Dieser Tage geben vielerlei Ereignisse Anlass zu Assoziationen, und alle münden in eine Frage: Was wird aus Phil Mickelson?
Die Amerikaner küren Zach Johnson zum Ryder-Cup-Skipper für Rom 2023 – Mickelson wurde als künftiger Mehrfach-Kapitän gehandelt, der quasi im Wechsel mit Tiger Woods das US-Team führen und vermutlich schon 2025 in Bethpage Black den Taktstock schwingen sollte.
Arnold Palmer als Vorbild
Die PGA Tour macht in Bay Hill Halt fürs Arnold Palmer Invitational – der 2016 verstorbene „King“, ohnehin ein Werte-Kompass, sorgte 1994 für das Ende der ersten hochfliegenden Plänen des heutigen Saudi-Sekundanten Greg Norman von einer Welttour. Als Palmer sich dagegen aussprach, folgten ihm alle anderen Tour-Spieler („Wenn das für Arnie nichts ist, dann ist es auch nichts für uns“); die Lichtgestalt war damals 65 Jahre alt und der Elder Statesman, der Mickelson hätte werden können.
Kommende Woche steht im TPC Sawgrass mit der Players Championship das Flaggschiff-Turnier jener PGA Tour an, der Mickelson mit seiner Missbilligung und mit seinen Machenschaften so heftig ans Bein gepinkelt hat – Commissioner Jay Monahan wird den Nestbeschmutzer eher nicht unter seinen Party-Gästen sehen wollen.
Isolierte Position
Übers Masters im April und die mögliche Haltung von Augusta National oder gar die PGA Championship, wo die im Schulterschluss mit der PGA Tour verbundene PGA of America Gastgeber und „Lefty“ bekanntlich Titelverteidiger sind, soll an dieser Stelle noch gar nicht spekuliert werden.
Was auf der Hand liegt, reicht: Mickelson hat sich mächtig verzockt und ist ganz offenkundig in die Grube gefallen, die er denen graben wollte, die ihn erst reich, einflussreich und zum Publikumsliebling gemacht haben. Der 51-Jährige hat in die Hand gespuckt, die ihn über Jahrzehnte gehätschelt und gefüttert hat; jetzt steht er ziemlich isoliert da, nachdem er in alle Richtungen ausgekeilt hatte.
Ob Mickelson in einem Abwasch auch die über 30 Jahre angesammelte Reputation in Scherben zerlegt, ist eine Frage des Betrachtungswinkels. Für viele war der „People’s Player“ ohnehin stets eine Fassade, dünne Tünche für einen Narzissten, der jetzt sein wahres Gesicht zeigt – getrieben von Selbstsucht und Selbstüberschätzung. Oder anders: Die „widerliche Gier“ – der Vorwurf, zu dem sich „Phil the Thrill“ vor kurzem gegenüber der Tour verstiegen hat – kommt gerade als Bumerang zurück.
So macht man sich keine Freunde
Ja, Mickelson hat einen Punkt, wenn er das System der Medienrechte anspricht, mit dem der Profi-Circuit seit Jahren Geld scheffelt wie weiland der Entenhausener Krösus Dagobert Duck in seinem Geldspeicher, da stimmt ihm sogar Tiger Woods zu. Aber der setzte sich mit der Tour zusammen und sprach die kritischen Punkte an, statt falsche Zahlen und Fake News zu verbreiten oder gar wegen der „einmaligen Gelegenheit, den Betrieb der PGA Tour neu zu gestalten“, klammheimlich mit der Gegenseite zu kollaborieren – obwohl er die für „scary motherfuckers“ hält. So macht man sich hüben wie drüben keine Freunde.
Selbst seine Kollegen wenden sich von ihm ab, nehmen den vermeintlichen Altruismus im Sinne der (Golf-)Allgemeinheit bloß insofern für – Achtung Wortspiel – bare Münze, als dass es Mickelson zuvorderst ums eigene Wohl geht. Justin Thomas sprach unverhohlen von „rein egoistisch motivierten Äußerungen“, Pat Perez fragte laut „Warum nur hasst er die Tour so?“, ein auf Anonymität bedachter Spieler nannte Mickelson eine „total toxische Person, mit der nach dieser Sache doch niemand mehr in Verbindung gebracht werden will“, und sogar die Proette Meghan MacLaren attestierte ihm einen „bedauerlichen Mangel an Wertschätzung“.
Gesinnung schlimmer als Wortwahl
Auch seinen Entschuldigungs-Euphemismus haben Beobachter wie der „Golf Channel“-TV-Experte Brandel Chamblee bereits in der Luft zerrissen. Zurecht, denn schlimmer als die „gewagte Wortwahl“ (O-Ton) ist die Gesinnung, die sich mit der vorherigen Tirade offenbart hat.
„Lesen Sie einfach Phils Aussage, es sind sechs Absätze: Der erste stellt die Bühne dafür her, dass er ein Opfer ist und andere eigentlich die Schuld haben; im zweiten geht es darum, dass er ein Aktivist ist; der dritte und vierte Absatz handeln von Lesarten, Schadensbegrenzung und von Geld; der fünfte und sechste schließlich besagen, dass er doch eigentlich ein guter Kerl ist.“
Brandel Chamblee via Twitter
Da mag Golfjournalist Alan Shipnuck, dessen Wiedergabe eines Telefonats vom November 2021 zum Promotion-Wohl seiner bald erscheinenden „(Unauthorized!) Biography of Golf’s Most Colorful Superstar“ Mickelsons Doppelspiel erst offenbarte, sich noch so sehr über die Heftigkeit der Reaktionen wundern: Das vor allem hat die langjährigen Wirtschaftspartner Callaway, Amstel, KPMG und Workday gegen den sechsfachen Majorsieger aufgebracht.
I’m surprised all these companies are fleeing Phil. Saudi Arabia is certainly toxic but it’s also now part of the Euro and Asian Tours. What were Phil’s crimes? Hardball negotiations, sure. Disloyalty to the Tour? Maybe. Profanity? Who cares. They don’t feel like capital offenses
— Alan Shipnuck (@AlanShipnuck) February 26, 2022
Verbindung mit Callaway eigentlich auf Lebenszeit
Noch ein Wort zum American Express und Mickelsons Patronat, von dem er gerade entbunden wurde. Das stand nach drei Jahren eh längst im Raum und der Gastgeber auf der Abschussliste, seit er sich heuer nicht mal dazu herab gelassen hatte, in La Quinta persönlich anwesend zu sein. Die Abkehr von Callaway, gern fälschlicherweise in einem Atemzug mit dem Verlust der anderen Sponsoren genannt, wiegt sehr viel schlimmer – die Verbindung war immerhin als Miteinander auf Lebenszeit angelegt, der Kalifornier gehörte in Carlsbad quasi zum Inventar und mithin zum „Anlagevermögen“.
Und nun, Phil Mickelson? „Lefty“ schweigt. Er ist abgetaucht, hat sich eine Auszeit auferlegt und will „alles daransetzen, mich selbst zu reflektieren“; „daran arbeiten, der Mann zu sein, der ich sein möchte“, so sein Rechtfertigungs-Tweet. Weil „ich in den vergangenen zehn Jahren gespürt habe, dass Druck und Stress tiefere Spuren hinterlassen“. Buhlt da einer um Mitleid?
Fall Dustin Johnson als Vorbild
Womöglich. Vor allem aber eröffnet das neuen Interpretationsspielraum. Nicht wenige spekulieren seither, Mickelson sei in Wahrheit von der Tour zu einer Bedenkzeit verdonnert, sprich temporär gesperrt worden. Es würde zu den Gepflogenheiten des professionellen Golfbetriebs passen, der Sanktionen nur dann öffentlich macht, wenn sie die sogenannten Kleinen treffen und Handlungshärte demonstrieren sollen.
Differenzen mit der Nomenklatura hingegen regelt man diskret hinter den Kulissen, das war schon bei Dustin Johnson so, als das „Feierbiest“ – von Koks-Schwaden umhüllt – 2014 für sechs Monate abtauchte und „Golf.com“ in aller Deutlichkeit diverse positive Drogen-Tests reportierte. „Bezug nehmend auf Medienberichte […] stellen wir hiermit klar, dass Mr. Johnson sich freiwillig beurlaubt hat und nicht von der PGA Tour suspendiert wurde“, ließ Commissioner Tim Finchem damals seine PR-Abteilung formulieren.
PIP-Sieg als Falschmeldung
Im aktuell „Fail-Fall“ schweigt Ponte Vedra Beach bislang. Die Ereignisse sind eh beredt genug. Und dass Mickelson nicht mal Sieger im Player Impact Programm 2021 zu sein scheint, ist in dem ganzen Szenario allenfalls eine Lappalie von „Lefty“, dem Lautsprecher, der jetzt völlig andere Probleme hat. „Der Schuss ist komplett nach hinten losgegangen“, zitiert die britische „Daily Mail“ ein Mitglied des Spielerbeirats der Tour: „Wie in aller Welt will er da wieder raus kommen?“