Geschenkt, die Überschrift verursacht sicherlich ein leichtes Ziehen im sprachästhetischen Nervenzentrum, und Ernest Hemingway rotiert angesichts der Verballhornung seiner berühmten Novelle womöglich im Grab.
Aber was da in den vergangenen Tagen an der Küste von South Carolina abgelaufen ist, hat im Kern was von der Story um den schon aufs Abstellgleis geschobenen Fischer Santiago, der ein letztes Mal für den Fang seines Lebens aufs Meer hinausfährt und prompt einen kapitalen Marlin erbeutet, den er allerdings ans Boot binden muss, und von dem er trotz der ungeheuren Schinderei nach zahllosen Hai-Attacken lediglich das Skelett in den heimischen Hafen rettet …
Gegen die Unabänderlichkeit des Alters gestemmt
Auch Phil Mickelson hat sich geschunden, er hat sich gegen die Unabänderlichkeit des fortschreitenden Alters gestemmt, das Golfprofessionals vielleicht weiser und gelassener werden lässt, aber gleichermaßen kürzer in ihren Schlägen – und damit auf den langen Plätzen der PGA Tour kaum konkurrenzfähig. „Lefty“ drohte ebendieses Schicksal:
Seit zwei Jahren hatte der Rechtshänder auf höchster Ebene nicht mehr gewonnen, der linksherum spielt, weil er seinen Vater im Spiegel nachahmte. In dieser Saison war ausgerechnet der geteilte 21. Platz beim Masters die beste Platzierung. Andererseits verlief das Gastspiel bei den PGA Tour Champions nach dem Prinzip „Er kam, sah und siegte“: Mickelson dominierte direkt die beiden ersten Turniere, zu denen er antrat.
Diät mit Kaffee und Wasser, wöchentliches Fasten
Doch der Senioren-Circuit ist (noch) nicht seine Welt, im Ozean der Top-Liga wartet nach wie vor ein besonderer Fisch darauf, gefangen zu werden. „Ich war immer intrinsisch motiviert, weil ich das Spiel so sehr liebe und die Herausforderung, und mich auf höchstem Niveau mit den Besten zu messen. Das inspiriert mich und treibt mich an“, erzählte er in seinem Sieger-Interview nach der PGA Championship.
Also ordnete Mickelson sein luxuriöses Leben diesem besonderen Beutezug unter. Er verordnete sich neue Disziplin und eine Diät, nahm ab mit Kaffee und Wasser, verzichtete – nicht zuletzt wegen seiner mit Schuppenflechte einhergehenden Arthritis – auf das gewohnte reichhaltige Essen und vertraute stattdessen auf das Entspannungsmittel Cannabidiol in Form von Öl oder Kaugummi: „Das war ein Segen für mich, denn ich fühle mich besser, habe keine Entzündungen und wache mit einem guten Gefühl auf.“ Selbst heutzutage fastet er jede Woche für 36 Stunden.
„Bombs“, Belastungstraining und Meditation
Er arbeitete mit Coach Andrew Getson am Schwung und entwickelte seine berühmten „Bombs“, die er – mithilfe ausgetüftelten Materials – länger schlägt als in jugendlichen Jahren. Er trainiert sein Steh- und Durchhaltevermögen, spielt zu Übungszwecken an manchen Tagen 45 Bahnen, um für die Belastungen des täglichen Turnierbetriebs gewappnet zu sein.
Und er begann die trotzdem zunehmenden Schwächeperioden des strapazierten Körpers zu akzeptieren – mehr noch, begegnet ihnen mit der Kraft des Geistes. Mickelson meditiert. Seine flotte Pilotensonnenbrille ist mehr als ein Marketinggang, sie verbirgt die geschlossenen Augen, mit denen er vor jedem Schlag regungslos die bevorstehende Aufgabe visualisiert. „Es hilft mir, meinen Geist zur Ruhe zu bringen und den ganzen Lärm von außen loszuwerden. Ich will nicht zu spirituell werden, aber diese Entdeckung war das Größte für mich.“
„Meine Fehler sind mein Antrieb“
Der Mann ist mehr bei sich denn je. Oder wie er es ausdrückt: „Ich habe in meinem Leben und in meiner Laufbahn als Golfer oft Rückschläge einstecken müssen. Anstatt mich jedoch jedes Mal besiegt zu fühlen, nutze ich meine Fehler als Antrieb, um intensiver an mir zu arbeiten.“ Und: „Ich sehe keinen Grund, warum jemand in reiferem Alter keine große Leistungen mehr vollbringen können sollte. Es braucht dafür halt ein bisschen mehr Arbeit.“
Zwischendurch entdeckte „Lefty“ die sozialen Netzwerke und unterhält seine Fangemeinde seither mit munteren Mätzchen, mit Tanzeinlagen, Übungsanweisungen für ausgeprägte Wadenmuskulatur oder den zum Kult gewordenen Plauderstündchen am Kaminfeuer – „Phireside with Phil“. Das wirkt gelegentlich als mache sich da einer zum Clown seiner Claqueure, für den es auf der Wiese nicht mehr zum Applaus des Auditoriums reicht. Weit gefehlt: „Mittlerweile habe ich so viel Spaß, dass ich einfach gern in der Gegenwart verweile als mich in irgendwelchen Sphären oder Erwartungen zu verlieren.“
Eigentlich muss „Phil the Thrill“ niemanden mehr was beweisen, seine Bilanz spricht für sich: Die nunmehr sechs Major-Siege des Spätberufenen, der erst 2004 und mit 33 Jahren das erste seiner drei Masters gewann; die sonstigen 39 PGA-Tour-Titel.
Das Karriere-Preisgeld summiert sich mittlerweile auf rund 94 Millionen Dollar, und dank seiner Volksnähe, Strahlkraft und Popularität bei den Fans ist der Sohn eines Marinefliegers und Verkehrspiloten, Ehemann von Amy und Vater dreier Töchter als Sponsoren-Testimonial ohnehin längst ein gemachter Mann mit einem geschätzten Privatvermögen von rund 400 Millionen Dollar.
Der Makel namens „Zweiter“
Aber Geld ist in solchen Erfolgssphären kein Antrieb mehr. Da zählen Ruhm, Respekt und eine gewisse Einzigartigkeit. Als Idol hat Mickelson die sicherlich erreicht, doch seine sportlichen Meriten haben einen Makel. Die Zwei ist vermutlich die Unglückszahl des charismatischen Kurzspiel-Zauberers, der dem Zocken zugetan ist („Für weniger als 2.500 Dollar im Topf stehe ich morgens gar nicht auf“) und schon mit dubiosen Investments sowie dem Vorwurf des Insiderhandels in Zusammenhang gebracht wurde.
Denn Mickelson war in wesentlichen Bereichen stets bloß maximal Zweiter: in der Weltrangliste beispielsweise oder in Sachen reichster Golfer, da hat er von jeher Tiger Woods vor der Nase gehabt. Nebenbei bemerkt: Wenngleich die beiden nie dicke Freunde geworden sind, ist die angebliche Animosität allenfalls von außen hinein gedichtet worden; Woods und Mickelson waren und sind respektvolle Rivalen, so wie seinerzeit Jack Nicklaus und Arnold Palmer.
30. Versuch, die „Offene Amerikanische“ zu gewinnen
Jedenfalls, der wahre Stachel namens „2“ brennt in Form von sechs zweiten Plätzen bei der US Open; Mickelson hat es in 29 Starts nicht geschafft, die Offene Amerikanische Meisterschaft zu gewinnen. Das kommt einem Trauma gleich und hier sind wir endlich bei dem wahren dicken Fisch, der den Fischer Mickelson umtreibt.
Es wäre gewiss unangebracht, die PGA Championship auf dem Ocean Course von Kiawah Island und das Etikett des ältesten Major-Siegers der Golf-Moderne auf einen „Beifang“ zu reduzieren; Mickelson genoss jede Sekunde des Triumphs über Alter, Kritiker und den Rest der Golfwelt, sprach von dem Vergnügen, die Wanamaker Trophy noch mal im Arm zu haben: „Ich habe immer daran geglaubt, dass so was möglich ist – erst recht, weil alle anderen das nicht so gesehen haben.“
Doch unbenommen des Augenblicks im Glück dürfte das gesamte Sinnen und Trachten des anscheinend Alterslosen vornehmlich auf den bevorstehenden 30. US-Open-Versuch fixiert sein.
Zumal der in Torrey Pines stattfindet, quasi dem Heimatplatz des in San Diego geborenen Profis, außerdem in der Woche seines 51. Geburtstags am 16. Juni. Mickelson hat übrigens mütterlicherseits portugiesisch-sizilianische Wurzeln, seine Mutter trägt den Mädchennamen Santos, sein Großvater Alfred Santos war als Caddie auf den Pebble Beach Golf Links tätig und nahm seinen Enkel mit zur Arbeit. So kam der Steppke zum Golf.
„Vielleicht meine letzte wirklich große Chance“
Irgendwann, als der Zenith seiner Leistungsfähigkeit überschritten war, hat Mickelson mal gesagt, er wolle nicht auf Almosen oder Einladungen spekulieren, um mit aller Macht auf der PGA Tour bleiben zu können. Doch als ihm der amerikanische Golfverband USGA unlängst eine „Wildcard“ für diese 121. US Open anbot, da griff er schneller zu als er das Wedge zu einem seiner berühmten Lob Shots durchzieht: „Das könnte durchaus meine letzte wirklich große Chance sein, wenngleich ich durch den Gewinn der PGA Championship nun ja weitere fünf Gelegenheiten bekomme“, sagte er gestern. „Also werde ich alles geben, was ich habe.“
„The Legend of Lefty“ ist nicht zu Ende
Glaube und Wille können bekanntlich Berge versetzen. Wie Santiago bei Hemingways „Der alte Mann und das Meer“ in ein offenes Ende hineinschläft und von Löwen an einem afrikanischen Strand träumt, so ist auch „The Legend of Lefty“ – das US-Portal „Global Golf Post“ – wohl längst nicht zu Ende erzählt.