Dies wird eine Story voller Gegensätze. Vor vier Wochen fand mit dem Masters in Augusta National das erste Major der Saison auf dem splendiden Boden des exklusivsten Privatclubs der Welt statt. Nächste Woche steigt die PGA Championship auf einem öffentlichen Platz am Rande des Millionenmolochs New York, und es dürfte dennoch auf dem Globus wohl keinen komplizierteren kommunalen Kurs geben als das Geläuf von Bethpage Black. Tiger Woods, der sich nach seinem 15. Majorsieg, hartnäckig als Top-Favorit für die Berufsspieler-WM hält, nächtigt auf seiner im nahen Oyster Bay vertäuten 20-Millionen-Yacht „Privacy“. Der gemeine Golfer hingegen kampiert liebend gern vor dem Eingang des Parkgeländes, um eine der raren Startzeiten im „People‘s Country Club“ zu ergattern. Andererseits verursacht besagter Woods auf dem Weg zur privaten Übungsrunde fast einen Verkehrsstau, weil er entspannt über einen Zebrastreifen in Richtung Seiteneingang schlendert statt vorne im Auto vorzufahren.
PGA Championship: Major ohne Mythos
Man wird sehen, was diese 101. Ausgabe der PGA Championship letztlich bringt – unbenommen des Hypes um Tiger. Bislang war sie immer so eine Art ungeliebtes Stiefkind der anderen Drei, ohnehin blass, weil geschichtenarm und legendenlos, das Major ohne sonderlichen Mythos. Es wurde in den Mai gepackt, um dem Ruch als Appendix von Masters sowie US und British Open zu entgehen. Bethpage Black ist da die passende Wahl. Der Parcours in Farmingdale auf Long Island, einer von fünf Plätzen im Bethpage State Park und im Besitz des US-Bundesstaats New York, hat Profil im Übermaß und fast Kultstatus, ein Kracher ist er ohnehin.
Transformation von Hackerwiese zum Kracherkurs
2003 hat der Amerikaner John Feinstein ein bemerkenswertes Buch über Bethpage Black geschrieben. „Open“ ist der US Open 2002 gewidmet, der ersten „Offenen Amerikanischen“ jemals auf einem öffentlichen Platz, zuvorderst aber der Transformation von „BB“ von einer x-beliebigen Hacker-Wiese in ein 18-Loch-Ensemble voller Herausforderung und Dramatik, gehörig lang und heftig onduliert, gespickt mit mörderischen Bunkern. Feinsteins Werk stand lange auf der amerikanischen Bestenliste – so viel zum Thema Geschichte und Legende.
Online- und Telefon-Reservierung fast unmöglich
Einen gehörigen Teil zum Nimbus Bethpage Black trägt jener Camping-Kult auf dem vorgelagerten Parkplatz bei, der munter blüht, wenn gerade keine Major-Zeit ist – Bethpage ist seit dem 29. April fürs normale Publikum nicht mehr bespielbar. Telefonisch eine Tee Time zu ergattern (75 Dollar unter der Woche, 150 Dollar am Wochenende), erweist sich angesichts der Zugkraft des nicht nur vom Golf-Experten und Autoren Feinstein gepriesenen Kurses als extrem schwieriges Unterfangen. Auch die seit einem Jahr bestehende Online-Reservierung hilft vor allem New Yorkern und ist speziell fürs Wochenende spätestens eine Stunde nach Veröffentlichung der Slots ausgebucht. Und freie Anbieter langen bei ihren Paket-Offerten mit bis zu 850 Dollar richtig saftig hin.
Andererseits ist die erste morgendliche Stunde an Abschlagszeiten ausschließlich der „Laufkundschaft“ vorbehalten, dazu jeweils ein Spot pro Stunde im Lauf des weiteren Tages.
„Knöllchen“ garantieren Greenfee-Bändchen
Also rollen schon am Spätmittag zuvor die ersten Fahrzeuge an, um einen der begehrten Abstellplätze zu ergattern, die am kommenden Frühmorgen gleichermaßen ein Greenfee garantieren. Die Buchten sind nummeriert, wer zuerst kommt, mahlt – sprich spielt – zuerst. Gegen 4.30 Uhr erscheint ein Angestellter der Parkverwaltung und verteilt „Knöllchen“ an die Autobesitzer. Ganz besondere, weil diese Tickets ein Greenfee gewährleisten. Es herrscht Anwesenheitspflicht, mindestens eine Person muss generell stets am Gefährt sein, sonst ist nach einer Stunde der Platz verwirkt. Und wenn die ebenfalls nummerierten Anrechtscheine ausgegeben werden, ist das eine Art Fahnenappell für alle, die spielen wollen. Wer fehlt oder im Tiefschlaf liegt, geht leer aus.
Halligalli in der Wartezeit
Was wunder, dass die derart zum Miteinander verdonnerte Parkplatz-Community, eh durch ihre Golfpassion verbunden, aus der Wartezeit ein Halligalli macht, in dem Schlafen im Autositz, in Hängematten oder gar im Zelt allenfalls stündchenweise vorkommt. Es wird geklönt, gegrillt, gealbert und gelacht, auch manches Bierchen verkostet. Und der lokale Pizza-Bringdienst ist im Dauereinsatz. Ernst wird es noch früh genug, dafür sorgt schon Bethpage Black.
Driving Range als Antagonist des Parcours
Nach dem Auftritt des Park-Assistenten ist man übrigens weitgehend „vogelfrei“, kann unbesorgt eine Mütze Schlaf nehmen oder gar den Parkplatz für ein ordentliches Frühstück in einem nahe gelegenen Coffey Shop verlassen. Der Gang auf die Driving Range von Bethpage Black lohnt sich eh kaum, die ist in all ihrer Hinfälligkeit wirklich der Antagonist des makellos manikürten Platzes. Beim Umtausch des Greenfee-Anrechtscheins muss übrigens ebenfalls die gesamte Gruppe im Clubhaus erscheinen und persönlich ihre Armbändchen abholen. Der erste Flight geht dann kurz vor 7 Uhr auf die Runde.
2024 Bühne für den Ryder Cup
Die US-Journalistin Ashley Mayo hat vor ein paar Jahren für den „Golf Channel“ mal dokumentiert, wie es vor den Toren der nunmehr dreifachen Major-Austragungsstätte zugeht, die überdies 2024 Bühne für den Ryder Cup sein wird:
Parkplatz als Pro-Shop
Und natürlich hat nicht nur „Domino‘s Pizza“ die Bethpage-Black-Aspiranten als lukrative Klientel ausgemacht. Auch Golf-Ausrüster wie FootJoy wissen um die lockeren Geldbörsen der enthusiasmierten und vorfreudigen Zielgruppe und machen den Parkplatz zum Pro-Shop: