Europas Golfwelt dreht sich gerade im Dreieck, im Ryder-Cup-Triangel. Die Eckpunkte liegen in Wentworth, wo die golfende Elite derzeit um den neunten und letzten verbliebenen Platz der Punkte-Qualifikation sowie um Teamchef Padraig Harringtons Wildcard-Gunst spielt; in Whistling Straits, wo das US-Team in Teilen aktuell trainiert und ansonsten alles für die 43. Auflage des Kontinentalwettbewerbs gerichtet ist; und in Guidonia Montecelio bei Rom.
Feierliche Eröffnung mit Club-Präsidentin Lavinia Biagiotti
Das nämlich ist die Adresse des Marco Simone Golf & Country Club, der 2023 den Ryder Cup austragen soll und dessen „kernsanierter“ Platz soeben mit der Italian Open seine Feuerprobe erlebte. Zuvor war das gänzlich neu gestaltete Geläuf feierlich eröffnet worden. Beim Festakt schnippelte sich Club-Präsidentin Lavinia Biagiotti durchs obligatorische Schmuckband, flankiert von European-Tour-Boss Keith Pelley, dem italienischen Golfverbands-Vorsitzenden Franco Chimenti, Europas Ryder-Cup-Direktor Guy Kinnings, dem für 2023 zuständigen Gian Paolo Montali und nicht zuletzt Azzurri-Aushängeschild Francesco Molinari.
Ihre Mutter Laura Biagiotti, die Grande Dame nicht nur der italienischen Mode, lebte seit den 1970er-Jahren mit Ehemann Gianni Cigna im namensgebenden Schloss, dessen Wurzeln bis in die Römerzeit reichen. 1989 ließ sie nebenan von Jim Fazio and David Mezzacane den Golfplatz bauen, der seither im Besitz und unter persönlicher Leitung der Familie ist. 2015 schließlich sorgte die Prêt-à-porter- und Parfüm-Prinzipalin mit ihrem Einfluss und einer gewiss stattlichen Geldgabe dafür, dass der betagte Parcours zur Bühne des insgesamt dritten Kontinentalwettbewerbs auf dem europäischen Festland nach Valderrama 1997 und Paris 2018 erkoren wurde.
Ritterschlag für eigentlich untaugliche Wiese
Anschließend freilich herrschte im Wortsinn erst mal Grabesstille. Laura Biagiotti verstarb 2017; das Projekt lag im Dornröschenschlaf. Derweil rückten die unterlegenen Mitbewerber – allen voran Fontana in Österreich – sich erneut den Schlips in der Hoffnung zurecht, notfalls einspringen zu dürfen. Irgendwann allerdings machten sich Jim Fazios Filius Tom Fazio II und Jeremy Slessor, Chef der Tour-Tochter European Golf Design, doch ans Werk, die eigentlich untaugliche Wiese in einen dem Ereignis angemessenen Platz zu verwandeln.
Aussichten auf die Ewige Stadt
Sie krempelten alles um, ließen keinen Grashalm neben dem anderen und stellten das endgültige Ergebnis jetzt mit geradezu kathedralem Pathos der Öffentlichkeit vorgestellt – passend zu den Aussichten auf die 16 Kilometer entfernte Ewige Stadt und den Petersdom.
Das Echo aus dem Italian-Open-Feld fiel freilich weniger ehrfürchtig aus als erhofft. Ja, natürlich präsentierte sich der Platz in makellosem Zustand – indes: „Es gibt beispielsweise keine Löcher, die wirklich herausragen, hervorstechen, echt toll sind“, urteilte Oliver Wilson, einer der wenigen Spieler, die bei ihrem Platzet namentlich genannt werden wollten. „Auf neun Bahnen siehst du wegen des hügeligen Geländes gar nicht, wohin du die Annäherung schlagen musst. Es gibt viel zu viele Höhenunterschiede, und nicht einmal denkst du: Wow, das ist ein grandioses Loch.“
Par-3-Sieben erinnert Spieler an Cartoon
Das klingt vernichtend angesichts der Tatsache, dass es sich bei Marco Simone nicht um eine Allerweltswiese handelt, sondern um die Schaustätte des spektakulärsten Golfwettbewerbs der Welt. Ein Fleck besonders geriet in den Mittelpunkt der Spielerkritik, das Grün der 200 Meter langen Par-3-Sieben. „Entsetzlich“, nannte es ein auf Anonymität bedachter Aktiver: „Es wirkt wie die Explosion eines Teppichs in einem Cartoon. Man pitcht den Ball einen Meter aufs Grün und er rollt nach 40 Metern hinten wieder runter.“ Und: „Ich hatte keine besonders hohen Erwartungen, und genau die wurden erfüllt.“
„Viel zu viele Wellen, Neigungen und Buckel“, meckerte ein anderer Spieler. „Es wirkt, als habe der Shaper den Architekten verarschen wollen. Freunde waren sie jedenfalls nicht. Und das sind die Leute, die unsere Spielfelder bauen – erschütternd.“
„Warum bauen wir einen Platz, der die USA begünstigt?“
Und es geht noch schlimmer. „Mir will nicht einleuchten, warum wir einen Platz bauen, der das US-Team begünstigt.“, wundert sich ein dritter Pro. „Denn genau das ist hier der Fall. Traditionell sind die Amerikaner vom Abschlag länger als wir, und es gibt etliche Fairways mit Ecken, die man mit ,Tee-Bomben’ abkürzen kann. Auch das Putten auf stark ondulierten, schnellen Grüns kommt vor allem dem Gegner zugute, dessen Spieler das aus den Staaten viel mehr gewohnt sind. Für uns Europäer ist beides eher von Nachteil.“
„Schlimmstenfalls ein Desaster“
Es scheint, als stelle sich Europa mit seiner selbst gewählten und gestalteten Bühne für den 44. Ryder Cup gleichermaßen selbst ein Bein. In diversen Medien war nach den Spieler-Statements jedenfalls schon die Rede davon, dass Marco Simone in zwei Jahren „schlimmstenfalls ein Desaster und bestenfalls irgendeiner in der langen Reihe von Alte-Welt-Schauplätzen“ werde („Golf Digest“).
Zumindest taugen die ganzen Hügel perfekt als Naturtribünen für die Fans. „Es ist ein guter Matchplay-Kurs und perfekt gebaut für Zuschauer“, sagte Eddie Pepperell. „Gerade rund um die Grüns gibt es etliche Amphitheater. Das ist klasse.“ Er sei ohnehin nie der Meinung gewesen, ein Ryder-Cup-Ensemble müsse spektakulär sein, fügte der Engländer an: „Der Wettbewerb selbst ist idealerweise Spektakel genug.“
Auf der Schlussstrecke alles richtig gemacht
Und wenigstens die Schlussstrecke von Marco Simone bekommt Lob. Weil sie offenbar das Zeug für Birdies und Bogeys, Nervenkitzel und Einbrüche hat. Ab Loch 14 scheinen die Architekten alles richtig gemacht zu haben. „Die 14 und die 15 sind zwei sehr gute Par 4“, so Pepperell. „Auf beiden muss man sehr gut abschlagen, um die Chance auf einen Schlaggewinn zu haben. Die 16 ist ebenfalls ein Par 4 und das Grün mit dem Driver attackierbar; die 17 mit dem langgezogenen schmalen Grün ein brillantes Par 3, vielleicht das beste Loch des gesamten Layouts. Die Par-5-18 schließlich hat alle Komponenten für einen spannenden Showdown. Auf diese fünf Löcher wird es letztlich ankommen.“ Immerhin.
24 Monate für Maniküre, Feinschliff und Reife
Vielleicht helfen die kommenden 24 Monate, um Marco Simone in europäischem Sinne reifen zu lassen. Dafür braucht’s noch Maniküre und Feinschliff, es hat aber auch noch zwei weitere Italian Open als General- und Bewährungsproben.