Bald ist es soweit. Die PGA Tour erwacht aus dem kurzen Winterschlaf und startet mit dem Hyundai Tournament of Champions ins Golfjahr 2016. Als Titelverteidiger geht dabei Patrick Reed an den Start, der in der letztjährigen Auflage Jimmy Walker im Stechen bezwang. Für Reed war es bis heute der vorerst letzte Triumph, doch in den zurückliegenden Wochen überzeugte der 25-Jährige durch seine ansteigende Form. Im Jahr 2016 geht es nun darum, diesen Trend zu bestätigen, um auch die vollmundigsten seiner Äußerungen durch Leistung zu rechtfertigen.
Egoistischer Rüpel mit grenzenlosen Talent
Kleine Plastikschläger als erstes Geschenk, pausenlose Trainingsstunden im Kindesalter und große Triumphe als Teenager (Sieg bei der Junior British Open 2006); der berufliche Werdegang des Patrick Reed war bereits früh vorgezeichnet. Einhergehend mit seinem großen Talent zeichnete den US-Amerikaner aber schon damals eine gewisse Arroganz aus, gepaart mit dem Hang zu aggressiven Verhaltensweisen.
Diese charakterlichen Züge brachten ihm auf dem College schließlich das Image eines egoistischen Rüpels ein. Schon nach einem Jahr flog er von der University of Georgia. Betrug beim Wettspiel - Reed spielte absichtlich einen fremden Ball -, Diebstahl in der Umkleidekabine und zwei Festnahmen wegen Trunkenheit waren die Gründe für den Rausschmiss.
Es folgte der Wechsel an die Augusta State University. Und auch dort machte sich Reed anfangs keine Freunde. Zunächst kassierte er eine Tracht Prügel, nachdem er einen Teamkollegen angegangen war, später wurde er für zwei Turniere suspendiert. Die Augusta State University kam jedoch nicht umhin, das Talent Reeds zu nutzen und ihn wieder ins Team zurückzuholen.
Die Teamchemie sank daraufhin auf den Nullpunkt, der sportliche Erfolg hingegen war enorm. Zweimal in Folge gelang es, die amerikanischen College-Golfmeisterschaften (NCAA-Championship) zu gewinnen. Beim zweiten Triumph war der Gegner zudem die University of Georgia. Für Reed also die perfekte Gelegenheit es seinen alten Teamkollegen heimzuzahlen. Und wie es das Schicksal wollte, erzielte ausgerechnet der damals 21-jährige Egozentriker den entscheidenden Punkt.
Bruch mit der eigenen Familie
Auf dem College entwickelte sich nicht nur Reeds Golfspiel weiter. Mit Justine Karain fand er zudem die Frau fürs Leben. Die im Dezember 2012 vollzogene Hochzeit führte zu einem Bruch mit der eigenen Familie. Patricks Eltern, Bill und Jeannette Reed, verwehrten den beiden ihren Segen, da ihr Sohn ihrer Ansicht nach mit 22 Jahren noch zu jung für eine Ehe gewesen sei. Seitdem herrscht Funkstille. Tochter Windsor-Wells, die im Mai 2014 das Licht der Welt erblickte, hat ihre Großeltern väterlicherseits bis heute nicht kennen gelernt.
Happy 1st Birthday Windsor! We will look for pics...the Reed side of the family hope to meet u someday @JKReed58 @Hannahreed9 @PReedGolf
— Bill Reed (@BReed59) 22. Mai 2015
Während Bill, Jeannette und auch seine Schwester Hannah inzwischen versuchen wieder Kontakt aufzunehmen, scheinen Patrick und Justine selbst kein Interesse an einer Versöhnung zu haben. So zu sehen bei der US Open 2014, als Polizisten am 18. Loch ein Zusammentreffen der Reed'schen Familie verhinderten. Auf Anweisung Justines nahm die United States Golf Association (USGA) ihnen zudem die Turnierausweise ab.
Dieses Verhalten zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben des Patrick Reed. Auch auf dem Golfplatz scheut er sich nicht davor, gemäß dem Motto "Ich-gegen-den-Rest-der-Welt", kompromisslos die Stimmung gegen sich aufzuheizen und seinen eigenen Kopf durchzusetzen.
"Ich bin einer der fünf besten Spieler der Welt"
Die familiären Differenzen indes hatten keine Auswirkungen auf seine golfsportliche Leistungsfähigkeit. Nachdem sich der US-Amerikaner im Dezember 2012 über den harten Weg der Qualifying School die volle Spielberechtigung für die Saison 2013 erspielte, begann sein steiler Aufstieg in Richtung Weltspitze.
Im Alter von 23 Jahren gewann er im August 2013 bei der Wyndham Championship seinen ersten Titel auf der PGA Tour. Es folgten 2014 die Humana Challenge und die WGC-Cadillac Championship. Reed schlug innerhalb von sieben Monaten dreimal zu und ließ sich danach - euphorisiert von seinem ersten richtig großen Triumph - zu einer heiß diskutierten Aussage hinreißen: "Ich glaube an mich selbst [...]. Ich bin einer der fünf besten Spieler in der Welt. Ich denke, dass ich das bewiesen habe."
Mutige Worte eines Spielers, der zum damaligen Zeitpunkt zwar immerhin schon auf Platz 20 der Weltrangliste stand, aber noch nicht einmal einen Major-Start auf seinem Konto verbuchen konnte. Diese sollten jedoch nicht mehr lange auf sich warten lassen. Während Reed 2014 noch zweimal am Cut scheiterte und nicht über einen T35. Platz hinauskam, stabilisierten sich 2015 seine Leistungen, sodass er bei der US Open in Chambers Bay nach zwei Runden bereits Führungsluft schnupperte. Am Ende wurde es mit einem geteilten 14. Rang sein bestes Major-Resultat.
2014 - Das Jahr der emotionalen Ausraster
Passend zu seinen großspurigen Tönen nach dem WGC-Triumph präsentierte er sich auch auf dem Platz. Beim Ryder Cup in Gleneagles machte das bis dato eher unbekannte Energiebündel auf sich aufmerksam - und das nicht nur sportlich. Seine emotionalen Jubelausbrüche erinnerten häufig an einen Ian Poulter in seinen besten Tagen, was schließlich in einer Aufsehen erregenden Gestik gipfelte.
Durch die Frage eines Zuschauers, ob er sein Putten trainiert hätte, und von der aufgeladenen Stimmung während des Matches gegen Henrik Stenson angestachelt, lochte der US-Amerikaner auf dem siebten Grün einen sehr schwierigen Putt. Sein Zeigefinger wanderte an die Lippen, um der Zuschauermenge zu symbolisieren, sie solle doch lieber schweigen. Buhrufe statt Schweigen waren die Folge, ganz Europa schien sich gegen den 25-Jährigen zu verschwören.
Nur einige Wochen später fluchte Reed bei der WGC-HSBC Champions nach einem Dreiputt aufsehenerregend und mit einem homophoben Fehltritt ("Nice f****** three-putt, you f****** f****t!"), der noch dazu deutlich hörbar über den Äther der US-TV-Stationen ging und für dessen Worte sich nicht nur die Live-Kommentatoren kleinlaut entschuldigen mussten. Reed wurde von der PGA Tour zu einer Strafzahlung wegen "obszöner Sprache" verdonnert.
Der Texaner selbst sagt über diese Aussetzer, es sei nicht sein Ziel, sich zum Buhmann der Golfwelt aufzuschwingen. Er sei schlichtweg so erfolgsbesessen und ehrgeizig, dass er gar nicht wirklich realisiere, was für Reaktionen sein Verhalten auslöst. Hinzu komme, dass ihm die emotionalen Ausbrüche häufig dabei helfen würden, sein bestes Golf zu spielen. Patrick Reed fühlt sich offensichtlich missverstanden und fasst das Dilemma zusammen: "Ich möchte nicht der 'Bad Guy' sein. Ich will nur, dass die Leute realisieren, wie leidenschaftlich ich bin und wie sehr ich Golf liebe."
2015 - Mit Konstanz in die Weltelite
Inzwischen ist der Familienvater auf einem guten Weg. Seine Wutausbrüche sind nicht mehr so drastisch, seine Aussagen weniger polarisierend und sein Golf wird besser und besser. Im vergangenen Jahr landete Reed bei allen vier Majors in den Top 30. Vor allem im Jahresendspurt 2015 bestach er durch bemerkenswerte Konstanz. Bei seinen letzten sechs Turnieren kam Reed jedesmal unter die besten Zehn, ein Sieg beim BMW Masters blieb ihm nur knapp verwehrt.
Hervorzuheben ist dabei sein neu eingeschlagener Weg, welcher ihn nicht nur auf die PGA-, sondern auch 13-mal auf die European Tour führte. Unlängst äußerte er in einem Statement gegenüber der European Tour, dass er sich auf dem neuen Terrain sehr wohl fühle und ihn gerade die Kameradschaft unter den Spielern besonders begeistert habe.
Auch 2016 wird Patrick Reed wieder auf beiden Seiten des Atlantiks unterwegs sein. Dann entscheidet es sich, wo die Reise hingeht. Der aktuell zehnte Rang in der Weltrangliste ist für jemanden wie Reed eine Platzierung, die noch lange nicht das Ende darstellen soll. Für den Sprung an die Spitze bedarf es aber noch des endgültigen Durchbruchs bei den Major-Turnieren. Gelassen- und Besonnenheit können dabei sicher nicht schaden - und helfen ihm auf lange Sicht auch beim Erfolg auf ganzer, nicht nur auf sportlicher Linie.