Jetzt wird’s vogelwild. Derweil alle Golfwelt darauf wartet, dass Greg Norman in seiner Eigenschaft als frisch ernannter COO des Promoters LIV Golf Investments die operativen Details des Deals mit der Asien Tour enthüllt, meldet sich quasi parallel die Premier Golf League (PGL) zu Wort, weil sie der PGA Tour einen freundlichen Übernahme-Vorschlag übermittelt hat. Wie jetzt? Oder noch besser: Wie denn, wo denn, wer denn, was denn?
PGL konkurriert mit Normans neuer Promoter-Firma
Also: Der „Schurkenstaat Saudi-Arabien“, wie ZDF-Talker Markus Lanz die Monarchie am Persischen Golf gestern Abend nannte, als es um die Übernahme des englischen Fußball-Pflegefalls Newcastle United ging, will mit Moneten aus seinem Private Investment Fund PIF die Golfszene aufmischen, per „Sportswashing“ von Menschenrechtsverletzungen und anderen Missständen ablenken. Ein paar hundert Millionen pumpen sie via LIV Golf Investments in zehn neue Turniere auf der Asian Tour, wo sie schon ihr von PGA und European Tour geächtetes Saudi International untergebracht haben. „Shark“ Norman soll das managen. So weit, so bekannt.
Und dann kommt in London der PGL-Repräsentant Andy Gardiner aus der Deckung und offenbart, dass er der PGA Tour schon im September vorgeschlagen hat, doch besser gemeinsame Sache zu machen statt zu rivalisieren und sich gegenseitig das Wasser abzugraben. Ebenfalls mit Petro-Dollars aus Riad als Schmiermittel? Oder wie finanziert sich die sogenannte World Golf Group, die als Macher der Premier Golf League auftritt? Nichts genaues weiß man nicht, doch angesichts der obszönen Summen, die kolportiert werden, dürfte die Quelle ebenfalls in der Wüste sprudeln. Aber: „Wir haben mit der Organisation nichts zu tun, der Greg Norman beigetreten ist, und lassen uns davon auch nicht beeinflussen.“
50 Prozent der PGL-Anteile als Morgengabe
Gardiners Grundgedanken sind wie gehabt: eine Struktur à la Formel-1-Zirkus, Schubkarren voller Schotter, Star-Aufgebot, Team-Wertung und so weiter. Neu ist der Plan, mit den 18 Turnieren dieselbe Anzahl etablierter und existierender Events der PGA Tour zu ersetzen, deren Schauplätze und das dortige Personal zu nutzen. Die Stationen dieser separaten Serie sollen jeweils mit 20 Millionen Dollar dotiert sein – vier Millionen für den Sieger, 150.000 Dollar für den 48. und Letzten –, dazu gibt’s eine Million fürs Team und außerdem eine Team-Gesamtwertung am Ende der Saison.
Im Gegenzug sollen besagte Veranstaltungen als PGL-Turniere deklariert werden; ein paar Brosamen fallen auch für Professionals ab, die keine PGL-Akteure sind; die PGL will überdies Geld für allerlei anderweitige Aktivitäten inklusive Charity spendieren. Gezuckert wird die Offerte mit dem Angebot, die PGA Tour zum Mitbesitzer der Superliga zu machen, ihr im Fall einer Hochzeit als Morgengabe 50 Prozent zu übertragen. Weitere zehn Prozent der Anteile sollen ans Tour-Personal gehen, und selbst TV-Partner, Korn Ferry Tour und andere werden mit einstelligen Prozentwerten bedacht und zum Shareholder gemacht. 30 Prozent schließlich verbleiben bei der World Golf Group.
Verführerische Wertsteigerung für PGA Tour
„Unser Angebot ist nicht zerstörerisch, nicht destruktiv“, sagt Gardiner. „Es wird bloß eine Art Division innerhalb der PGA Tour und unter ihrem Schirm sein, sozusagen co-sanktioniert.“ Und das sei definitiv eine Bereicherung, hat der einflussreiche Londoner Finanzmann und Direktor bei Barclays Capital ausgerechnet: „Der geschätzte Wert der PGA Tour bis 2029 würde dann fünf Milliarden US-Dollar betragen.“
Der Sirenenklang des Super-Reichtums. Ein verlockender Köder. Indes einer, der vor allem Fragen aufwirft. Nicht bloß, weil die bei der US-Bundessteuerbehörde als sogenannte „501(c) organization“ geführte PGA Tour für eine derartige geschäftliche Konstellation ihren Status der einkommenssteuerbefreiten Gemeinnützigkeit aufgeben müsste.
Was läuft da hinter den Kulissen? Wer zahlt die Rechnungen? Noch gilt Rory McIlroys Skepsis: „Mir gefällt nicht, wo das Geld herkommt.“
Agiert die PGL nach dem Credo „Wenn du sie nicht besiegen kannst, dann verbünde dich mit ihnen“, weil ihr offenbar etliche Mitarbeiter abhanden gekommen sind und sich bei Greg Normans LIV Golf Enterprises verdingt haben? Was wird mit den bestehenden Sponsoren der 18 umfirmierten Turnier? Dürfen die weiter brav zahlen? Dann würde sich die PGL ins gemachte Tour-Bett legen – was für ein infames Ansinnen. Toxisch obendrein.
Neue Strategie: Getrennt marschieren, vereint schlagen?
Haben sich die Saudis von der PGL abgewandt, weil Gardiner und seine Gesellen seit sieben Jahren keinen Schritt weitergekommen sind? Sucht Riad sein Heil nun via Asien und mit den „Insider“ Norman als Strohmann und Speerspitze? Hat der „Great White Shark“ aus Australien das PGL-Konzept „geklaut“, so wie sich die PGA Tour in den 1990er-Jahren seiner Idee einer Welttour bemächtigte und die WGC-Serie daraus machte?
Oder bedienen sich Saudi-Arabien und sein PIF gar eines probaten Prinzips der Kriegführung: Getrennt marschieren, vereint schlagen? In den Strategiebüchern des Militärs steht dieser Leitsatz, mit dem Generalfeldmarschall Helmuth von Moltke im Deutschen Krieg 1866 gegen Österreich die Schlacht von Königgrätz gewann, für einen erfolgversprechenden Angriff auf gegnerische Kräfte. Voraussetzung ist die operative Beweglichkeit der eigenen Truppen. Alles auch im aktuellen Fall gegeben.
Für einen Zaster-Zirkus braucht die Tour keine Hilfe
Wie auch immer: Die PGA Tour kann mittlerweile von den Zinnen nicht unbedingt mit „vergnügten Sinnen“ (so Friedrich Schiller in der „Der Ring des Polykrates“), jedoch in Seelenruhe zuschauen, wie sich die diversen Invasoren an ihren Mauern die Köpfe einrennen. Der neue TV-Vertrag ab 2022 mit geschätzten 2,6 Milliarden Dollar Mehreinnahmen bis 2030, eine 18-prozentige Steigerung der Turnierbörsen auf insgesamt 622 Millionen Dollar in der Spielzeit 2021/2022 sowie Druckmittel wie lebenslange Sperren oder ein Ryder-Cup-Ausschluss für abtrünnige Spieler lassen Commissioner Jay Monahan vermutlich ruhig schlafen, nicht zuletzt durch das Wiegenlied der strategischen Allianz mit der European Tour im Hintergrund.
Jedenfalls hat der „Commish“ auf Gardiners Vorstoß laut Gardiner noch nicht geantwortet. Muss er auch nicht: Ersten wird er das durchsichtige Manöver erkannt haben, zweitens braucht die PGA Tour für einen zusätzlichen Zaster-Zirkus im exklusiven Profi-Kreis keinen Partner von außen, das kann sie selbst. Entsprechende Pläne liegen längst in der Schublade: eine Mini-Turnierserie in der spätherbstlichen Off-Season, global ausgetragen, fett bepreist und per se mit Antrittshonoraren alias Garantiegeldern versehen, die sich nach dem finalen FedEx-Cup-Ranking staffeln. Als Nachschlag zu den bereits installierten Töpfen wie „Player Impact Programm“ usw., falls draußen vor den Toren der PGA-Tour-Bastion doch größere Geschütze aufgefahren werden sollten.
Gardiners „Goodie“ als Danaergeschenk?
Ohnehin gilt bei vermeintlichen Altruismen wie der PGL-Offerte bereits seit der Antike die Erkenntnis: „Timeo Danaos et dona ferentes“, „fürchte die Griechen, auch wenn sie Geschenke bringen“. Vielleicht hat Monahan, immerhin mal Student der Geschichte samt Abschluss am Trinity College in Hartford/Connecticut, ja Vergil gelesen. Der lateinische Dichter verarbeitet in seiner „Aeneis“ den Fall der vorderasiatischen Megalopole Troja und seine Folgen, bekanntermaßen nach zehnjähriger Belagerung durch die vereinten griechischen Heere ausgelöst vom „Danaergeschenk“ eines überdimensionalen hölzernen Pferds. Gardiners „Goodie“ wirkt beinahe ebenso: Man sucht nach dem Haken, nach dem umstürzlerischen Innenleben.
Andererseits fehlt dem Ganzen ein entscheidender Faktor: Egal, wer bei den Angreifern vor und hinter der Kulisse die Strippen zieht, ob Gardiner, Greg Norman oder der berüchtigte Saudi-Kronprinz Mohammed bin Salman höchstselbst – sie kennen nur die Keule der kolossalen Kohle oder sonstige Brachialmethoden. Gewieft wie Odysseus in all seiner kreativen Verschlagenheit sind sie samt und sonders nicht.