Für Martin Borgmeier geht es seit einiger Zeit steil bergauf: Im vergangenen Jahr wurde der deutsche Long Drive Profi Weltmeister und in diesem Jahr holte er mit der Continental Long Drive Open in Hannover den Long Drive erstmalig auf europäischen Boden. Im Interview verrät der Wahl-Münchner, dass er damit seine Ziele noch lange nicht erreicht hat, sondern lediglich eine Grundlage für seine weiteren Pläne im Sport geschaffen hat.
Martin Borgmeier im Interview
Golf Post: Du bist jetzt seit einem Dreivirtel Jahr Longdrive-Weltmeister. Was hat sich in Deinem Leben seither grundlegend verändert? Reist Du noch mehr? Hast Du jetzt schon ausgesorgt? Siehst Du Deine Familie noch?
Martin Borgmeier: Ja genau, mit den 50.000 Dollar habe ich ausgesorgt bis zum Ende. (lacht) Nein, das ist alles schon wieder investiert in meine Karriere. Ich muss sagen, das einzige, was sich wirklich verändert hat, ist, dass ich nicht mehr in den USA lebe. Ich bin wieder zurückgezogen. Ich habe letztes Jahr sieben Monate in den USA gelebt mit meiner Family. Das habe ich dieses Jahr aufgegeben, weil ich nicht so genau wusste, wie die Saison strukturiert sein wird. Und vor allem auch, wie sich für Bryson DeChambeau, mit dem ich eng befreundet bin, die Sache mit LIV und der PGA Tour entwickelt. Das wussten wir natürlich nicht so genau. Deshalb bin ich erstmal zurück gezogen und das bleibt auch erstmal so und ich reise hin und her. Das ist so das Grundlegende, was sich an meinem Leben verändert hat. Das hat aber gar nichts mit der Weltmeisterschaft zu tun. Klar, ich kann mich jetzt World Longdrive Champion nennen, das hilft an der ein oder anderen Stelle. Mein Coach hat mir, als ich gewonnen habe, etwas gesagt. Er war ja selbst auch mit Joe Miller schon World Champion: 'Martin, wenn du die British Open im Golf gewinnst, hast du fürs Leben ausgesorgt. Wenn du die Longdrive World Championship gewinnst, hast du eine Gelegenheit.'
Golf Post: Genau, auf diese Gelegenehit wollte ich hinaus: Die Sponsorensuche ist sicherlich einfacher geworden, die Aufmerksamkeit ist natürlich viel höher. Diese Dinge haben sich verändert, aber die würdest du nicht als lebensverändernd bezeichnen?
Martin Borgmeier: Ich sag mal so: Die ganzen Sachen, die Partner, mit denen ich jetzt zusammenarbeite, die waren vorher auch schon da. Natürlich sind die Deals jetzt alle ein bisschen größer und ich habe ein bisschen leichteres Spiel oder meine Agency hat dadurch ein leichteres Spiel, weil mich kennen einfach mehr Leute, klar. Das merke ich auch, wenn ich hier über den Platz laufe. Ich mache mindestens 200 Fotos und auch Autogramme und sowas. Das war vielleicht vor zwei Jahren noch nicht so krass. Es passierte schon mal, aber mittlerweile ist es fast normal, dass das so ist. Ich habe jetzt nicht den Eindruck gehabt, dass das so lebensverändernd war und sich dadurch meine persönliche Position verändert hat. Es ist alles ein bisschen leichter, aber vor zwei Jahren habe ich auch bei den ProAms mitgespielt und da war ich noch kein World Champion.
Golf Post: Offensichtlich erkennen Dich Leute hier im Golfkontext. Erkennen Dich Leute auch auf der Straße?
Martin Borgmeier: In Deutschland weniger. In den USA passiert das am Flughafen häufiger. Das kommt schon mal vor. Vor allem aber an Flughäfen, weil ich bin ja sonst nirgendwo. Sonst bin ich in meiner Location und da kennen mich ja sowieso alle. Es passiert schon in Deutschland ab und zu, dass ich erkannt werde und Leute Fotos machen wollen. Das hat aber dann eher damit zu tun, dass ich auf Sat.1 eine TV-Show gewonnen habe. Das war vor etwa drei, vier Jahren. Aber das ist schon eher weswegen ich erkannt werde, wenn ich in der Stadt bin. Wenn ich jetzt auf dem Golfplatz bin, ist natürlich klar, dann wieder wegen dem Golf. Aber ich arbeite daran, dass das noch mehr im Mainstream ankommt.
Golf Post: Dein Weg zum Weltmeistertitel war überraschend kurz. 2017 hast Du angefangen mit Longdrive, richtig?
Martin Borgmeier: Ja, 2018 war meine erste Saison.
Golf Post: Wenn Du zurück denkst: Ist es für Dich eine Überraschung, dass Du vor fünf, sechs Jahren erst angefangen hast und jetzt schon Weltmeister bist?
Martin Borgmeier: Gut, ich hätte es eigentlich sogar noch schneller machen wollen. Justin James hat innerhalb von drei Jahren gewonnen. Ich habe immer gesagt, mal schauen, ob ich es schneller hinkriege. Covid hat mir da natürlich nicht weitergeholfen. Aber klar, das war immer mein Ziel, aber das hört damit jetzt nicht auf. Ich habe mir ein großes Ziel gesetzt. Aber was mir viel wichtiger ist und was jedem hilft, ist, dass ich es schaffe, mit diesem Prädikat jetzt den Sport weiterzuentwickeln. Das war jetzt dieses erste bahnbrechende Longdrive-Event, das wir überhaupt ins deutsche Fernsehen gebracht haben. Jetzt haben schon die nächsten angeklopft und wollen nächstes Jahr gemeinsam mit World Longdrive ein Tour-Event machen.
Mir ist es viel wichtiger, dass ich das schaffe - auch unabhängig von meiner sportlichen Leistung im Long Drive. Da gibt es nachher, wenn sich so eine Sportart entwickelt, unglaublich viele Möglichkeiten. Vom Management bis hin zum Coach, bis in die Medien. Sobald das Fernsehen mit ins Spiel kommt, so wie dieses Jahr das erste mal in Tennessee. Dort sind wir wieder auf dem Golfchannel zu sehen. Wir haben dann ingesamt drei TV-Events dieses Jahr. Nächstes Jahr stehen schon vier fest plus zwei internationale. Ich hoffe, dass wird dann ein Major-Charakter. Momentan gewinnst du ein Tour-Event oder den einen Welttitel. Das wäre schon cool, wenn man da noch ein paar mehr Titel reinbringen könnte. Titel, die auch wirklich was bedeuten. Es gibt viele Super-Spieler. Ich will mich auch nicht wieder selbst loben, aber letztes Jahr hatten wir mit Abstand die höchste Leistungsdichte bei der Weltmeisterschaft, die es je gab. Es gibt nicht mehr nur den einen Tiger Woods. Es gibt nicht mehr nur den einen Kyle Berkshire, der alles platt macht. Es gibt mittlerweile noch 20 andere, die gewinnen können. Und es werden immer mehr. Wenn immer mehr die Sportart sehen und dafür trainieren, dann wird auch mehr nach hinten rauskommen. Meistens sind das Golfer, die schon sehr gut sind und sich noch mehr darauf spezialisieren und das werden noch mehr werden. Und das gehört für mich auch in die Entwicklung des Sports.
"Es war ganz viel Risiko"
Golf Post: Gibt es Dinge, auf die Du verzichten musstest? Du hast mit Longdrive angefangen und jetzt bist Du Weltmeister: Da hast Du sicher vier Zeit investiert.
Martin Borgmeier: Ich hatte einfach keine Freizeit mehr. Ich hab das ja, zugegeben, als Nebenjob gemacht und irgendwann kam dann der Punkt, an dem ich meine ersten Sponsorships hatte und ein bisschen Kohle gesichert war. Dann ging alles relativ schnell. Ich habe den Sprung gewagt und gekündigt. Und dann kam Covid. Ich habe mich dann über meine TV-Show über dem Wasser gehalten. Das war über ein, zwei Jahre einfach die brutale Unsicherheit. Ich habe dann noch ein Kind bekommen und das hilft natürlich auch nicht unbedingt, dass man weniger Geld ausgeben muss. Eher ist es andersrum, deswegen war es ganz viel Risiko. Aber ich habe mich immer versucht, breit aufzustellen, dass ich eben nicht nur Athlet bin, sondern ich habe meine gesamte Zeit genutzt, um mich noch breiter aufzustellen.
Ich habe gelernt: Wie editiere ich Videos, wie funktioniert Social Media und diese ganzen Sachen. Mein 'Expertentum' wirklich breit zu fächern, sodass ich im Zweifelsfall auch so etwas beratend machen könnte. Jetzt kommen da natürlich einige Sachen zusammen. Es ist sehr deutsch, aber ich will trotz des Risikos immer noch ein Ass im Ärmel haben. Das war sehr wichtig und das hat echt viel Zeit gekostet. Da reicht ein Tag mit acht Stunden nicht. Da musst du dich mit ganz vielen Themen gleichzeitig beschäftigen und das hilft mir heute noch. Ich mache heute natürlich nicht mehr selber meine YouTube-Videos. Das Video, das ich jetzt diese Woche hier gemacht habe, das ist komplettes Teamwork von allen bei mir Angestellten in meiner Firma. Aber es ist zumindest gut zu wissen, wie so ein Video überhaupt funktioniert. Ich schaue da dann auch mit einem anderen Auge drauf. Die, die es machen, kennen sich natürlich noch eine Ecke besser aus. Aber ich mag es einfach - zumindest ansatzweise - einen Plan von dem zu haben.
Golf Post: Du hast Dich in den letzten Jahren auch körperlich sehr entwickelt. Sicherlich auch dank des Wissens über Deinen eigenen Schwung, Deine Ernährung und die Biomechanik. Auf welchem Wissensstand hast Du angefangen und wo siehst Du Dich jetzt?
Martin Borgmeier: Wenn ich an 2017, als ich das erste mal einen Longdriver in die Hand genommen habe, zurückdenke: Da wusste ich noch nicht mal, was Club Speed ist. Oder ich wusste, dass es so etwas gibt, aber ich kannte meinen eigenen nicht. Ich bin dann das erste Mal Indoor hingegangen und habe geschaut: Was gibt es für Datenpunkte? Und ich kannte gar nichts. Ich hab ja auch zwischendurch acht Jahre kein Golf gespielt und hatte immer noch den Wissensstand von vielleicht 2005. Wo es im Training eigentlich nur darum ging, Ebenentraining zu machen. Du bist mit dem Pro in seine Hütte reingegangen, der hat seine Kamera mit dem Fernseher verbunden und hat dann mit einem Lineal auf dem Bildschirm die Linien eingezeichnet und du solltest da wieder drauf kommen. Was aus heutiger Sicht natürlich 'totaler Bullshit' ist. Ich hab dann einfach versucht, mich möglichst viel mit dem Schwung auseinander zu setzen. Dadurch, dass ich natürlich einen wissenschaftlichen Hintergrund habe, Bachelor- und Master-Studium damals berufsbegleitend abgeschlossen habe: meinen Bachelor in BWL und Master in Business Psychology, also angewandte Psychologie in der Wirtschaft. Da habe ich natürlich gelernt, was es überhaupt bedeutet, wissenschaftlich zu arbeiten. Von daher waren mir Daten von Anfang an super wichtig und, dass die mich begleiten und dass ich das entsprechend nutzen kann.
Ich habe auch sofort angefangen, Paper zu lesen über den Golfsport und was da überhaupt abgeht. Dann habe ich versucht meine Sachen da rauszuziehen und ausprobiert. Wenn ich jetzt beispielsweise über den Schaft-Kick nachdenke: Wie kickt überhaupt der Schaft durch den Impact durch. Dann gibt es ja das wunderschöne Studio von Sasho MacKenzie, der hat ausprobiert, was verschiedene Schäfte was für einen Clubspeed haben, wie viel Angel of Attack mit welchem Loft und so weiter die im Schwung erzeugen. Und dann habe ich versucht, das nachzubauen mit mir selbst und habe geschaut, was passiert da genau und habe die Werte verglichen. Nach und nach, wenn du sowas machst, hast du ja sowieso irgendwie das Gefühl, dass du gar keine Ahnung hast. Weil du beschäftigst dich ja immer mit den Sachen, die du nicht weißt. Aber da gibt es ja immer wieder Momente wie zum Beispiel beim Open Forum Anfang des Jahres, wo ich mit Sasha MacKenzie, Scott Linn, David Leadbetter und so weiter auf der Bühne sitze bei einer Podiumsdiskussion und merke: Okay krass, ich kenne mich eigentlich schon echt gut aus oder ich kann da mitreden.
Ich habe da natürlich meinen Fachbereich. Ich würde jetzt nicht mit denen anfangen übers Putten zu sprechen. Aber im Bereich Speed oder Driven generell, da kann ich schon problemlos mit denen eine Diskussion führen und auch an den Punkt kommen, dass wir dann alle da sitzen und überlegen: 'Ja, da müssen wir mal drüber nachdenken. Ja, weiß ich auch nicht so genau, müsste man mal untersuchen.' Das sind ja dann die Sachen, die mich wirklich kicken und die mich interessieren, wo ich sage: 'Cool, hier ist auch wirklich noch nicht viel geforscht worden.'
Dadurch, dass ich in meiner Geschwindigkeit das Ganze auf einem Extrem testen kann, gibt es mir natürlich einen Vorsprung im Erkenntnisgewinn. Ich nehme einen Schaft und wo einer mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit 100 Schläge machen muss, um zu sehen 'Oh krass, da passiert ein bisschen was', da sehe ich in zwei Schlägen schon eine Tendenz. Ich kann das als echte Variable nutzen und dann hin und her wechseln. Das gibt mir immer einen guten Vorsprung. Aber es gibt immer noch so viele Dinge, die wir nicht wissen. Und da wird in den nächsten Jahren so viel passieren. Mal schauen, wie sehr ich mich da involviere oder wie sehr ich da mitmache. Aber ich finde, dass ist einfach ein super Themengebiet, das mich wirklich interessiert. Und ich glaube, das ist immer das Wichtigste, wenn du wirklich mit Herz bei etwas dabei bist und es dich interessiert, dann ist es dir egal wie viele Stunden: Du machst es halt einfach.
Golf Post: Wir haben schon kurz über die Continental Long Drive Open in Burgwedel geredet. Die amerikanischen Long Driver sind bestimmt vom Glauben abgefallen, als sie dort ankamen, oder?
Martin Borgmeier: Ja, aus verschiedensten Gründen. Der Golfclub Burgwedel war jetzt nicht der Vorzeige-Club, das war ein bisschen schade. Aber ich bin auch mit dem Host nicht wirklich im Guten auseinander gegangen. Muss ich ganz ehrlich sagen. Mir haben da viele Sachen nicht gepasst. Wir haben es geschafft, mit dem Team, das eigentlich gar nicht die Verantwortung hatte, das irgendwie auszubügeln, damit wir da ein einigermaßen gescheites Event hinbekommen. Wir mussten da schon ordentlich rudern.
"Es war der Startschuss, Long Drive zu globalisieren"
Golf Post: Ohne Dich unterbrechen zu wollen, aber darauf wollte ich gar nicht hinaus. Eher: Was denkst Du, steckt für ein Potential für zukünftige Veranstaltungen dahinter?
Martin Borgmeier: Wir haben es geschafft, innerhalb kürzester Zeit ein TV-Event auf die Beine zu stellen. Und das hat in den Staaten jetzt über drei Jahre nicht funktioniert. Also im Grunde sind die Amis schon deswegen vom Glauben abgefallen, weil das bisher einfach noch keiner geschafft hat. Wir waren in dem Sinne schneller als World Long Drive, aber haben die als Partner natürlich mit World Ranking Punkten dabei gehabt. Also am Ende war es ein unglaublicher Erfolg, weil wir dafür gesorgt haben, in Deutschland überhaupt das Bewusstsein für Long Drive herzustellen und dadurch ist das jetzt ein Ausblick.
Ich hoffe, dass das der Startschuss war, Long Drive zu globalisieren und es irgendwie harmonisch zu schaffen, mit World Long Drive eine Tour auf die Beine zu stellen, die auch in Europa Fuß fassen kann. Die auf jeden Fall nach Asien gehört, nach Südamerika, da haben wir auch einen Anlaufpunkt in Kolumbien. Und da sieht man das Potential des Sports. Für mich war Burgwedel nur ein Sprungbrett, um genau das zu erreichen.
Das Interview führte Tobias Hennig.