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Ryder Cup

McIlroy, Caseys Putter und die US-Fans: Europas schwarzer Ryder-Cup-Freitag

25. Sep. 2021 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland

Ein Tag, der völlig fehl lief für das europäische Team. (Foto: Getty)

Ein Tag, der völlig fehl lief für das europäische Team. (Foto: Getty)

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Einmal kräftig schütteln, Nase putzen, abhaken: Das muss Europas Motto nach diesem schwarzen Freitag zum Auftakt des 43. Ryder Cup sein. Während den US-Gastgebern selbst scheinbar Unmögliches gelang, siehe Jordan Spieths Rettungsschlag am 17. Grün oder Bryson DeChambeaus 381-Meter-Granate vom fünften Tee, herrscht im Team Blau „Murphys Law“: Was schiefgehen konnte, das ging auch schief. Rory McIlroy und Ian Poulter passen beim klassischen Vierer nicht zusammen und verloren schon 2018 in Paris gegen Justin Thomas und Jordan Spieth, „Rors“ ist ohnehin auf der Suche nach seinem golferischen Ich, Paul Caseys kalter Putter funktionierte erst auf dem 16. Grün endlich mal, Jon Rahm schließlich kann auch nicht alles richten, zumal der Weltranglistenerste am Nachmittag seines kongenialen Partners Sergio Garcia „beraubt“ wurde, der beim Erfolg über Thomas und Spieth mit nunmehr 23 Punkten den generellen Ryder-Cup-Rekord für gewonnene Matches einstellte. Und und und.

Am Ende gingen die Amerikaner mit 6:2 zum Abendessen, dem größten Vorsprung nach einem Tag seit der Einführung des gesamteuropäischen Teams 1979. Mehr noch: Nie verloren sie einen Ryder Cup, wenn sie zum Auftakt die erste Vierer-Session gewonnen hatten. Padraig Harringtons Equipe muss sich mächtig steigern, um dieses schlechte Omen in Frage zu stellen.

Die „Spanische Armada“ Rahm/Garcia hat gestern eigentlich den Weg gewiesen und soll heute den Takt für die Wende anstimmen. Nicht ist bereits verloren, 20 weitere Partien stehen noch an.

Harrington: „Zweifele keine Sekunde an Rory“

Einmal aussetzen: Padraig Harrington hat einen seiner designierten Führungsspieler auf die Bank verbannt. Nachdem Rory McIlroy gestern erstmals in seiner Karriere an einem Ryder-Cup-Tag zwei Punkte verloren hat, kriegt der erschöpft wirkende Nordire heute morgen eine Pause, um sich zu sammeln und hoffentlich neu zu sortieren. Auch das gab’s noch nie in McIlroys nunmehr sechs Kontinentalwettbewerbe umfassenden Laufbahn mit 26 Einsätzen in Serie. Weder im Foursome mit Ian Poulter noch beim nachmittäglichen Vierball mit Shane Lowry hatte es der vierfache Majorsieger bis zum 16. Loch von Whistling Straits geschafft, verlor erst desaströs mit 5&3, dann kaum weniger erschreckend mit 4&3. Der 32-Jährige ist meilenweit von irgendeiner dominanten Form entfernt. Das erstickte sogar den üblichen Dampf im Kessel von Poulter; und Lowry darf getrost attestiert werden, als Rookie alles versucht zu haben, um den Ausfall seines Partners zu kompensieren. Der Ire machte hernach vor allem Tony Finaus brillante Vorstellung auf den Grüns für die Niederlage verantwortlich. „Wir hätten ihm und Harris [English] eine bessere Partie liefern müssen. Aber ich habe Tony auch seit langem nicht mehr so gut putten sehen.“

Europas Kapitän Padraig Harrington nahm seinen Star naturgemäß bei der abschließenden Pressekonferenz in Schutz: „Ja, bei ,Rors’ lief es sicherlich nicht wie gewünscht, doch ich zweifle keine Sekunde an ihm, an seinen Führungsqualitäten und an dem, was er für mein Team bedeutet.“ Fürs europäische Comeback freilich ist unabdingbar, dass McIlroy auch auf dem Platz die Führung übernimmt. Im Wortsinn.

Woods’ Nachricht befeuert US-Team

Präsenz: Tiger Woods wird definitiv nicht in Whistling Straits auftauchen, aber der US-Superstar spielt im Geiste beim US-Team mit. Wie erwartet hat der 45-Jährige, der nach seinem schweren Autounfall vom Februar daheim in Jupiter/Florida wieder in Schwung zu kommen versucht, aus der Reha eine Botschaft an Skipper Steve Stricker und dessen Dutzend geschickt. Der genaue Inhalt ist nicht bekannt, aber Xander Schauffele sprach Tigers Einfluss an, nachdem er und Patrick Cantlay im morgendlichen Vierer das als sichere Bank aufgebotene europäische Duo Rory McIlroy/Ian Poulter mit 5&3 vernascht hatten: „Es war eine tolle Nachricht, die uns da gestern Abend erreicht hat. Pat und ich wurde einige Male direkt angesprochen und wussten daher genau, was zu tun war. Und wir wussten, dass er von der Couch aus oder auf Krücken mitfiebert und bei unserem Erfolg ganz sicher in seiner typischen Manier triumphal die Faust geballt hat.“

DeChambeaus Caddie und der Flaggenstock

Ein Schlag geht um die Welt: Bryson DeChambeaus ungeheuerlicher 381-Meter-Hieb auf der Doppel-Dogleg-Fünf von Whistling Straits wird auch viele Stunden später auf allen Kanälen immer und immer wieder gezeigt. „Diese Linie konnte ich nur dank des Rückenwinds spielen“, erklärte der „Hulk mit dem Holz“ nach dem mit Scottie Scheffler geteilten Vierball gegen Jon Rahm und Tyrrell Hatton. „Ich habe nur aufs Grün gezielt und einfach einen rausgehauen.“ Zuvor freilich musste „BDC“ erstmal ein paar Zuschauer und Kameraleute aus dem Weg beordern (lassen), wer rechnet denn auch mit so einer fulminanten Abkürzung der Spielbahn.

Nach all dem Ah und Oh rund um das Eagle sorgten Dechambeau und sein Caddie Brian Zeigler dann ein Grün später für unfreiwillige Komik, als Letzterer angesichts des heranrollenden Balls seines Chefs den Flaggenstock nicht aus dem Cup bekam, obwohl er wie ein Berserker daran zerrte. Nachdem der Ball kurz vor dem Loch zur Ruhe gekommen war, entfernte der herbeigerufene Schiedsrichter den aufgrund des starken Winds offenbar verkanteten Pin mit sanftem Zug zweier Finger. „Da kommst du dir echt wie ein Depp vor“, sagte Zeigler zu der Szene. Immerhin ist es seit der Regelreform 2019 erlaubt, mit der Flagge im Loch zu putten,. Und eine versehentliche Berührung des Steckens oder der Person, die ihn bedient, ist straffrei.

Verhalten der US-Fans: „Schändlich“ und „widerlich“

Peinlich: Mit Respekt ist das so eine Sache. Vor dem ersten Vierer hatte US-Skipper Steve Stricker die einheimischen Fans noch um ein Mindestmaß an Achtung für den Gegner gebeten, doch während der gestrigen Matches offenbarten Amerikas Anhänger leider das erwartete unsägliche Verhalten: Sie buhten die Europäer aus, grölten in deren Schwünge, wollten Abschläge Richtung Lake Michigan brüllen („Get in the Water“), bejubelten missglückte Schüsse und ließen es bei gelungenen Bällen an höflichen Gesten fehlen. Die Tatsache, dass auf Whistling Straits die Bierbuden ab 10 Uhr geöffnet waren, tat ein Übriges. Oder wie es Seth Waugh, Chef der PGA of America, nannte:

Andere freilich sahen das etwas differenzierter. In den sozialen Medien hagelte es harsche Kritik: „schändlich“ oder „widerlich“ war da zu lesen. Der einstige europäische Ryder-Cupper Ross Fischer sprach von einem „erschreckenden Bruch der Etikette“. Der blau-goldene Jubel, der übrigens in Paris 2018 auch von vereinzelten Schmährufen begleitet war – das sei der guten Ordnung halber erwähnt –, fiel demgegenüber mehr als verhalten aus. Gut, es gab gestern nicht so viel Grund zur Begeisterung; und sowieso sind die europäischen Fans aufgrund des noch gelten Einreiseverbots rar gesät.

Erster Ryder Cup für Greg Norman

Star-Aufgebot: Es ist Ryder Cup und dementsprechend groß fällt auch das Aufgebot an VIP und Promis aus, in der Zuschauergalerie ebenso wie „Inside the Ropes“. Dass Michael „His Airness“ Jordan das US-Team unterstützt, ist eh klar – der Basketball-Heroe gehört schon fast zum Inventar der Amerikaner. Gesichtet wurden auch Korbjäger-Kollege und Golf-Nerd Steph Curry, dazu Ex-Eishockey-Star Teemu Selanne, Golfgrößen wie Ben Crenshaw – und Greg Norman. Der „Große Weiße Hai“ aus Australien erlebt in Whistling Straits tatsächlich seinen ersten Ryder Cup.

Foursome: Ball ist nicht gleich Ball

Runde Sache: Heute morgen geht’s wieder mit den klassischen Vierern los, bei denen die jeweiligen Duos abwechselnd denselben Ball spielen. Das wirft die interessante Fragen auf: Welchen Ball denn? Immerhin hat da jeder Top-Spieler individuelle Anforderungen und Vorlieben hinsichtlich Spin, Kompression und und und. Während sich beispielsweise Callaway-Testimonial Phil Mickelson noch 2004 auf die von Tiger Woods bevorzugten Nike-Kugeln einschießen musste („Das hat mich fünf Stunden und einen beachtlichen Teil meiner üblichen Vorbereitungsstruktur gekostet“), gewährleistet seit 2006 eine Sonderregel, dass jeder Spieler im Grunde seinen präferierten Ball spielen kann: Die Murmeln dürfen nach jedem absolvierten Loch gewechselt werden. Das wiederum eröffnet die taktische Möglichkeit, auf der anstehenden Bahn für das notwendige Shotmaking einen entsprechend geeigneten Ball einzusetzen. Mittlerweile beschäftigen sich die Spieler daher beim Training auch sehr intensiv mit Tests unterschiedlicher Bälle; manchmal führt so was gar hinterher zum Wechsel des Ausrüsters.

Trainer der US-Spieler fordern Aufwandsentschädigung

Gleichheitsgebot: Die diversen Trainer der US-Ryder-Cup-Teilnehmer haben sich bei der PGA of America beschwert, weil sie sich gegenüber den europäischen Kollegen benachteiligt fühlen. Während die Ryder Cup Ltd. bzw. die European Tour den Schwung- und Putt-Coaches ihrer Spieler die Kosten für die Reise nach Whistling Straits sowie ihre Einsätze vor Ort erstatten, ihnen auch Zugang zum Team-Quartier gewähren und sie sogar hinter den Flights mitlaufen lassen, guckt die Gegenseite diesbezüglich komplett in die Röhre. „Wir bezahlen unsere Flugkosten, das vorgeschriebene Hotel – 350 Dollar die Nacht – und auch unser Essen selbst, und im Gegenzug müssen wir uns dann mit unseren Spielern hinter irgendeiner Ecke treffen, um ihnen Tipps zu geben“, wird ein Trainer zitiert. Es geht den US-Coaches dabei nicht nur um die offenkundigen Kosten von 4.000 bis 5.000 Dollar für den Ryder-Cup-Einsatz, sondern auch um eine Kompensation der im Zeitraum von Whistling Straits entgangenen Einnahmen, die auf 10.000 bis 20.000 Dollar beziffert werden, weil am heimischen Standort keinen Unterricht gegeben werden kann. Zwar ist das letztlich eine Frage, die wirtschaftlich zwischen Trainer und Spieler als eigentliche Vertragspartner geklärt werden müsste, aber die Großzügigkeit der Europäer weckt halt Begehrlichkeiten.

Wo ist Europas Braveheart?

Zum Schluss: Ian Poulter mal wieder. „Postman Poults“ hat seine und Europas Fans mit einer ziemlich gelungenen Video-Animation auf diesen Ryder Cup eingestimmt: Der Engländer ließ das eigene Gesicht mit dem schottischen Rebellen William Wallace verschmelzen – allein das schon eine mehr als pikante Konstellation –, den Mel Gibson im Hollywood-Blockbuster „Braveheart“ verkörpert hat. Und so reitet im Clip nun Volksheld Poulter vor der Schlacht (originär gegen die Engländer!) vor seinen Truppen hin und her und appelliert an ihr mutiges Herz. Das fehlte den Europäern gestern ein wenig. Selbst Poulter, bei dem am ersten Abschlag durch die Tracking-Technik von „Whoop“ übrigens ein Aufregungs-Puls von 131 gemessen wurde, stand auf dem Platz noch nicht wie gewohnt unter Strom – kann ja noch werden. Und ans Ende von „Braveheart“ denken wir jetzt mal besser nicht …

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