Jon Rahm hatte am Donnerstag noch gespottet, als Phil Mickelson aus einem mauen Start mit 38 Schlägen für die Front Nine noch eine 70er-Runde machte: „Wenn er das schafft …“ Gestern zeigte der fünffache Majorsieger dem immer noch majorlosen Spanier auf dem Ocean Course von Kiawah Island mal, was eine Harke ist. Nach einer erneuten 38 auf seiner ersten Schleife, die diesmal auf der Zehn begann, drehte der 50-Jährige richtig auf, erzielte fünf Birdies und setzte sich durch die 69 mit -5 an die Spitze des Felds, wo ihm später Louis Oosthuizen Gesellschaft leistete.
„Leftys“ Leistung an den ersten beiden Tagen dieser 103. PGA Championship lässt Statistiker aktiv werden und Raum für hypothetische Überlegungen. Beispielsweise: Heute spielt er zum ersten Mal seit 2016 wieder an einem Wochenende im Spitzenflight eines Majors.
Oder: Er ist der einzige Spieler, der in jedem der vergangenen vier Jahrzehnte mindestens ein Mal eine Majorführung inne hatte. Und: Bei einem Erfolg am Sonntag wäre er mindestens der älteste PGA-Championship-Sieger aller Zeiten und ältester Majorchampion der modernen Golfära. Es gibt halt für alles eine Statistik. Den Rekord des ältesten Champions „ever“ hält übrigens John Ball Jr., der 1912 im Alter von 51 Jahren die British Amateur gewann.
Wie auch immer: Mickelson, der in dieser Saison auf der PGA Tour noch kein Top-Ten-Ergebnis vorweisen kann, ist in Hochform. Dank seines Bruders Tim am Bag, der „beim Lesen des Winds einen phänomenal guten Job macht“. Und dank eines neuen Driver-Prototypen, den die Experten bei Callaway in mühseliger Entwicklungsarbeit für ihren Star „geschnitzt“ haben. Das Holz eins ist 47,93 Zoll lang und hat einen Loft von 6 Grad, der Kopf wiegt im Vergleich zu den üblichen 196 bis 200 nur 188 Gramm. Trotzdem kommt es letztlich auf den an, der den Schläger schwingt. „Ich muss an jedem Loch meinen Fokus bewahren, sonst frisst das Feld mich auf“, weiß Mickelson.
McIlroy und Koepka im „Pas de deux“
Synchron: Das Video ist kein Fake oder eine Überblendung, Rory McIlroy und Brooks Koepka, die beiden vierfachen Majorsieger, marschierten gestern tatsächlich in perfektem Gleichklang übers Grün. Damit ist die Duplizität aber auch bereits beendet. Während „Mr. Major“ Koepka trotz eines nicht hundertprozentigen Knies und zweier Bogeys im Schlussabschnitt mit nur einem Schlag Rückstand auf das Spitzenduo weiterhin seine dritten PGA Championship im Visier hat, ist „Rors“ mit +3 von selbiger weit entfernt. Aber vielleicht macht der Nordire ja am heutigen Moving Day entscheidend an Boden gut.
Noch mehr Wind und Staus an der 17
Verweht: Der Wind bleibt, wie befürchtet, ein permanenter Faktor für den Verlauf dieser 103. PGA Championship. Gestern frischte er sogar noch mal auf und ließ den Score des Felds erneut anziehen. Die durchschnittliche Schlagzahl erhöhte sich von 74,7 am Donnerstag auf 75,5, und einmal mehr richtete die Back Nine des Ocean Course den größten Schaden auf den Scorekarten der Spieler an – davon wird in der Folge noch im Detail zu lesen sein.
Besonders die vier schwierigsten Bahnen des Platzes, der 14, 15, 17 und 18 machten das Golferleben eher zum Überlebenskampf, das Feld lag hier im Schnitt 2,5 Schläge über Par. Das rund 210 Meter lange 17. Loch mit dem schützenden Wasser entlang der gesamten rechten und den beiden ausladenden Sandgruben auf der linken Seite ist ohnehin ein infernalisches Ensemble, erst recht wenn der Wind mit über 30 km/h bläst. Zu allem Überdruss produzierte das Geschehen rund ums und auf dem Grün einen veritablen Stau, manche Flights mussten bis zu 15 Minuten am Abschlag warten.
„Drama-King“ Cameron Tringale und seine 82
Absturz: Cameron Tringale war der „Drama-King“ des gestrigen Tages. Noch am Donnerstag thronte der Kalifornier phasenweise an der Spitze des Felds, gestern rutschte er binnen fünf Löcher um rund 100 Plätze in den Keller dieser PGA Championship. Tringale begann seine zweite Runde an Loch 10 und spielte auf der Par-3-14 mit sechs Schlägen und auf der Par5-16 mit sage und schreibe zehn Schlägen (zwei davon ins Wasser) jeweils ein „Doppel-Par“. Auf der infernalischen Par-3-17 kassierte er inklusive eines Schlags ins Wasser und eines Ausflugs in den tiefen Sand sogar eine +7. Letztlich schloss der 33-Jährige seine Front Nine mit einem Bogey auf der 18 und insgesamt 48 Schlägen ab.
Golf is hard. pic.twitter.com/3EM8UMvGjA
— GOLF.com (@GOLF_com) May 21, 2021
Respekt, dass er trotzdem nicht aufsteckte, wenngleich die beiden Birdies auf der zweiten Neun den Schaden nur geringfügig lindern konnte: Mit einer 82er-Runde und +8 scheiterte Tringale am Cut.
DeChambeau: „Idiotischer Golfplatz!“
Sinneswandel: Zum Auftakt nannte Bryson DeChambeau den Ocean Course noch „teuflisch“, das war bereits ein zweischneidiges Kompliment. Während des gestrigen, nochmals mehr vom Winde verwehten Tag schnappten die Außenmikrofone auf, dass der US-Open-Champion die Wiese als „idiotischen Golfplatz“ beschimpfte. Dabei war „BDC“ mit 71 Schlägen durchaus gut über die Runde gekommen, aber ihn ärgerten die Bogeys auf der 14 und auf der 18, mit denen fast die drei Birdies auf der Front Nine bedeutungslos geworden wäre.
Der Furor des Eric Van Rooyen
Kontrollverlust: Meist redet man nur über seine stylishen Hosen, doch gestern sorgte Erik Van Rooyen für Gesprächsstoff der andere Art. Nach frustrierenden Ergebnissen auf den brutalen Schlusslöchern des Ocean Course, einem Bogey auf der 14, einem Doppelbogey auf der 15 und einem weiteren Schlagverlust auf der 16 feuerte der Südafrikaner an der schrecklichen 17 seinen Abschlag ins Wasser und rastete komplett aus. Erst zertrümmerte er vor Wut eine Teebox, dann demolierte er sein Eisen. Caddie Alex Gaugert, der sich angesichts seines tobsüchtigen Chefs abgewandt hatte, musste angesichts der herumfliegenden Schlägerkopfs förmlich in Deckung gehen. Van Rooyen hätte vielleicht besser mal „durch die Hose“ geatmet, wie man so sagt, stattdessen aber hier das dokumentarische Material seines Furors aus mehreren Perspektiven:
Erik van Rooyen running a *touch* hot pic.twitter.com/Dfrwjx4J9D
— Josh Berhow (@Josh_Berhow) May 21, 2021
Former #Gophers golfer Erik Van Rooyen just went full Happy Gilmore at the PGA Championship.
— GopherHole.com (@GopherHole) May 21, 2021
Van Rooyen just damaged the tee markers at @PGAChampionship wowww! pic.twitter.com/HqUT3dh9t4
— Make Golf Fun (@makegolfgood) May 21, 2021
Schließlich notierte der 31-Jährige auf dem Par-3-Loch die dritte Sechs in Folge und rutschte mit dieser Runde von +9 deutlich über die Cut-Linie, obwohl er nach dem Auftakt Even Par gelegen war.
Club-Pro Marek und sein Warm-up
Sehenswert: Zwei der 20 Club-Pros im Feld haben den Cut bei der 103. PGA Championship geschafft. Brad Marek liegt mit +2 auf einem außerordentlich guten Platz T32, Ben Cook ist geteilter 63. (+5). „Beim ersten PGA-Tour-Event und zumal auf diesem Kurs am Wochenende mit dabei zu sein, ist die Erfüllung eines Lebenstraums“, sagte der 37-jährige Marek aus dem Nachbarstaat North Carolina, dessen spezielle Aufwärmtechnik ebenfalls Aufmerksamkeit erregt:
BIG RANDY SIGHTING! @NoLayingUp @BigRandyNLU pic.twitter.com/a8rH51q2jS
— Jamie Weir (@jamiecweir) May 21, 2021
Woods-Bezwinger Yang disqualifiziert
Jähes Ende: Vor zwölf Jahren machte Y.E. Yang von sich reden, als er bei der PGA Championship in Hazeltine Tiger Woods auf der Zielgeraden noch abfing und aus seinen zwei Schlägen Rückstand drei Schläge Vorsprung und einen Majorsieg machte. Gestern wurde der Koreaner, dessen vollständiger Vornamen Yong-Eun lautet, wegen Abgabe einer falschen Scorekarte disqualifiziert – er hatte statt seines Bogey auf der Par-4-Zehn eine Vier eingetragen. Das Turnier wäre für Yang aber ohnehin zu Ende gewesen, er lag auch mit korrektem Ergebnis 14 über Par.
TV-Trailer: Kann man mal (anders) machen
Zum Schluss: Heroische Bilder, hymnische Musikuntermalung – so sehen die meisten Trailer und Intros für TV-Golfberichterstattung aus. Das muss aber nicht sein. Wie es anders gehen kann, zeigt „ESPN“ mit seinem Hinweis-Clip auf die Übertragungen von der PGA Championship. Da fängt die Epik des Schauplatzes schon mit großem (Trickshot-)Kino an: