfolg wird. Aber allein das Szenario ermöglicht es uns, notwendige Dinge mit der Tour zu regeln.“
„Sie sind gruselige Hurensöhne und es ist beängstigend, sich mit ihnen einzulassen. Wir wissen, dass sie den [Washington-Post-Reporter] Jamal Khashoggi getötet und eine schreckliche Menschenrechtsbilanz haben. Sie richten dort Leute hin, weil sie schwul sind. Wenn man das alles weiß, warum macht man es dann trotzdem? Weil es eine einmalige Gelegenheit ist, die Funktionsweise der PGA Tour neu zu gestalten.“
Phil Mickelson
Der Kalifornier kann noch so sehr vom Hebel des Ausgleichs schwafeln und über die notwendige Wahrnehmung für die breite Masse der Spieler schwadronieren: Zuvorderst geht es ihm nur um einen bestimmten Akteur – um Philip Alfred Mickelson und dessen Wohlstandsmehrung.
Auf der Tour gibt es fürderhin nicht mehr viel zu gewinnen, also will der fast 52-Jährige für die alten Tage noch so viel Penunzen wie möglich aus dem Lebenswerk pressen. Am liebsten auf eigene Rechnung. Deswegen hat er zuvor schon mit falschen Zahlen und Fake News das Fass mit den Medienrechten aufgemacht und der Tour „Obnoxious Greed“, „widerliche Gier“ attestiert. „Obnoxious“ in seiner Unersättlichkeit ist bei dem schamlosen Schmierenstück freilich bloß einer.
Manipulativer Machtmensch
An dieser Stelle ist dann eine Danksagung an Alan Shipnuck fällig. Dem Golfjournalisten, der mal für „Sports Illustrated“ geschrieben hat und mittlerweile einem Autoren-Netzwerk namens „Firepit Collective“ angehört, gebührt das Verdienst, „Leftys“ Äußerungen in einem Telefonat vom November 2021 nun 1:1 wiedergegeben zu haben – aus Naivität oder mit Vorsatz, immerhin gilt es, eine alsbald erscheinende und übrigens unautorisierte Biographie über „Golf’s Most Colorful Superstar“ zu promoten. Sei’s drum: Die Maske des Machiavelli Mickelson ist gefallen, der manipulative Machtmensch für jedermann sichtbar. Endlich.
Den Beobachter lässt das erst fassungslos, dann empört zurück, kurz darauf beginnt die Suche nach den geeigneten Adjektiven für diese Attitüde: selbstgefällig, anmaßend, abgehoben, ignorant und von erbärmlichem Egoismus …
Parallel flackert der Gedanke auf, dass Mickelson mit seiner Ego-Tour und seinen absurden Äußerungen sogar den letzten Nagel in den Sarg geschlagen hat, in dem die Saudi-Saga jetzt fürs Erste zu Grabe getragen wird.
Hand aufs Herz, mit solchen Machenschaften will selbst der Geldgierigste womöglich nichts zu tun haben – da greifen nicht mal mehr die erprobten Euphemismen: „Ich bin kein Politiker.“ Oder: „Mir geht es um die Golfentwicklung.“ Etc., pp.
Perfekte Dramaturgie in Riviera
So lief denn vergangene Woche im Riviera Country Club, nicht weit entfernt von den Filmstudios der Traumfabrik Hollywood, ein Schaustück ab, das kein Dramaturg besser hätte inszenieren können, um dem usurpatorischen Ungetüm einer Saudi-Liga XXL den Garaus zu machen: Auf einem Platz, der zu den Kronjuwelen des Spiels gehört, trifft sich ein Major würdiges Teilnehmerfeld zu einem Traditionsturnier, das als Los Angeles Open fast mal Major-Status hatte.
Gastgeber des Genesis Invitational ist Tiger Woods, der sich mit wohlerwogenen und keineswegs unkritischen Worten längst zur PGA Tour bekannt hat und dem alle folgen, weil er nach wie vor die Achse ist, um die sich der Golfglobus dreht.
„Tiger ist das Epizentrum unserer Welt. Ohne hin steht alles auf wackligen Beinen, egal wann er wieder spielen wird. Wenn sie nicht mal seinen Segen haben, hat das ganze Unterfangen keine Chance.“
Rory McIlroy
In diesem perfekten Setting marschierte einer nach dem anderen auf, machte Front gegen die Saudis und erneuerte den Treueschwur zur Tour, allen voran der Weltranglisten-Erste Jon Rahm: „Dies ist das erste und bleibt das einzige Mal, dass ich offiziell und unmissverständliche äußere. Ich bin Mitglied des Spielerbeirats und habe großes Vertrauen in [Commissioner] Jay Monahan und das Produkt, das sie uns in Zukunft anbieten werden.“
Zusatzeinkünfte in zweistelliger Millionenhöhe
Zuguterletzt meldeten sich am Sonntag jene beiden zu Wort, denen man am ehesten Ambitionen der Abtrünnigkeit zugetraut hätte – Dustin Johnson und Bryson DeChambeau, die einer Superliga der Saudis mit ihrer Ehrenerklärung den Coup de Grace, den Gnadenstoß, versetzten. Man wüsste zu gern, was dafür hinter den Kulissen verhandelt und garantiert wurde. Gerüchte wollen wissen, dass „Commish“ Monahan der Profi-Hautevolee via Businessplan jährliche Zusatzeinkünfte in zweistelliger Millionenhöhe, angeblich bis zu 50 Millionen Dollar per annum, in Aussicht gestellt hat.
Wie auch immer: „Damit sind sie am Arsch“, formulierte es Rory McIlroy ebenso drastisch wie treffend. „Mit wem wollen sie denn noch ihr Feld füllen, wenn von den Top-Leuten keiner hingeht?“
Das große Sportswashing-Spektakel fällt aus
Mickelsons breite Masse jedenfalls interessiert Riad und seinen Handlanger Greg Norman herzlich wenig, wenngleich sich Letzter in peinlicher Durchsichtigkeit stets als Sachwalter der Spieler-Selbstbestimmung geriert hat. Sie wollen, ja brauchen Zugnummern, Stars, die Crème de la Crème, um wirklich als Gegenentwurf zu reüssieren.
„Ich kenne die Art und Weise wie solche Typen zu Werke gehen: Sie verbreiten Gerüchte, spielen die Leute gegeneinander aus und sorgen damit für Chaos und Verwirrung – hier hat der Manager was gesagt, dort jener; jeder hinterfragt die Motive des anderen. Am Ende aber ist alles nur Spiegelfechterei und Schall und Rauch. Gut, dass sie damit keinen Keil in unsere Seite treiben konnten.“
Rory McIlroy
Doch davon sind sie derzeit meilenweit entfernt, das ganz große Sportswashing-Spektakel fällt vorerst aus. Einen Versuch wars wert. Vielleicht kauft sich Kronprinz Mohammed bin Salman, der Mann hinter den Machenschaften, stattdessen demnächst die Olympischen Winterspiele oder direkt beide Olympia-Versionen, hängt ja eh ein Preisschild dran, wie man spätestens seit Peking und Sotschi weiß.
PGA Tour nimmt viel neues Geld in die Hand
Gleichwohl bedeutet dieser 20.02.2022 nicht das endgültige Ende des Saudi-Spuks, dafür ist zuviel Geld im Spiel und liegt erstmal brach. Die Saudis werden weiterhin sticheln, mit ihrem Saudi International oder über die International Series auf der Asian Tour, und immer mal wieder mit den Dollars winken.
Andererseits hat das heuchlerische Hebel-Argument ohnehin gewirkt und das Saudi-Schreckgespenst mithin seine Schuldigkeit getan. Siehe das ganze neue Geld, das die PGA Tour in die Hand nimmt, um ihre Bastion gegen den Wind aus der Wüste zu wappnen, der seit Sonntag zu heißer Luft abgeflaut ist: Gesamt-Saisonpreisgeld, FedEx-Cup-Bonus, Player Impact Program, Play-15-Bonus, Gratifikationen für die Top-Ten der Geldrangliste, die Herbsttournee für Teams und und und.
Milliardenerlöse dank Gemeinnützigkeit
Sicher, in Ponte Vedra Beach werden unter dem Schutz der Gemeinnützigkeit als „501(c) Non Profit Organization“ dank opulenter TV-Verträge und bewährter Wirtschaftspartner Milliarden gescheffelt, und man ist im Tour-Hauptquartier gewiss nicht ohne Fehl und Tadel. Indes, die Erlöse wandern halt in niemandes Tasche, sondern zurück in den Kreislauf, der einen Unterbau diverser Circuits unterhält, sein Paradepferd pampert und dessen Darbietungen marktgerecht aufbereitet. Alles im Sinne der „Shareholder“ aka Mitglieder, nämlich der Spieler.
Mickelson war jahrzehntelang „Part of the Deal“ und hat seinen Reichtum und sein Prestige genau diesem System zu verdanken, das ihn getragen hat, als er noch drauf angewiesen war, dem er jetzt als einziger Brutus der gesamtem Belegschaft in den Rücken gefallen ist. Und plötzlich steht „Phil the Thrill“, der anscheinend jedes Maß für Mitte und Moral verloren hat, mit runtergelassenen Hosen da und droht in die Grube zu fallen, die er der Tour graben wollte.
„Sportliches Vermächtnis besudelt“
„Da hat er sich wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert. Solche idiotischen Kommentare, die zudem teils falsch, teils Lügen sind, besudeln fraglos sein sportliches Vermächtnis“, sagt beispielsweise Billy Horschel. „Ich verstehe nicht, warum er so daher redet: Er ist lange genug dabei, um zu wissen wie die Tour arbeitet.“
Phil McHassan from golf
Shipnucks Indiskretion hängt bleiern über Mickelsons Nimbus als Sportsmann und „People’s Player“. In den sozialen Medien bläst ihm ein Sturm ins Gesicht und nur wenige ergreifen zu seinen Gunsten Partei oder wägen in wohlfeilem „Whataboutism“ zwischen Saudi-Schandtaten und Tour-Merkantilismus.
Derweil ist „Lefty“ selbst abgetaucht, bleibt auffallend und ungewohnt still, sein Twitter-Kanal wirkt verwaist. „Ich bin sicher, er sitzt zuhause, überdenkt seine Position und überlegt, wie es weiter geht“, mutmaßt Rory McIlroy. „Man soll nicht noch auf jemanden treten, der eh schon am Boden liegt, aber was er da von sich gegeben hat, war nicht nur überraschend, sondern einfach enttäuschend und traurig“.
Bei der Tour unten durch?
Zu welchem Schluss Mickelson auch immer kommen mag: Er hat sich mächtig verzockt, dürfte bei der Tour unten durch sein. Und wer die sinistren Strolche eines Schurkenstaats als „Hurensöhne“ bezeichnet, ist sicher gut beraten, bis auf weiteres keine Einladungen in Saudi-Botschaften anzunehmen, weder in Istanbul noch anderswo.