Portland, weiß Wikipedia, „ist die größte Stadt und das wirtschaftliche Zentrum des Bundesstaates Oregon im Nordwesten der Vereinigten Staaten.“ So weit, so gut. Was das allwissende Portal nicht sagt: Die 652.503-Einwohner-Metropole ist momentan Nabel der Golfwelt. Genauer gesagt, ihr in den nahen North Plains gelegener Pumpkin Ridge Golf Club, wo derzeit Greg Normans Operettenliga namens LIV Golf Invitational Series Party macht und ihr zweites Event abfeiert.
Doch die Post aus Portland bringt nicht nur Jux und Jokus wie Sergio Garcias Unzufriedenheit mit dem Namen seines Teams, nachdem sich die „Fireballs“ beim London-Auftakt eher als Rohrkrepierer erwiesen hatten und nur Kevin Nas „Iron Heads“ im Centurion Golf Club noch schlechter abschnitten. Auch Pat Perez’ Glücksgefühle rangieren unter ferner liefen, obwohl der Paradiesvogel sich als einer der wenigen ehrlich dazu bekennt, dass sich der mit einer Garantiegage von zehn Millionen Dollar verbundene Wechsel ins LIV-Lager „wie ein Lotto-Gewinn“ anfühlt – was er bei der Spieler-Party sogleich mit dem passenden Hemd zur Schau gestellt hat.
Selbst vom Blabla samt PGA-Tour-Bashing bei den diversen Pressekonferenzen soll nicht mehr die Rede sein, wenngleich Martin Kaymers Bemerkung, seine Rolle als Kapitän des Teams „Cleeks“ sei eine gute Übung für eventuelle künftige Weihen als Ryder-Cup-Riegenführer, schon als besondere Absurdität in einer weiteren Woche voller Absurditäten gelten dar.
Ab 2023 heißt es „LIV Golf League“
Nein, während LIV-Neuzugang Carlos Ortiz sich nach Tag eins des „Portland-Pokals“ an der Spitze des 48er-Felds platziert hat und die zeitlich und geographisch, wenngleich 3.000 Kilometer weiter östlich, parallel stattfindende John Deere Classic ziemlich in den Hintergrund gedrängt ist, lassen andere Nachrichten aufhorchen. Erstens: LIV expandiert. Dank der Millionen aus dem saudi-arabischen Staatsfonds PIF sollen im kommenden Jahr 14 statt der für 2022 angesetzten acht Turniere stattfinden, um dem hohen Zulauf von Spielern der PGA Tour und der DP World Tour gerecht zu werden, wiewohl es bei 48er-Feldern bleibt. Außerdem ändert sich der Titel in LIV Golf League, womit dann der Konkurrenz-Circuit als solcher auch namentlich definiert ist.
„Wegen PGA Tour“ Geburt des Sohns verpasst
Damit freilich wird alsbald das aktuelle Alibi von der Work-Live-Balance wieder obsolet, mit dem in Portland das bisherige Mantra von „Growing the Game“ und „Ich bin kein Politiker“ ersetzt worden ist. Nahezu ausnahmslose alle LIV’ler redeten von weniger Stress durch weniger Veranstaltungen, von mehr Zeit für die Familie und fürs Privatleben. Er habe wegen des FedEx-Cup sogar die Geburt seines Sohns im vergangenen Jahr verpasst, keilte Pat Perez gegen die PGA Tour aus, die nach LIV-Lesart offenbar für jedwedes Ungemach zum Sündenbock gemacht wird – selbst dafür, dass Perez es sich nicht leisten konnte, den Play-off-Auftakt zu verpassen.
So ist das nun mal, wenn man selbständiger Unternehmer sein will, was die Profis ja gern im Sinne ihrer Rechte ins Feld führen. Die Kehrseite der Medaille nämlich: Der Mann musste spielen, weil er 116. des Rankings war – oder ist das auch die Schuld von Commissioner Jay Monahan und seiner Organisation? Was für eine absurde Argumentation.
Steilvorlage von Dustin Johnson
Auch Sergio Garcias neues Narrativ dürfte von geringer Halbwertzeit sein: „24 Jahre lang bin ich ständig quer durch die Welt gereist“, erzählte der Spanier in Portland: „Umso schöner ist es jetzt, mehr Zeit mit meinen beiden Kindern verbringen zu können und intensiver zu erleben, wie sie groß werden.“ Die Steilvorlage stammt übrigens indirekt von Dustin Johnson, der immer gesagt hat, er wolle spätestens im Alter von 45 mit dem Profigolf aufhören und sich bloß noch den Seinen widmen. Nach zwei Major-Erfolgen und 22 sonstigen Siegen auf der PGA Tour ist der vor kurzem 38 Jahre alt gewordene zweifache Vater und frisch gebackene Ehemann heuer schon mal in einen vorzüglich dotierten Vorruhestand gegangen.
Jedenfalls: Bei künftig 14 Gastspielen in Asien, Europa und den USA wird das mit der Work-Live-Balance erneut ein Balance-Akt – denn Majors wollen die Überläufer ja trotzdem noch spielen. Und dann sind Johnsons Perez oder Garcia schnell wieder bei 20 Turnieren pro Jahr.
Androhung von juristischen Schritten
Und, was gewiss von noch größerer Sprengkraft ist: 16 der von den Sanktionen der DP World Tour betroffene Spieler um die „Rädelsführer“ Lee Westwood und Ian Poulter haben Tour-Boss Keith Pelley ein Ultimatum gestellt. Bis zum heutigen Freitag, 1. Juli und gleichzeitig Nennschluss für die Scottish Open in der kommenden Woche, soll Virginia Water die Bußgelder von jeweils 100.000 Euro sowie die Sperren der Überläufer für die drei mit der PGA Tour co-sanktionierten Turniere zurücknehmen. Andernfalls drohen die Rebellen mit Rebellion, sprich mit juristischen Schritten. Sollte es dazu kommen, darf das getrost als Ouvertüre für all die gerichtlichen Auseinandersetzungen gelten, die da noch kommen werden.
Protest der „9/11 Families“
Was gibt’s sonst noch zu vermelden? Ach ja, eine Info aus der Abteilung „unerwünschte Personen“: Eine Abordnung der „9/11 Families“ wollte in Portland das Gespräch unter anderem mit Phil Mickelson suchen; die Hinterbliebenen-Vereinigung prangert seit Wochen die Verstrickung von Saudi-Arabien in die Terror-Anschläge von 2001 an. Da ein direktes Zusammentreffen nicht zustande kam, protestierte die Delegation vor dem Spielerhotel, bis sie von Sicherheitskräften abgedrängt wurden.
9/11 families say they tried to approach golfers outside their hotel today to discuss their choice, but were unsuccessful as security removed them.
“Every tournament you’re gonna have to deal with us, more people, our stories. We’re not going away.” pic.twitter.com/NKN0NryLXA
— Dan Rapaport (@Daniel_Rapaport) June 30, 2022