Martin Kaymer hat sich in den letzten Jahrzehnten im deutschen Profi-Golf einen großen Namen gemacht. Zurecht, gehörte der gebürtige Düsseldorfer doch lange Zeit zur Bel-Etage der internationalen Golfwelt, gewann Major-Turniere und entschied 2012 sogar den legendären Ryder Cup in Medinah, USA. Der stets zurückhaltende Kaymer war, zumindest bei deutschen Golffans, ein absoluter Superstar, der nächste große Stern am deutschen Golfhimmel nach Bernhard Langer. Selbst lange nach seiner Hochphase in den frühen 10er-Jahren, stand der Name Kaymer in der Golfwelt für Etwas und der Deutsche spielte auch weiterhin regelmäßig auf der European oder PGA Tour mit. Erst in den letzten vier bis fünf wurde es zunehmend ruhiger um den 37-Jährigen. Weniger Turniere, mehr private Auszeiten. Auszeiten, die man einem Profisportler und frisch gebackenem Vater, der über viele Jahre auf hohem sportlichen Niveau abliefern musste, auch zweifelsohne zugestehen muss. Und dennoch: Lange hofften seine Fans auf ein weiteres Comeback, vielleicht sogar eine Rückkehr zur alten Stärke. Heute wissen wir: Es sollte kein Turniersieg sein, der für die nächste große Kaymer-Schlagzeile sorgt. Mit seinem Wechsel zur LIV Golf Series entschied er sich für einen Neustart in seiner Karriere. Neues Format, weniger Turniere, mehr Flexibilität und, man muss es sagen, natürlich auch eine ordentliche Stange Geld. Dafür hagelte es Kritik von Fans und vor den Medien muss er sich seitdem für diesen Schritt rechtfertigen. So auch in dieser Woche in Portland. Doch Kaymer bleibt seiner Linie treu, verteidigt seine Entscheidung und hat dafür, nach eigener Aussage, auch gute Gründe.
Martin Kaymer: " Niemand bereitet einen darauf vor, [...] so sehr auf sich allein gestellt zu sein."
Knapp 14 Jahre war Martin Kaymer auf der größten europäischen und amerikanischen Golf-Tour unterwegs. Heute sagt er, dass er nie darauf vorbereitet wurde, während dieser Zeit so auf sich allein gestellt zu sein. Mit ein Grund dafür sei die enorme Größe des Teilnehmerfeldes auf den Touren, bei denen jedes Turnier an die 150 Golfer zusammen kommen. "Seit ich Golfprofi bin, bereitet einen niemand darauf vor, so sehr auf sich allein gestellt zu sein, besonders auf der PGA und der European Tour.", so Kaymer auf der Pressekonferenz in Portland, "Jeder hat sein eigenes Team. Man geht kaum mit anderen Jungs zum Essen, es sei denn, man ist Spanier."
Gerade das sei einer der Mitgründe gewesen, warum er das Dasein auf der LIV Series so schätze. Das Teilnehmerfeld ist mit 40-50 Golfern erheblich kleiner, zudem spielt man zwar für sich, doch dazu auch in einer Teamwertung mit anderen Spielern. "Es ist komplett anders hier. Selbst Jungs, mit denen du nie Zeit verbringst, die vielleicht sogar auf der Challenge Tour oder der Asian Tour spielen, kannst du von deinen Erfahrungen erzählen, sie fragen dich nach deinen Erfahrungen, wie du ein noch besserer Spieler werden kannst, ein Major-Sieger, Ryder-Cup-Spieler und so weiter." Für Kaymer haben die "Saudis" und Greg Norman eine Tour kreiert, die die Möglichkeit bietet sich besser zu vernetzen, sich mehr untereinander auszutauschen und somit ein spürbares Gemeinschaftsgefühl zu erschaffen.
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— LIV Golf (@LIVGolfInv) June 29, 2022
Saudi Arabien und die Verantwortung als Sportler
Einer der stärksten Punkte, warum die LIV Serie überhaupt von Anfang an so in die Kritik geraten ist, ist die Zusammenarbeit und Kooperation mit dem Wüstenstaat Saudi Arabien. Es ist keineswegs unbekannt, dass in diesem Staat mit knapp 34 Millionen Einwohner, Menschen- und Frauenrechte stark eingeschränkt sind und noch weit hinter dem zurück liegen, was wir in unserer Gesellschaft als normal ansehen. Die Frage, die sich Kaymer und Co. daher wohl oder über gefallen lassen müssen liegt auf der Hand: Wenn man diese Umstände kennt, muss man als Sportler und Vorbild seine moralischen Überlegungen mit einbeziehen, oder geht es grundsätzlich nur darum das Beste aus seiner Karriere herauszuholen?
Kaymer sieht im Golf nicht nur ein Showevent, sondern auch eine Sportart, die die Möglichkeit hat Gutes zu bewegen, gerade in Ländern, wie Saudi-Arabien. "Ich denke, man kann es auch unter dem Gesichtspunkt sehen, dass man eine andere Generation dazu inspirieren kann, etwas Gutes zu tun, etwas Besseres zu tun, etwas aus ihrem Leben zu machen, von dem sie nie gedacht hätte, dass sie dazu fähig wären. Wenn wir sie dazu inspirieren können, etwas Ähnliches zu tun, wie wir es gerade tun." Natürlich trifft Kaymer damit einen Punkt, die Frage ist nur, ob Inspiration alleine reicht, um die Missstände in einem gesamten Staat ausreichend zu korrigieren.
Thema Ryder Cup - Martin Kaymer hat Kapitäns-Amt noch nicht abgeschrieben
Martin Kaymer ist nicht nur Spieler auf der LIV Golf Series, er ist zudem auch Kapitän der "Cleeks", einem Team, das er zusammen mit Ian Snyman, Scott Vincent und Turk Pettit bildet. Neben der Einzelwertung werden bei LIV-Events alle Ergebnisse der Teammitglieder zusammengerechnet und die niedrigste Schlagzahl gewinnt, wie könnte es anders sein, ein üppiges Extra-Preisgeld. Eigentlich nur ein weiteres "nice-to-have" für die Spieler, doch Kaymer sieht seine Kapitänsrolle auch als mögliche Vorbereitung für Größeres.
"In erster Linie spielen wir natürlich für uns, aber wir alle genießen diesen Teamaspekt sehr. Außerdem könnte es eine Art Vorbereitung darauf sein, eines Tages Kapitän des Ryder-Cup-Teams zu sein. Das wäre großartig", so Kaymer über das spezielle Format. Sind wir mal ehrlich. Selbst wenn Martin Kaymer und sein Team die nächsten Events auf der LIV Tour gewinnen sollten, so hat das ganze Prozedere doch herzlich wenig mit dem zu tun, was von einem Ryder Cup Kapitän erwartet wird. Und auch wenn die europäischen Spieler und Kapitäne weniger harte Sanktionen, wie die der Amerikaner erwarten müssen, so wird aktuell das Team Europe es sich eher zweimal überlegen, bevor es einen LIV Spieler in eine derart verantwortliche Position bringt.
Kaymer hat den größte Event auf der Golfbühne aber noch nicht abgeschrieben. Er ist für eine offene Kommunikation und, dass jeder Spieler, der sportlich in Frage kommen würde, eine Option sein sollte: "Wir brauchen nur vier Turniere in Europa zu spielen, und ich denke, wir wären mehr als glücklich und stolz, auch mehr als vier Turniere auf der European Tour zu spielen. Es kommt auf die Kommunikation an. Ich denke, man kann darüber reden, welche Art von Turnieren man spielen möchte. Ich als Deutscher werde natürlich alle deutschen Turniere spielen und ein paar der Turniere, die mir in der Vergangenheit sehr gut gefallen haben."