Am Rande des Charity Turniers von Martin Kaymers Helianthus Stiftung, traf Golf Post den besten deutschen Golfer im Golfclub Mettmann zum Interview. Der 34-Jährige blickt auf die vergangenen Monate zurück und erzählt, worauf er seinen Fokus in der nächsten Zeit legt. Zudem sprechen wir mit ihm über seine Stiftung und das Jahr 2020, in dem Olympia und der Ryder Cup auf uns zukommen.
Martin Kaymer im Interview
Golf Post: Wie zufrieden bist Du mit 2019, wie bewertest Du die Saison?
Martin Kaymer: Ich habe am Anfang der Saison viel trainiert und die Erwartungshaltung war aufgrund dessen extrem hoch. Im Sommer wollte ich die Sache dann mit mehr Leichtigkeit angehen und einfach Spaß haben. Beim Memorial Tournament war ich im Finalflight mit Adam Scott und das war ein super Beweis dafür, dass viel Gutes mit der Leichtigkeit kommt, selbst wenn ich nicht gewonnen habe.
Es geht nicht darum, Turniere zu gewinnen, auch wenn man als Sportler danach bewertet wird. Für mich war es wichtig, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Ich habe gutes Golf gespielt, solide, kontrolliert, was nichts mit Glück zu tun hat. Die nächsten Wochen danach liefen ähnlich gut. In München hab ich nach zwei Runden geführt und dann war an dem Freitagabend der Junggesellenabschied von meinem Bruder, für den ich Trauzeuge war. Aber das soll keine Entschuldigung sein. Ich habe das Turnier trotzdem genossen und es ist nur eine Frage der Zeit.
Die letzten zwei, drei Wochen waren anschließend einfach zu viel. Ich habe in den letzten elf Wochen neun Turniere gespielt und bei der British Open war ich vor Ort, das war auch eine ermüdende Woche. Ich durfte nicht trainieren, musste warten, aber konnte mich nicht ausruhen. Für mich war es dann klar, dass deswegen die letzten Wochen nicht gut liefen.
Golf Post: Die Wochen davor waren konstant gut. Wie sehen Deine Ziele für den Rest der Saison aus?
Martin Kaymer: Es wäre super, wenn ich es unter die Top 20 bis Top 25 im Race to Dubai schaffe. Wir spielen noch fünf sehr große Turniere mit den Rolex Series Events. Durch die möchte ich in der Weltrangliste nach vorne kommen und Plätze aufholen.
Golf Post: Du sagtest, Du hast am Anfang der Saison viel trainiert und die Erwartungshaltung war hoch. Gibt es etwas, das Du nächste Saison anders machen willst oder gibt es einen anderen Fokus?
Martin Kaymer: Ein bisschen mehr Ausgeglichenheit, ein bisschen mehr Balance. Gelegentlich den Fokus ganz vom Golf wegnehmen und mich dann wieder hineinstürzen. Ich war das ganze Jahr halb dabei oder voll drinnen, aber ich war nie wirklich weg vom Thema Golf. Meine Ruhephase war viel zu kurz und ich war nicht mehr gut vorbereitet auf die Turniere, weil die Energie nicht mehr gereicht hat. Das werde ich anders machen. Ich mache mir einen Plan, damit ich gut vorbereitet bin und nicht nur Donnerstag und Freitag Energie habe, sondern auch Samstag und Sonntag. Dieser eine Schlag, der bisher gefehlt hat, der soll dann auch noch gut werden.
"Relaxen ist nichts für mich"
Golf Post: Jetzt hast Du fünf Wochen Pause gehabt. Wie sieht ein typischer Tag bei Dir aus, gibt es auch Tage, an denen Du gar kein Golf spielst?
Martin Kaymer: Ich habe drei Wochen gar kein Golf gespielt, weil ich davor drei Monate durchgespielt habe. Tagtäglich. Das Gute war, dass mein Vater sein Nachbargrundstück gekauft hat und viele Sachen abgerissen werden mussten. Ich bin zum ersten Mal in meinem Leben Bagger gefahren. Dann war ich ein paar Tage auf Mallorca, einfach nur relaxen, aber das ist nichts für mich. Ich muss mich bewegen, muss Sport machen. Darüber hinaus mache ich viel mit der Familie und lebe einfach mal in den Tag hinein. Das fällt mir unheimlich schwer, weil ich so ein strukturierter Mensch bin. Aber ich muss einige Zeit komplett abschalten, bevor ich dann wieder intensiv trainieren kann.
Golf Post: Wie sieht ein typischer Trainingstag bei Dir aus?
Martin Kaymer: Ich bin relativ langweilig, wenn es ums Training geht. Wenn ich in Amerika bin, mache ich morgens kurzes Spiel mit Putten und Chippen, weil die Grüns dann perfekt sind. Danach gehe ich anderthalb bis zwei Stunden Bälle schlagen, danach 9 oder 18 Loch mit dem Cart spielen, damit es schneller geht – anschließend Mittagessen. Dann schaue ich, was auf dem Platz nicht funktioniert hat und trainiere das danach anderthalb Stunden lang. Dann mache ich eine Stunde Pause, gehe ins Fittnessstudio und abends bin ich müde. Ein ganz normaler Arbeitstag von 8 bis 17 Uhr.
Golf Post: Die Saison stand im Schatten von Tiger Woods' Comeback. Wie hast Du das erlebt?
Martin Kaymer: Es war inspirierend und emotional. Da habe ich auch mal ein Tränchen verdrückt. Ich weiß nicht, wie gut man das einschätzen kann. Keiner hat diesen Leidensweg durchlebt, den Tiger hatte, mit den ganzen OPs. Das überhaupt in Relation zu etwas Anderem einzuschätzen ist schwer. Nicht nur das Golferische, auch das Mentale ist total inspirierend. Diese Erwartungshaltung, es sich selbst und seinen Kindern zu beweisen, weil die damals sehr klein waren – das kann man ihm gar nicht hoch genug anrechnen.
Golf Post: Kannst Du aus der Sicht eines Golfers auch erklären, dass seine Saison danach nicht so stark war? Weil es mental auch anstrengend ist, so ein Highlight zu gewinnen?
Martin Kaymer: Ich glaube es ist mental gar nicht so anstrengend, sondern eher körperlich. Manche Wochen geht gar nichts und in manchen Woche ist es okay. Er spielt auch nicht jede Woche. Man kann auch von Tiger Woods nicht erwarten, dass er jedes Wochenende um den Titel mitspielt, so wie damals. Er ist keine 25 mehr.
Ziel 2020: Olympia und der Ryder Cup
Golf Post: Nächstes Jahr sind die Olympischen Spiele in Tokio und der Ryder Cup in den USA, in Whistling Straits. Da hast Du Dein erstes Major gewonnen. Was sind Deine persönlichen Ziele für diese beiden Events?
Martin Kaymer: Für mich sind die beiden Events 2020 ganz weit vorne. Wenn ich mich dafür qualifiziere, ist die Saison ganz gut gelaufen. Gerade mit Whistlings Straits verbinde ich gute Gefühle. Da habe ich mit 25 den ersten Majortitel geholt und wusste gar nicht, wo oben und unten ist. Ich war selber überrascht, dass das so schnell funktioniert hat. Und wenn ich dann in Whistling Straits den Ryder Cup spielen kann, gegen Steve Stricker als Kapitän, den ich 2012, im prägendsten Moment meiner Karriere, geschlagen habe, das wäre ein schönes Ende für den Ryder Cup.
Golf Post: Nach aktuellem Stand bist Du ziemlich sicher für Olympia nächstes Jahr qualifiziert und Du bist ja auch ein überzeugter Olympionike. Welche Erwartungen hast Du für Olympia 2020?
Martin Kaymer: Ich werde die Sache komplett anders angehen als damals. 2016 in Rio habe ich mich auch für andere Sportarten interessiert. Ich war zwei Mal am Tag im Fitnessstudio, um zu sehen, wie die ganzen anderen Sportler trainieren. Ich bin Nachts um 1 Uhr aufgestanden und zu einem Handballspiel gefahren, weil ich nicht schlafen konnte. Ich hatte viel zu viele Gedanken im Kopf. Nächstes Jahr ist der Golfplatz zum Glück 70 Kilometer vom Olympischen Dorf entfernt. Während des Turniers werde ich dort nicht wohnen, weil ich während des Turniers nicht jeden Tag 140 Kilometer fahren kann. Deshalb werde ich vorher 3-4 Tage im Olympischen Dorf wohnen und während des Turniers in ein Hotel in der Nähe vom Golfplatz ziehen. Ich werde dann ein Golfturnier spielen, so wie ich es kenne, mit relativ wenig Ablenkung.
Die Martin Kaymer Helianthus Stiftung - Eine Herzensangelegenheit
Golf Post: Wir treffen uns im Rahmen deines Charity-Turniers für die Martin Kaymer Helianthus Stiftung. Worin liegt der Fokus und das Hauptziel Deiner Stiftung?
Martin Kaymer: Es ist eine Win-Win-Situation. Ich arbeite unglaublich gerne mit Kindern zusammen und finde es sehr inspirierend, weil ihnen völlig egal ist, wie du aussiehst oder wie viel Geld du verdienst, die wollen einfach nur Spaß haben. Wenn ich gleichzeitig an dem Leben der Kinder teilhaben kann und gleichzeitig ihnen helfen kann, ihre Talente zu finden, sie zu fördern und zu stärken, dann ist das perfekt. Und es geht um die Werte, die meine Stiftung vermittelt: Disziplin, Liebe, Ehrlichkeit und Respekt. Wenn man sich daran hält, macht man in seinem Leben gar nicht so viel falsch. Es ist unglaublich schön, zu den Kindergärten hinzufahren und mit den Kindern zu spielen. Diese Ehrlichkeit zu erleben ist toll, denn das erleben wir leider seltener in unserer Gesellschaft und auch im Sport.
Golf Post: Dieses Jahr steht ein Projekt in München im Vordergrund, die integrative Montessori Schule in München in der Balanstraße. Welches Projekt treibt Deine Stiftung da genau voran?
Martin Kaymer: Das ist eine Schule, die total abgeschottet ist und mitten im Industriegebiet steht. Die Kinder können da gar nicht richtig spielen. Aber sie haben ungefähr 90 Quadratmeter Platz auf dem Dach. Wir wollen einen Ballplatz dahin bauen, damit die Kinder Fußball, Handball, Hockey und Volleyball spielen können. Das schöne an der Schule ist, dass zehn Prozent der 250 Kinder eine Behinderung haben, wie Autismus zum Beispiel. Aber es ist schön zu sehen, wenn man da ist, wie die anderen Kinder, die Kinder mit Behinderung als völlig normal wahrnehmen. Zum Beispiel: "Er kann nicht laufen, also helfen wir ihm einfach, damit er mitkommt." Diese Natürlichkeit des Denkens ist sehr schön anzusehen. Und ich wollte helfen, damit die Kinder mehr Platz zum spielen haben, also haben wir uns überlegt, den Ballplatz auf das Dach zu bauen, mit einem Netz dadrüber, damit der Ball nicht runterfällt. Da können die Kinder sich dann ausleben. Die Schule hat auch schon gesammelt und wir geben den Rest dazu, um das Projekt zu ermöglichen.
Golf Post: Inwiefern spielt Golf eine Rolle bei Deiner Stiftung?
Martin Kaymer: Das Turnier der Stiftung, dass wir hier in meinem Heimatclub in Mettmann haben ist wichtig, weil es eine Herzensangelegenheit für mich ist. Wenn wir dadurch Geld generieren können, durch das Golfen, die Abendveranstaltung und auch schon im Vorfeld des Turniers, dann ist das natürlich schön. Aber das ist auch die einzige Verbindung zum Golf, die die Stiftung hat. Felix Neureuther geht wahrscheinlich mit Leuten Skifahren, Boris Becker geht Tennis spielen und ich geh halt Golfen.
Golf Post: Was war der schönste Moment, den Du bisher mit Deiner Stiftung erlebt hast?
Martin Kaymer: Der schönste Moment war letztes Jahr, als wir den Kindergarten unterstützt haben. Ich war nach meinem Stiftungsturnier da und habe mir angeguckt, wie die Projekte umgesetzt worden sind. Da kam ein Mädchen auf mich zu, mit der hatte ich damals Sonnenblumen gemalt. Sie hat mich regelrecht angesprungen und sich so gefreut, mich zu sehen, obwohl sie mich eigentlich gar nicht kennt. Nur weil wir so eine schöne Zeit zusammen hatten. Das ist schon emotional. Erwachsene machen so etwas einfach nicht mit dir, da fragt man immer nach den Hintergründen und so weiter. Aber sie hat sich einfach nur gefreut mich zu sehen. Das war schon ein sehr besonderer Moment für mich.
Wie geht es weiter?
Golf Post: Wie sieht Dein langfristiger Plan aus? Willst Du immer weiter Golf spielen und siehst Dich später auf der Champions Tour oder hast Du vor, Dich irgendwann mehr auf Deine Stiftung konzentrieren?
Martin Kaymer: Ich habe kein Alter, bei dem ich sage: Dann ist Schluss. Beim Fußball oder in anderen Sporten können die Profis nun mal nur spielen bis sie 35 sind. Aber solange ich noch so viel Herz und Leidenschaft in die Sportart lege, werde ich auch weiterspielen, egal ob das jetzt bis 36, 40 oder 50 ist. Da gibt es kein Ende.
Golf Post: Gibt es einen Golfplatz, der auf Deiner persönlichen Bucket List steht, den Du noch nicht gespielt hast?
Martin Kaymer: Pine Valley. Ich habe gehört, der zählt in Amerika zu den Top 3 und andere Spieler haben gesagt, der sei unglaublich, da müsse ich unbedingt mal hin.
Golf Post: Von den Plätzen, die Du gespielt hast, welcher ist Dein Lieblingsplatz?
Martin Kaymer: Pebble Beach.
Das Interview führte Matthias Gräf.