„Eitelkeit und Gier“, deklamiert Oscarpreisträger Al Pacino im US-Thriller „The Devil’s Advocate“ (1997), wenn es um die Lieblingssünden des Teufels geht. Mit den beiden Etiketten ist man – zugegeben – in Sachen Greg Norman und seiner Saudi-Liga ebenfalls schnell bei der Hand. Der Australier hat mit der vom Regime in Riad finanzierten LIV Golf Invitational Series ein Mammon-Muster ohne sportlichen Wert kreiert, dessen Reiz allein in der Verführungskunst der obszön hohen Dotierung liegt, das zuvorderst Normans Revanchismus befriedigen und Unruhe im Establishment stiften soll. Sofern man nicht seiner philanthropischen Heuchelei auf den Leim geht.
Anspruchslosen Alimentierung statt Ambitionen
Und auch das zweite Label, das mit der Aufschrift Gier, mag womöglich seine Berechtigung haben, wenn selbst zigfache Preisgeld-Millionäre wie Lee Westwood, Louis Oosthuizen, Sergio Garcia und anscheinend ebenso Martin Kaymer ihre golferischen Ambitionen endgültig ad acta legen und sich im Frühherbst ihrer Karriere an die Tröge einer anspruchslosen Alimentierung flüchten – ganz gleich, wo das „blutige Geld“ („Washington Post“) herkommt.
Allzuoft Miese bei der Turnierbilanz
Zur Wahrheit gehört allerdings gleichermaßen, dass Norman mit seinen unmoralischen Angeboten einen wunden Punkt trifft. Den jenseits der sattsam bekannten und saturierten Namen, jenseits der McIlroy, Morikawa und Co., kann die breite Masse der Golfprofessionals von den Ergebnissen ihrer wöchentlichen Bemühungen nur bedingt gut leben und nachts ruhig schlafen. Ja, es gibt Spieler wie Cameron Tringale, der es ohne einen einzigen Sieg auf der PGA Tour zu über 16 Millionen Dollar an Preisgeld gebracht hat. Andererseits sind da ein paar hundert Aktive, die von der Hand in den Mund leben und allzu oft Miese gemacht haben, wenn sie am Sonntagabend Turnier-Bilanz ziehen.
Existenzkampf diktiert die Entscheidung
Das gilt erst recht für die DP World Tour, wo die Preisgelder vielfach nur ein Bruchteil derer sind, die auf der PGA Tour ausgeschüttet werden. Zum Vergleich: Commissioner Jay Monahan verteilt in dieser Saison 427 Millionen Dollar, die diversen Boni nicht eingerechnet; die DP World Tour bringt es nicht mal auf die Hälfte, fette Zusatz-Gratifikationen sind eh Fehlanzeige. Dem gegenüber steht der Aufwand des „selbständigen Unternehmers“ mit der Berufsbezeichnung Golfprofessional: Reisen, Logis, Trainer, Physio, Caddie, Verpflegung – und für die generellen Lebenshaltungskosten, für den Unterhalt der Familie soll ja auch noch was übrig bleiben. Da stellt sich die Qual der Wahl zwischen Moral oder Moneten vielfach erst gar nicht; der Existenzkampf diktiert die Entscheidung.
Some un useful info for the Golf Fans out there.... So far in 2022 I've missed 9 from 9 cuts and haven't made a cent.... I've been on the road playing since 17th Jan. I have burnt through approx $50k usd. This is Pro Golf people and I love it. Better times coming soon. #golflife pic.twitter.com/erx5DyqMKN
— Scott Hend (@hendygolf) April 1, 2022
Der Australier Scott Hend beispielsweise hat neulich mal eine Rechnung aufgemacht. Nach neun verpassten Cuts auf der DP World Tour 2022 ist der dreifache Europa-Sieger, der einige Jahre auf der PGA Tour unterwegs war, mit rund 50.000 Dollar im Soll. Oder Grayson Murray auf der Korn Ferry Tour und sein Beispiel von der Veritex Bank Championship, wo er vier Runden in den 60ern spielte, geteilter 26. wurde und mit Verlust wieder abreiste. Immerhin kann der 28-Jährige vom Eingemachten leben.
played in the KFT event this week and shot rounds of 68, 66, 66, 69……going home with less money in my pocket than i started the week. Practice hard kids if you want to make golf your living.
— Grayson Murray (@GraysonMurray) April 17, 2022
wasn’t complaining. i’ve made millions on the course im not going to skip meals haha. i was just giving an insight into what it’s like on another tour than the pga
— Grayson Murray (@GraysonMurray) April 17, 2022
Oder jener Pro, der nicht namentlich genannt werden will und beim British Masters in The Belfry räsonierte: „Diese Woche spielen wir um zwei Millionen Euro, was im Grunde dasselbe ist wie vor 15 Jahren. Ich muss in der Mitte des Felds landen, um vielleicht 1.000 britische Pfund zu verdienen. Das ist nicht viel, wenn sich die Ausgaben in dieser Zeit vervierfacht haben.“ Das zeigt, wie brutal der Druck ist. Selbst ordentliche Platzierungen reichen oft nicht, um wenigstens die Ausgaben zu decken.
Flötenspiel von klingender Münze
Und dann kommt Greg Norman daher und lobt für drei Turnierrunden ohne Cut 25 Millionen Dollar aus, vier Millionen für den Sieger und immer noch 120.000 „Bucks“ für den 48. und Letzten des Felds. Was Wunder, dass „The Great White Shark“ und seinem sirenenhaften Flötenspiel von klingender Münze die „Opfer“ zulaufen wie in der Rattenfänger-Sage. 120 wollen angeblich bei seinen acht Events mittun, 80 von den PGA-Touren, 40 aus den europäischen Circuits, davon vielleicht ein Dutzend namhafte. Der Rest macht sich Hoffnung, mit wenigstens einem fetten Zahltag der täglichen Überlebensmühle fürs Erste zu entrinnen.
Gefährliches Szenario für DP World Tour
Für die DP World Tour ist dieses Szenario viel gefährlicher als für die im Geld schwimmende PGA Tour. Allzu gut sind die Zeiten in Erinnerung, als sich in den Folgejahren der Finanzkrise keine Sponsoren finden ließen und gerade in Südeuropa die Turniere reihenweise ausfielen – zumal man im englischen Hauptquartier in Virginia Water nicht mit Star-Power wuchern konnte. Vor wenigen Jahren kriselte es wirtschaftlich wieder mächtig, und Tour-Boss Keith Pelley flüchtete sich vor einer als Kooperationsangebot getarnte „freundliche Übernahme“ durch die Premier Golf League in die strategische Allianz mit der großen Schwester in Ponte Vedra Beach.
Keith Pelley sind de facto die Hände gebunden
Jetzt droht der DP World Tour erneut ein Substanzverlust, wenn Dutzende Spieler dem Lockruf des Gelds folgen. Und Pelley sind de facto die Hände gebunden: Er kann Abtrünnige wie Richard Bland nicht drakonisch sanktionieren, der seinen späten Ruhm verständlicherweise noch ein bisschen kapitalisieren möchte – weil das einerseits in den Statuten wohl nicht vorgesehen ist, anderseits die Wirtschaftspartner über das dann verbleibende Spieler-Aufgebot vermutlich „not amused“ wären.
Köder für die wirklich dicken Fische
Für Norman freilich sind die Blands auf der Bewerberliste sowieso nur Statisten. Spielmasse und Köder für die wirklich dicken Fische: „Die werden sagen, jetzt reicht’s. Da sackt einer sechs oder acht Millionen ein, den ich Woche für Woche mit verbundenen Augen schlagen kann.“ Ob dieses Kalkül auf Dauer aufgeht, ob der Handlanger des Saudi-Sportswashing das Gewünschte wirklich liefern kann, ist wieder eine andere Geschichte.