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Mike Whan: Ein Verbandschef zwischen Distanzkontrolle und Nachwuchsförderung

14. Okt. 2021 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

(Foto: Getty)

(Foto: Getty)

Der Übergang vollzog sich geräuschlos, fast unbemerkt: Zwischen US und British Open verließ Mike Davis die Brücke und wurde von der USGA als „Champion of the Game“ verabschiedet, Mike Whan übernahm das Ruder des Amerikanischen Golfverbands – und blieb bislang unauffällig. Das ist ok; neue Kapitäne haben bekanntlich 100 Tage Zeit, sich im Chefsessel zurechtzurücken. „Der Beginn ist besonders wertvoll“, weiß Whan. „Man sieht die Dinge mit den Augen des Neulings, ganz klar und ohne Filter.“

„Mein Tempo ist ein anderes als das der USGA“

Erstmal hinschauen, Abläufe analysieren, Mechanismen wahrnehmen. Noch nicht über eingefahrene Wege diskutieren, in Frage stellen, dass etwas einfach derart gemacht wird, weil es halt immer schon so war. Oder die andere Killer-Phrase: So haben wir das ja noch nie gemacht. Doch dieser Punkt kommt bei einem wie ihm zwangsläufig. Schneller als sich manche dies vielleicht wünschen. „Ich bin ungeduldig und stets unter Strom“, sagt Whan über sich. „Mein originäres Tempo ist ein anderes als das der USGA.“

Deswegen hält er sich noch zurück: „Ich bin zwar stolz auf meine Art, aber in manchen Situationen taugt sie eher nicht. Ich muss die richtige Balance finden, wir müssen uns aneinander gewöhnen.“ Die Verkündung von Oakmont und Merion als Langzeit-Austragungsorte (Anchor Sites) der US Open kam wenig überraschend. Tradierter geht’s kaum. Und die erste Maßnahme in Sachen Distanzkontrolle, das Gebot einer Verkürzung der Schlägerlänge per „local rule“, war ohnehin das Ergebnis eines lange schwelenden Prozesses, den Whan lediglich übernommen hat.

Vorgespräche quer durch die Branche

Er steht freilich voll dahinter. Seit April, seit der Einarbeitung durch Mike Davis, führte der studierte Volks- und Finanzwirt quer durch die Branche entsprechende Vorgespräche mit allen wichtigen Köpfen. „Das ist wie bei der Erderwärmung“, holt er weit aus. „Wir wissen, dass das Problem kommt und müssen jetzt Entscheidungen treffen, damit wir nicht irgendwann später bedeutend schmerzhaftere Wege einschlagen müssen.“ Will heißen, jetzt lässt sich die Längen-Inflation auf der Tour noch mit moderaten Eingriffen eindämmen, wiewohl ein Phil Mickelson über Dummheiten schimpft.

Wenn Golfplätze immer länger werden, dann werden sie gleichzeitig nun mal immer teurer: im Unterhalt, bei den Flächenkosten. Das ist definitiv Klippschul-Einmaleins. „Und wer glaubt, dass wir als Golfer dafür nicht bezahlen, der macht sich was vor“, stellt Whan klar.

Schlaglängen-Debatte ist kein Luxusproblem

Außerdem findet er das Argument irrelevant, die Schlaglängen-Debatte sei ein Luxusproblem des Top-Levels und betreffe allenfalls Plätze, auf denen die Elite spielt: „Ich habe noch nie jemanden getroffen, der einen Golfplatz bauen will und nicht davon träumt, dort auch große Meisterschaften auszutragen.“

Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass mit den Schlagweiten überdies vielfach das Design und damit die DNA des Spiels aus demselben genommen werden – siehe Bryson DeChambeaus Halleluja-Hieb über alle Hindernisse beim Ryder Cup auf Bahn fünf von Whistling Straits …


 

„Ich bestreite, dass wir mit unseren Maßnahmen Athletik und Stärke beschneiden, oder die Fähigkeit, den Schläger besonders schnell zu schwingen. Longhitter bleiben Longhitter, und der Vorteil bleibt erhalten – ob auf der Tour oder im Heimatclub. Aber es wäre unverantwortlich zu ignorieren, dass da im Golf gerade was in die falsche Richtung läuft. Wir müssen die Entwicklung der Schlaglänge etwas einbremsen und damit gewährleisten, dass unsere Golfplätze auch künftig funktionieren.“

Mike Whan zur Distanzdebatte


„Erwarte nicht, dass alle sagen: Gut gemacht!“

Die 46-Inch-Regelung ist denn auch nur der Anfang. In der anstehenden Winterzeit sollen Erfahrungen gesammelt und weitere Gespräche geführt werden. „Nächsten Sommer reden wir wieder über konkrete Vorschläge und Richtlinien“, kündigt Whan an. „Es gibt sicher kein Patentrezept, keine Lösung, die allen gefällt. Es ist ein laufender Prozess, der wichtig ist und nicht immer angenehm sein wird. Ich erwarte nicht, dass alle sagen: Gut gemacht, Mike! Die Leute mögen zwar Veränderungen, aber nur, wenn sie selbst nicht betroffen sind. Andererseits will ich mich ebenso in ein paar Jahren nicht fragen lassen: Warum habt Ihr nichts gemacht?“

Gralshüter und Wirtschaftsmacht

Seit dem 1. Juli führt der einstige Wirtschaftsmanager und LPGA Commissioner nun den Verband, der als Gralshüter des Golfsports gemeinsam mit dem R&A die Geschicke des Spiels steuert, und avancierte damit zu einer der einflussreichsten Einzelpersonen in der Szene. Nur zur Verdeutlichung der gleichermaßen wirtschaftlichen Schlagkraft: Die USGA nimmt jährlich rund 165 Millionen Dollar durch ihre Meisterschaften ein und sitzt auf einer „Kriegskasse“ von 400 Millionen.

In T-Shirt und Shorts zum Amtsantritt

Whan ist nach über 40 Jahren und drei Vorgängern der erste USGA-Generaldirektor, der nicht unter den Blazern der Funktionäre ausgebrütet wurde und in den Korridoren des „Golf House“ in New Jersey aufgewachsen ist. Er ist anders, „worauf ich stolz bin“ – und das nicht allein, weil er in T-Shirt und Shorts zum Amtsantritt erschien.

Whan bringt den breiten Blick von außen mit, kennt die Problemstellungen des Spiels von allen Seiten des Tischs, an dem die Entscheidungen verhandelt werden. Er hat sein Netzwerk nicht mit Hilfe der USGA, sondern lange vorher geknüpft, nennt Entscheider und Kollegen wie PGA-Tour-Commissioner Jay Monahan, R&A-Boss Martin Slumbers oder European-Tour-CEO Keith Pelley „meine Freunde“. Dementsprechend handelt er. Im Kontext und im Konsens. „Am Ende des Tages trage ich für meinen Verband die Verantwortung, doch vorher will ich jeden gehört haben, der dafür wichtig ist.“


 

„Wir haben jede Menge Aufgaben, ganz gleich ob Regeln, Meisterschaften, Ökologie und Agronomie oder lediglich Überwachung. Und manchmal müssen wir wie ein Verkehrspolizist auf die Einhaltung der Geschwindigkeit achten. Dafür werden Polizisten in den seltensten Fälle geliebt, aber es sorgt für Ordnung, verhindert Chaos und vermittelt Glauben an die Zukunft. Das bedeutet beileibe nicht, alle Innovationen zu unterbinden. Ganz im Gegenteil. Doch es ist an uns, das Spiel dadurch nicht zu gefährden. Innovationen müssen sein, aber nicht blindlings und ohne Kompass. Also sehe ich zu, dass ich das mit und für die Industrie hinkriege, wenngleich mich die Hälfte der Leute für verrückt erklärt. Aber als Commissioner bist du das eh gewohnt. Und es ist machbar, seid sicher!“

Mike Whan über die Rolle der USGA


Mann der Transformation, der mitnehmen will

Der neue Chef von 450 USGA-Mitarbeitern ist ein Mann der Transformation, des Prozess- und Paradigmenwechsels, unangepasst, mit schrägen Einfällen und unangepassten Lösungsansätzen. Ein Vorwärtsdenker und gleichzeitig ein Teamplayer, der mitnehmen will: die anderen Verbände, die Industrie, die Golfbasis. Wie gut das funktionieren kann, hat er ab 2009 an der Spitze der LPGA bewiesen. Doch Whan lässt seine eigenen Erfolge gern wie Beiwerk erscheinen, er war halt irgendwie zufällig mit von der Partie. So definiert sich Führungsqualität, ganz gewiss nicht bloß qua Amt.

Nicht für andere machen, sonder mit ihnen

„Jeder gehört zu Golffamilie, der irgendwie einen Schläger schwingt, egal in welcher Funktion und mit welchen Fertigkeiten. Darauf müssen wir Rücksicht nehmen“, betont er. „Mein Verständnis von diesem Job besteht nicht nur darin, auf lange Sicht und im großen Bild über Golf nachzudenken – was ich ziemlich gut kann. Sondern dabei gleichzeitig sicherzustellen, dass wir die Dinge nicht einfach für andere machen, vielmehr mit ihnen. Es gibt so viele Themen, Möglichkeiten und Ansätze. Ich mag es, dafür zu sorgen, dass alle ihr Bestes geben können.“

Ideen für die Golf-Zukunft in der Ledermappe

Das treibt ihn um. Seine Mission ist, „das Spiel weiter zu entwickeln“. Whan will der Weichensteller sein, „damit Golf in 100 Jahren besser dasteht als heute.“ Die Hebel dafür schleppt er in einer Ledermappe mit sich herum. 15 Ideen für die Zukunft habe er darin skizziert, fernab der ohnehin laufenden Prozesse. Fünf sind spruchreif, die anderen noch im Konzeptstadium, „an denen muss ich noch arbeiten“.

Eine dieser Fünf widmet sich der in Amerika fehlenden Nachwuchsförderung auf landesweiter Ebene. Es gibt in den USA tatsächlich keine formale Organisation, die sich um junge talentierte Aktive kümmert. „Anderer Länder haben tolle Entwicklungsprogramme – warum findet man bei uns so was nicht?“, lautet Whans hypothetische Frage.

Angebot an junge talentierte Golferinnen

Er spricht von einer „peinlichen Vergangenheit“ und will Abhilfe schaffen. Mit einem Angebot, das sich anfangs zuvorderst an Mädchen richtet: „In meinen zwölf Jahren bei der LPGA habe ich vielleicht gerade mal elf Wochen erlebt, in denen eine US-Spielerin Weltranglistenerste war.“ Dafür zieht er gern an seinen Strippen, aktiviert seine „Golf Incorporation“, wie er das Netzwerk nennt, „in dem man mit jedem reden und Dinge auf die Reihe kriegen kann“. Auf dass „die Kids mit den entsprechenden Fähigkeiten auch die entsprechende Unterstützung kriegen, um sich zu entwickeln“.

Das Thema ist für ihn gleichermaßen persönliche Passion und Verantwortlichkeit des Verbands-Oberhaupts. „Schaut doch einfach mal auf die beiden ersten Buchstaben unseres Verbandskürzels USGA“, sagt Whan. „Wer, wenn nicht wir soll denn die Initiative für die Einrichtung so eines ,USA Development Team’ ergreifen!“

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